von
Wolfgang Schneider
In dieser Studie erörtern wir den ersten Teil der Vision mit dem Geschehen vor dem himmlischen Thron Gottes. Ich möchte an dieser Stelle nochmals auf die Anmerkungen zum Stichwort "Überlegungen zu Visionen" in der Studie Buch der Offenbarung - Vorbemerkungen hinweisen.
Man muss beachten, dass in einer Vision (Offenbarung) nicht tatsächlich oder buchstäblich existierende Gestalten und Personen quasi dokumentarisch dargestellt werden. Die Beschreibungen vermitteln durch Wort und/oder Bild symbolisch Eigenschaften und Wahrheiten auf eine Art und Weise, die für den Empfänger der Vision verständlich sind. In Visionen himmlischer Szenarien werden eigentlich unsichtbare geistliche Realitäten in einer sichtbaren physischen Form abgebildet. In manchen Visionen wird zudem auch erklärt, was bestimmte Symbole bedeuten (vgl. etwa die "Leuchter" und "Sterne" in der Vision, die Johannes in seinem einleitenden allgemeinen Brief an alle 7 Gemeinden erwähnt), in anderen ist dies nicht der Fall.
Offenbarung 4,1-2a
1 Danach sah ich, und siehe, eine Tür war aufgetan im Himmel, und die erste Stimme, die ich mit mir hatte reden hören wie eine Posaune, die sprach: Steig herauf, ich will dir zeigen, was nach diesem geschehen soll.
2 Alsbald wurde ich vom Geist ergriffen. ...
Nachdem Johannes die Botschaften an die Boten der sieben Gemeinden empfangen hatte, wurde ihm eine weitere Vision gezeigt. Diesmal spielte sich das Geschehen in der Vision nicht auf Erden, sondern "im Himmel" ab. Erneut wird die gebietende "erste Stimme, die ich mit mir hatte reden hören wie eine Posaune" erwähnt, auf deren Geheiß hin Johannes bereit war für das, was ihm gezeigt werden würde. Wir erfahren erneut, dass es etwas betraf, das anschließend an das, was gewesen war, "geschehen soll (muss)". Dies musste geschehen, und das sogar ziemlich bald ("nach diesem").
Wir lesen von "eine Tür war aufgetan im Himmel" und von "Steig herauf ...". Ganz offensichtlich handelt es sich nicht um wörtlich gemeinte Begriffe, denn es gibt keine buchstäbliche Tür am Firmament, und es gibt auch keine Leiter, die man zum Himmel hinaufsteigen könnte. Wir sehen vielmehr, wie mit irdischen Bildern ("Tür", "[Leiter/Treppe] heraufsteigen") eine Realität geistlicher Natur für den Menschen und sein Vorstellungsvermögen und Verständnis geschildert wird. "Himmel" ist hier die Bezeichnung der Gegenwart bzw. Wohnstätte Gottes, die man sich außerhalb des Universums dachte.
Johannes bestätigt, dass er "im Geist", d.h. mittels einer ihm gegebenen Offenbarung und nicht im buchstäblichen Sinne, in den Himmel und dort vor Gottes Thron gelangte, indem er dies "sah" und "hörte".
Offenbarung 4,2b-4
2 ... Und siehe, ein Thron stand im Himmel und auf dem Thron saß einer.
3 Und der da saß, war anzusehen wie der Stein Jaspis und der Sarder; und ein Regenbogen war um den Thron, anzusehen wie ein Smaragd.
4 Und um den Thron waren vierundzwanzig Throne und auf den Thronen saßen vierundzwanzig Älteste, mit weißen Kleidern angetan, und hatten auf ihren Häuptern goldene Kronen.
In der Beschreibung des Johannes erscheint Gott "wie Jaspis und Sarder" und "umgeben von einem Regenbogen ... wie ein Smaragd." Damit wird betont, dass von Gott und seinem Thron eine ungeheuer starke Ausstrahlung und Pracht ausging. Gott ist kein Edelstein, hier wird ein besonderer Eindruck von Gott mittels dieser Sprachbilder vermittelt.
Als nächstes werden 24 weitere Throne um Gottes Thron erwähnt, auf denen 24 Älteste saßen. Diese Ältesten werden später nochmals erwähnt (vgl. z.B. Offb. 4,10; 5,9; u.a.), wo sie priesterlichen Dienst als Bestandteil der Anbetung Gottes an seinem Thron versehen. Auch ihre weiße Kleidung weist auf eine solche Aufgabe hin. Dies erinnert an die 24 priesterlichen Ordnungen und deren Aufgaben im irdischen Tempel (vgl. 1. Chronik 24,1-9).
