Maria, Josef und der Engel

Wie man aus dem Bericht in Lukas 1 ersehen kann, war Maria nach der Verkündigung durch den Engel Gabriel von Dezember bis März für drei Monate bei ihrer Verwandten Elisabeth geblieben und hatte sich dann kurz vor der Niederkunft Elisabeths wieder aufgemacht, um nach Nazareth in Galiläa zurückzukehren. Offensichtlich stand ihre eigene Hochzeit mit dem ihr vertrauten Mann Josef bald bevor.

In biblischen Zeiten konnte das Hochzeitsfest eines Paares mehrere Tage andauern. Das Zusammenkommen des Paares in ehelichem Verkehr fand dann kurze Zeit später statt, meist zum Zeitpunkt, da die Frau am ehesten schwanger werden konnte. Bis zu dem Zeitpunkt dieses ersten ehelichen Verkehrs hatte es keine sexuelle Beziehung zwischen den Eheleuten gegeben.

In Mt 1,18ff lesen wir über Ereignisse, die sich offenbar zur Zeit kurz vor und dann während der Hochzeit Josefs und Marias ereigneten.

Mt 1,18
Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe er sie heimholte, daß sie schwanger war von dem heiligen Geist.

In diesem Vers wird nun "die Geburt" [im Griechischen: gemneesis - "Ursprung, Geburt, Empfängnis"] Christi kontrastiert mit den Geburten der Glieder des davor erwähnten Stammbaums. Die Glieder in diesem Stammbaum waren alle von Männern gezeugt worden, bei Jesus Christus aber verhielt es sich anders. Sein Beginn, seine Empfängnis "geschah ABER so ...", nämlich durch heiligen Geist.

Aus dem griechischen Text könnte man Mt 1,18 noch genauer übersetzen mit: "Aber die Empfängnis Christi geschah auf diese Weise: Es fand sich, dass seine Mutter, Maria, die dem Josef vertraut war, noch bevor sie in ehelicher Gemeinschaft zusammenlebten, schwanger war mit einem Kind durch den heiligen Geist." Das Kind in Marias Leib war nicht empfangen von einem Mann, sondern von Gott durch das Wunder der jungfräulichen Empfängnis durch heiligen Geist. Maria war schwanger, noch bevor Josef und sie ehelichen Verkehr hatten. Vermutlich hatte nun die Hochzeit Josefs und Marias stattgefunden, und nun fand es sich, dass sie schwanger war, bevor beide zum ersten Mal in ehelicher Gemeinschaft zusammenkommen sollten.

Mt 1,19
Josef aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen.

Josef war ein frommer, ein gottesfürchtiger Mann, der bemüht war, dem AT Gesetz gehorsam zu sein. Gemäß dem AT Gesetz boten sich ihm in dieser Situation, da die ihm vertraute Frau von einem anderen schwanger war, zwei Möglichkeiten: (a) er konnte die Frau zu den Ältesten bringen und öffentlich steinigen lassen, oder (b) er konnte ihr einen Scheidebrief geben und sie heimlich wegschicken. Josef erwog diese zweite Möglichkeit, vermutlich aus Liebe für Maria und möglicherweise, weil ihm die Sache eigentlich unerklärlich vorkam.

Mt 1,20-21
Als er das noch bedachte, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem heiligen Geist.
Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.

Als Josef noch mit seinen Überlegungen bzgl. der Situation beschäftigt war, erschien ihm der Engel des Herrn und klärte ihn über den wahren Sachverhalt der Schwangerschaft Marias auf. Wie sich aus Mt 1,18 ergibt, hatte Josef erfahren, dass Maria schwanger war, noch bevor sie zusammenkamen (ehelichen Verkehr miteinander hatten); das war dann auch der Grund dafür, dass er bisher seine Frau auch noch nicht "zu sich genommen" und erwogen hatte, sie mit einem Scheidebrief wegzuschicken. Nun aber klärte ihn der Engel bzgl. des wahren Sachverhalts auf und ermutigte ihn, seine Frau als Ehefrau zu sich zu nehmen und eheliche Gemeinschaft aufzunehmen, d.h. die Ehe zu vollziehen, da Maria ja nicht das Kind eines anderen Mannes trug, sondern vielmehr mit dem verheißenen Messias, dem Sohn Gottes, schwanger war.

