von
Wolfgang Schneider
Das zentrale Ereignis, um das es in diesen Studien geht, die Geburt Jesu Christi, wird uns in wenigen Versen im Lukasevangelium geschildert. Wir wollen uns die sieben Verse etwas genauer anschauen.
Lk 2,1-3
Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt
geschätzt würde.
Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war.
Und jedermann ging, daß er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.
Diese Aussagen vermitteln uns weitere Informationen zum Zeitpunkt der Geburt Jesu. Die Geburt Jesu geschah in den Tagen, da ein Befehl des römischen Kaisers Augustus ausging, eine Schätzung durchzuführen. Es sollte sich "alle Welt" schätzen lassen, wobei sich "alle Welt" offensichtlich auf das gesamte Römische Reich bezieht, und es sich nicht im wörtlichen Sinne um alle Bewohner auf dem Planeten Erde handelt.
Das Wort für "schätzen" bezeichnet "registrieren". Gewöhnlich wurden solche Art von Schätzungen durchgeführt, um Steuern zu bestimmen und einzuziehen. Allerdings gibt es historische Hinweise, dass im Römischen Reich im Jahre 3/2 v.Chr. eine Registrierung durchgeführt wurde im Zusammenhang mit dem 25. Jubiläum der Herrschaft des Kaisers Augustus. Diese Schätzung hier war wohl eher eine Art Volkszählung mit dem Zwecke der Erklärung politischer Unterstützung des Kaisertums. Bei den Feierlichkeiten zum silbernen Herrschaftsjubiläum (27 v.Chr. - 2 v.Chr.) wurde das Ergebnis der Schätzung dann dem Kaiser vorgelegt. Die logischerweise am besten geeignete Zeit für eine solche Schätzung war der Spätsommer/Frühherbst, da dann die Erntezeit vorbei war und auch das Reisen vom Wetter her gut zu bewältigen war.
Die Angabe bzgl. "Kyrenius Landpfleger in Syrien war" ist immer wieder eine Quelle für Kontroversen hinsichtlich der Verlässlichkeit und Genauigkeit der Angaben des Evangelisten Lukas gewesen. Aus geschichtlichen Quellen ist ein Kyrenius bekannt, der um 12 v.Chr. Konsul in Rom war, danach zwischen 12 v.Chr. und 1 n.Chr. einen Krieg in Kleinasien führte, in den Jahren 2/3 n.Chr. als Berater von Gaius Casear in Armenien agierte und im Jahr 6 n.Chr. als Landpfleger nach Syrien bestellt wurde. Er regierte über Syrien und Judäa, nachdem Archelaus im Jahr 6 n.Chr. als König von Judäa abgesetzt worden war. Es ist sehr gut möglich, dass Kyrenius während der besonderen Schätzung/Registrierung im Jahr 3/2 v.Chr. als speziell bestellter Legat in Syrien die Aufsicht über diese Schätzung führte. Vers 2 hält für uns fest, dass es hier nicht um die Steuerschätzung der Jahre 6/7 n.Chr. geht, vielmehr verweist die Erwähnung von "die erste" auf die Schätzung im Zusammenhang mit dem 25-jährigen Jubiläum der Herrschaft des Kaisers Augustus. Weiterhin ist dies ein zusätzlicher Hinweis darauf, dass die Geburt Jesu in 3/2 v.Chr. geschah.
Für diese Schätzung war es notwendig, dass ein jeder in seine Vaterstadt reisen musste, um sich dort zu registrieren.
Lk 2,4-5
Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids,
die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war,
damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.
Josef war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Wie wir aus dem Alten Testament ersehen können, stammte David aus der kleinen Stadt Bethlehem in Judäa. Davids Vater Jesse (Isai) wohnte in Bethlehem (1Sa 16,1-4) und somit ist Bethlehem die Vaterstadt derer, die aus dem Haus Davids stammen. Josef und Maria waren beide aus dem Haus Davids (vgl. Mt 1,1-17; Lk 3,23ff), die Linie ihrer Vorfahren ging auf zwei unterschiedliche Söhne Davids zurück. Maria reiste mit Josef nach Bethlehem, weil sie sich ebenfalls in Bethlehem registrieren musste, da sie ja auch aus dem Geschlechte Davids war. Zwei aramäische Handschriften haben sogar als Text: "damit sie sich dort schätzen ließen, denn sie waren beide aus dem Geschlechte Davids" (Curetonian Syriac, Sinaitic Palimpsest).