Die Zahl 24 ist auch bemerkenswert. Später in der Beschreibung des neuen Jerusalem werden 12 Grundsteine und 12 Tore erwähnt, die mit den Namen der 12 Stämme Israels und den 12 Aposteln Jesu bedacht sind. Möglicherweise repräsentieren die 24 Älteste vor Gottes Thron das Priestertum der Gläubigen unter dem Alten und unter dem Neuen Bund.
Offenbarung 4,5-6a
5 Und von dem Thron gingen aus Blitze, Stimmen und Donner; und sieben Fackeln mit Feuer brannten vor dem Thron, das sind die sieben Geister Gottes.
6 Und vor dem Thron war es wie ein gläsernes Meer, gleich dem Kristall,
Gottes Gegenwart und seine Stimme werden mit Blitzen und Donner umschrieben, was an das Geschehen am Sinai erinnert, als Gottes Stimme vom Berg erscholl. Die Szene ist Ehrfurcht einflößend.
Hier werden erneut die sieben Geister Gottes vor dem Thron erwähnt, identifiziert als brennende Flamme ("Feuer") in sieben Leuchtern ("Fackeln"), möglicherweise symbolisieren diese die Boten der zuvor erwähnten sieben Gemeinden.
Weiterhin erfahren wir, dass vor dem Thron in Gottes Palast "ein gläsernes Meer" aus Kristallglas zu sehen war. Offensichtlich ist hier kein "Meer" im heutigen Sinne eines Ozeans gemeint, vielmehr bezeichnet "Meer" hier einen großen Wasserbehälter. Dies erinnert an "das bronzene Meer" in Salomos Tempel, in dem Wasser für die rituellen Waschungen bereitgestellt wurde. Dieses Meer hier war besonders eindrucksvoll, weil aus klarem Kristallglas.
Offenbarung 4,6b-11
und in der Mitte am Thron und um den Thron vier Wesen, voller Augen vorn und hinten.
7 Und das erste Wesen war gleich einem Löwen, und das zweite Wesen war gleich einem Stier, und das dritte Wesen hatte ein Antlitz wie ein Mensch, und das vierte Wesen war gleich einem fliegenden Adler.
8 Und ein jedes der vier Wesen hatte sechs Flügel, und sie waren rundum und innen voller Augen, und sie hatten keine Ruhe Tag und Nacht und sprachen: Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr, der Allmächtige, der da war und der da ist und der da kommt.
9 Und wenn die Wesen Preis und Ehre und Dank geben dem, der auf dem Thron sitzt, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit,
10 fallen die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem, der auf dem Thron sitzt, und beten den an, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, und legen ihre Kronen nieder vor dem Thron und sprechen:
11 Herr, unser Gott, du bist würdig, zu nehmen Preis und Ehre und Kraft; denn du hast alle Dinge geschaffen, und durch deinen Willen waren sie und wurden sie geschaffen.
Als nächstes geht der Blick auf "vier Wesen", die "in der Mitte am Thron und um den Thron herum" platziert waren, wie es aus dieser Beschreibung scheint, war der Thron wohl halbkreisförmig und die vier Wesen befanden sich im Innern des Throns rundum. Die vier Wesen erinnern stark an eine Vision des Propheten Hesekiel und die dort benutzte Bildersprache (vgl. Hesekiel 1,5-28). Hesekiel beschreibt vier Wesen, die anzusehen waren wie Menschen, sie waren symbolisch für Weisheit, Edelmut, Stärke und Schnelligkeit. Hesekiels Wesen hatten jeweils vier Angesichter, die vier Wesen hier jeweils unterschiedliche Antlitze. Die Angesichter sind aber im Wesentlichen gleich, so dass auch die Symbolik in Offenbarung die gleiche ist wie bei Hesekiel. Die Wesen hier hatten "Flügel" und waren "voller Augen", was wohl symbolisierte, dass Gott allgegenwärtig ist und er allwissend ist und vor ihm nichts verborgen ist.
Diese Wesen sind unermüdlich darin, Gott zu loben und zu preisen und ihn zu verehren und anzubeten. Die gesamte Szene vor Gottes Thron vermittelt das Bild fortwährender Anbetung Gottes durch seine gesamte Schöpfung. Auch die 24 Ältesten beten Gott an und legen ihre Kronen nieder vor Gott und in Demut loben und preisen sie Gott, den Schöpfer aller Dinge.
In diesem ersten Abschnitt der Vision im Himmel vor Gottes Thron wird ein gewaltiger Eindruck des Geschehens und insbesondere der Anbetung Gottes vermittelt, die offensichtlich vor allem anderen Vorrang hat. Nach und nach werden sich dann Einzelheiten bzgl. des von Gott beschlossenen Gericht über das abtrünnige Israel und Jerusalem entfalten, die ebenfalls aus Sicht von Ereignissen im Himmel geschildert werden.