Ausserdem bezog der Engel Josef gleich weiter in die Sache ein und gebot ihm, den Sohn Marias "Jesus" zu nennen, da dieser der Retter seines Volks von ihren Sünden war. Maria hatte bereits zuvor durch den Engel erfahren, wie ihr Sohn heißen sollte (vgl. Lk 1,31), aber es war normalerweise die Aufgabe des Vaters, den Namen des Kindes zu bestimmen. Hier nun wird Josef durch den Engel angewiesen, Marias Sohn den Namen Jesus zu geben. Dadurch wird Josef von Jesu tatsächlichem Vater, dem allmächtigen Gott, dazu bestimmt, die Rolle von Jesu irdischem Vater anzunehmen.

Mt 1,22-23
Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht:
»Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns.

Aus Sicht des Evangelisten wird uns nun hier mitgeteilt, dass die geschilderten Ereignisse in Übereinstimmung waren mit dem, was bereits im Propheten Jesaja gesagt war. Damals hatte eine junge Frau ein Kind geboren als Zeichen für König Ahaz, dass die Feinde mit Gottes Hilfe besiegt würden und Gott mit seinem Volk war. Im Falle Jesu war dies noch um so mehr der Fall.

Wir sollten aber beachten, dass es in den biblischen Berichten keine Hinweise darauf gibt, dass Jesus je der Name "Immanuel" gegeben wurde, vielmehr haben wir gerade gelesen, dass der Engel dem Josef gebot, das Kind "Jesus" (und nicht "Immanuel") zu nennen. Der Name "Immanuel" bedeutet "Gott mit uns", und in Christus erfüllte sich, was dieser Name bedeutete. Das aber heißt natürlich nicht, dass Jesus Gott war (genauso wenig wie das Kind zur Zeit Jesajas damals Gott war, nur weil es den Namen Immanuel trug).

Mt 1,24
Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.

Wie wir zuvor sahen, hatte Josef bisher die Ehe mit seiner Frau Maria noch nicht vollzogen, da er erfahren hatte, dass sie bereits schwanger war. Er hatte vielmehr erwogen, seine Frau angesichts dieser Tatsache zu verlassen. Der Engel des Herrn hatte ihn dann aber ermutigt, seine Frau nicht zu entlassen, sondern sie vielmehr zu sich zu nehmen und mit ihr die Ehe zu vollziehen. Der Bericht in Vers 24 teilt uns nun mit, dass Josef diesem Gebot des Engels folgte, und von da an mit seiner Frau Maria in ehelicher Gemeinschaft zusammenlebte.

Mt 1,25
Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

Diese Information ist sehr wichtig. Der Ausdruck "berührte sie nicht" ist eine etwas irreführende Übersetzung; der Ausdruck lautet wörtlich "erkannte sie nicht", wobei der Begriff "erkennen" (im Sinne von "eine Frau erkennen") sich darauf bezieht, dass eine Frau von einem Mann schwanger wird (vgl z.B. 1Mo 4,1.17.25; 1Sa 1,19.20). Josef gehorchte den Anweisungen des Engels und nahm seine Frau zu sich und lebte mit ihr fortan in ehelicher Gemeinschaft, ABER Maria wurde nicht von Josef schwanger bis nach der Geburt ihres "ersten Sohnes" (so der Text für "einen Sohn").

Wie aus anderen Schriftstellen in den Evangelien ersichtlich, hatten Maria und Josef mehrere gemeinsame Kinder, darunter einige Söhne und auch Töchter (vgl. Mt 13,55-56, wo vier Söhne mit Namen genannt werden und auf Töchter als Jesu "Schwestern" hingewiesen wird).

Josef führte aus, was ihm der Engel aufgetragen hatte. Er akzeptierte die Verantwortung, Jesu irdischer Vater zu sein. Er gab dem Kind den Namen Jesus und kümmerte sich in der Folge um Gottes eingeborenen Sohn, was die irdischen Belange der Erziehung des Kindes anging.

Josef war ein erstaunlicher Mann. In schwieriger Situation erwies er sich, gleichwie seine Frau Maria auch, als Mensch mit großem Gottvertrauen.

 

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