von
Wolfgang Schneider
Die meisten Christen heute sind sich sehr wohl bewußt, dass die frühe Gemeinde der Gläubigen im 1.Jhdt n.Chr. an eine damals "nahe" bevorstehende Rückkehr Christi glaubten und darauf hofften, dass Jesus noch zu ihren Lebzeiten kommen würde. Diese brennende Hoffnung der Christen damals wird dann als Beispiel für uns heute gegeben, dass auch wir solch eine Hoffnung auf eine "nahe" Rückkehr Christi haben sollten.
Die gleichen Lehrer, die uns auf diese Hoffnung der frühen Christen damals auf eine "nahe" Rückkehr hinweisen, machen allerdings in gewisser Weise einen Rückzieher, wenn sie dann quasi im nächsten Atemzug darauf hinweisen, dass Jesus aber damals nicht gekommen sei, sondern seine Rückkehr noch immer in der Zukunft liegt, was sie dann als Argument dafür benutzen zu behaupten, wir heute könnten diese gleiche Hoffnung auf eine "nahe" Rückkehr Christi haben. Sie bemerken entweder nicht oder aber ignorieren bewußt, dass eine solche Lehre ein Dilemma produziert, da letztlich der Begriff "nahe" seine Bedeutung verliert bzw. mittlerweile fast 2000 Jahre als eine Zeitspanne definiert werden, die als "nahe" gelten soll.
Einige Schriftstellen im Neuen Testament geben unmissverständlich Aufschluss darüber, welche Zeitspanne als "nahe" gelten kann. Im Zusammenhang mit dem Beginn des öffentlichen Wirkens von Johannes dem Täufer und auch von Jesus Christus erfahren wir, dass beide die Ankunft des Reiches Gottes als "nahe" bevorstehend verkündeten.
Matthäus 3,1-2
Zu der Zeit kam Johannes der Täufer und predigte in der Wüste von Judäa
und sprach: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Matthäus 4,17
Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Wir sehen hier, dass Johannes und Jesus übereinstimmend predigten, dass das Reich Gottes, die Herrschaft Gottes, damals "nahe herbeigekommen" war! Kam das Reich Gottes nun damals wirklich? Gibt es in den NT Schriften weitere Informationen, die uns darüber berichten, ob diese Ankündigung von Johannes und Jesus tatsächlich eintrat?
Kolosser 1,12
Mit Freuden sagt Dank dem Vater, der euch tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht.
Er hat uns errettet von der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes
Offenbarung 1,9
Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse in der Bedrängnis und dem Königtum und dem Ausharren in Jesus , war auf der Insel, die Patmos genannt wird, um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen.
Sowohl Paulus als auch Johannes erwähnen, dass sie sich bereits als "versetzt in das Reich" und als "Mitgenosse in ... dem Königtum" betrachteten, dass sie also offensichtlich glaubten und lehrten, dass die Herrschaft Gottes, das Himmelreich, zur Zeit der Niederschrift dieser Schriften einige Jahrzehnte nach dem öffentlichen Wirken von Johannes dem Täufer undJesus Christus bereits gekommen war. Die an Christus Gläubigen waren bereits damals Glieder der Gemeinde Gottes und Teilhaber am Reich Gottes.
War das Reich Gottes "nahe herbeigekommen", als Johannes der Täufer und Jesus dies verkündeten? Ganz sicher, denn nur wenige Jahrzehnte später, war es gekommen und die Gläubigen an Christus Jesus waren Mitgenossen am Reich Gottes !
Im Hinblick auf das Reich Gottes stimmen übrigens durchaus viele Christen zu, dass das Reich Gottes zur Zeit Jesu bereits "nahe herbeigekommen" und dann Realität wurde im Neuen Bund, als Jesus sein Erlöserwerk vollendet hatte durch seinen Tod, seine Auferstehung, seine Aufnahme in den Himmel und die Ausgießung heiligen Geistes zu Pfingsten und schließlich das Gericht über das abtrünnige Jerusalem. Ihnen ist die Bedeutung des Ausdrucks "nahe" und "nahe herbeigekommen" also klar.
Wenn wir dann aber zu Stellen in den NT Schriften kommen, in denen der gleiche Ausdruck "ist nahe" im Hinblick auf das Kommen / die Rückkehr Christi benutzt wird, bedeutet plötzlich "ist nahe" etwas anderes.
Philipper 4,5
Eure Güte laßt kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe!
Jakobus 5,8
Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe.
Offenbarung 1,3
Selig ist, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe.
Offenbarung 22,10
Und er spricht zu mir: Versiegle nicht die Worte der Weissagung in diesem Buch; denn die Zeit ist nahe!
Diese Stellen und das "ist nahe" werden gelesen, und dann wird weiter gelehrt, das Kommen des Herrn und die damit verbundenen Ereignisse, welche im Buch der Offenbarung geschildert werden, seien auch heute noch zukünftige Ereignisse! Mittlerweile sind fast 2000 Jahre vergangen! Eine Zeitspanne von zwei Jahrtausenden kann doch nicht als "ist nahe" bezeichnet werden (vgl. auch die Studie Sind 2000 Jahre "bald"? ) !
Ist man schon der Meinung, dass das als "ist nahe" bezeichnete Kommen des Herrn auch nach fast 2000 Jahren noch nicht geschehen ist, dann müsste man wenigstens konsequent sein und dann auch lehren, dass die Herrschaft Gottes ebenfalls noch nicht Realität geworden, sondern auch noch zukünftig ist. Das aber würde dann mit sich bringen, dass Paulus und Johannes mit ihren Äußerungen, damals bereits Mitgenossen am Reich Gottes gewesen zu sein bzw. in das Reich Gottes versetzt worden zu sein, falsch lagen und sie als unzuverlässig zu betrachten sind.
Ich halte es für nicht nur angebracht sondern korrekt, das biblische Zeugnis bzgl. "ist nahe" und "bald" zu beachten und anzuerkennen, dass sowohl das Reich Gottes wie auch das Kommen Christi wahrhaftig "nahe" war und bereits kurze Zeit nach den gemachten Aussagen Realität wurden.