Es ist schon bemerkenswert zu sehen, wie verschiedene und eigentlich voneinander unabhängige Dinge, wie z.B. der Zeitpunkt der Hochzeit Josefs und Marias, die einmalige besondere Schätzung im Römischen Reich, die Notwendigkeit für diese Schätzung in seine Vaterstadt zu gehen, usw. schließlich dazu führen, dass eine Jahrhunderte zuvor durch den Propheten Micha gemachte Prophezeiung zustande kommt, in der er Bethlehem als die Geburtsstadt des Messias benannt hatte.
Mic 5,1
Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel
Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.
Als Josef und Maria nach Bethlehem reisten, war Maria im neunten Monat schwanger, und die Geburt stand bald bevor.
Lk 2,6-7
Und als sie dort waren, kam die Zeit, daß sie gebären sollte.
Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten
sonst keinen Raum in der Herberge.
Als Maria ihren ersten Sohn gebar, war die Prophezeiung des Propheten Micha in Erfüllung gegangen.
Als Josef und Maria nach Bethlehem kamen, war die kleine Stadt offenbar ziemlich voll von Besuchern, die aus dem gleichen Anlass nach Bethlehem gekommen waren. Die als "Herberge" bezeichnete Unterkunft war vermutlich ein Ort, wo normalerweise hauptsächlich Karawanen und andere Reisende übernachteten. Es gab mehrere Gebäude rund um einen offenen Innenhof, wo nicht nur für Menschen Räume bereitstanden, sondern auch Stallungen für die Tiere vorhanden waren. Zu der Zeit war die Herberge derart überfüllt, dass Leute auch in Gebäuden untergebracht waren, die eigentlich für Tiere vorgesehen waren. Josef und Maria hatten lediglich eine solche Behausung gefunden.
In solch gänzlich außergewöhnlichen Umständen wurde nun der Heiland der Welt geboren, am Abend, da der 1. Tischri anbrach. Der Text schildert in wenigen Worten, was sich zutrug. Maria gebar "ihren ersten Sohn", was darauf hinweist, dass sie später noch weitere Söhne hatte, da ansonsten von ihrem "einzigen" Sohn die Rede gewesen wäre.
Eine weitere bedeutsame Einzelheit wird erwähnt: Sie "wickelte ihn in Windeln". Ein Neugeborenes in Windeln wickeln, erscheint uns heute ziemlich normal und auch nicht sonderlich bedeutsam. Und doch ist gerade diese Handlung eine wichtige Sache! Wir messen einer solchen Handlung wenig Bedeutung bei, weil wir nicht unbedingt mit orientalischen und biblischen Bräuchen vertraut sind. In biblischen Zeiten war es sehr bedeutsam, dass ein neugeborener König "mit Wasser gebadet und mit Salz abgerieben" und anschließend "in Windeln gewickelt" wurde. Auf diese Handlung wird z.B. in Hesekiel hingewiesen.
Hes 16,4
Bei deiner Geburt war es so. Am Tag, als du geboren wurdest, wurde deine Nabelschnur nicht abgeschnitten; auch hat
man dich nicht mit Wasser gebadet, damit du sauber würdest, dich nicht mit Salz abgerieben und nicht in Windeln
gewickelt.
Diese Handlung sollte symbolisch andeuten, dass das Baby später als Erwachsener aufrichtig sein würde, ehrlich und ehrbar wandeln würde. Hesekiels Hinweis, sie seien nach der Geburt nicht "mit Salz abgerieben und nicht in Windeln gewickelt" worden, war ein Hinweis darauf, dass sie unehrlich, nicht aufrichtig, "verkehrte Gesellen", ein "verkehrtes Geschlecht", waren.
Maria hatte vorgesorgt, und sie wusch das neugeborene Baby und rieb es mit Salz ab und wickelte es in Windeln. Hier war gerade der Sohn Davids, der für immer und ewig auf dem Thron Davids herrschen sollte, geboren worden.
Diese Handlung hatte dann beim weiteren Geschehen an jenem Abend auch noch in anderer Hinsicht grosse Bedeutung, wie wir in der nächsten Studie sehen werden.
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