von
Wolfgang Schneider
Im Zusammenhang mit der Auslegung von Schriftstellen mit Weissagungen eines "baldigen" Kommens Christi wird von vielen Theologen angenommen und behauptet, dass der Hinweis auf "bald / schnell / in Kürze" nicht unbedingt ein Indiz oder ein Beweis dafür sei, dass sich das vorausgesagte Ereignis bereits "bald" ereignet haben müsse, sondern eine Erfüllung durchaus auch erst lange Zeit nach der Voraussage eintreten könne und somit auch heute, fast 2000 Jahre nach Jesu Worten, noch immer zukünftig sein könne. Derartige Annahmen sind jedoch in sich selbst schon merkwürdig, denn wenn dem so wäre, hätte es eigentlich keines Hinweises auf "bald / in Kürze" etc. in der Weissagung bedurft und ein derartiger leicht und allgemein verständlicher Hinweis auf die ungefähre Zeit der Erfüllung wäre völlig überflüssig bzw. hätte keine rechte Bedeutung.
Wenn man verschiedene Weissagungen von Propheten in der Bibel mit Voraussagen zukünftiger Ereignisse in der Bibel untersucht und miteinander vergleicht, und wenn man dann deren Erfüllung in die Überlegungen einbezieht, kann man leicht erkennen, dass gerade ein Hinweis auf eine "baldige" Erfüllung nur dann in einer Weissagung enthalten ist, wenn die Erfüllung auch tatsächlich "bald" nach der Voraussage eintrat. Wenn eine Weissagung keine derartige zeitliche Angabe auf eine "baldige" Erfüllung enthielt, handelte es sich um die Voraussage eines Ereignisses, welches sich erst in ferner oder unbestimmter Zukunft ereignen würde. Auch gibt es des öfteren Hinweise auf bestimmte Zeichen oder Ereignisse, die im Zusammenhang mit der Erfüllung einer prophetischen Voraussage erwähnt werden, die dann auf die Erfüllung dieser Weissagung hindeuten.
Einige Beispiele aus dem Alten Testament zeigen dies leicht verständlich auf:
1. Mose 3,15
Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.
Dieser Hinweis deutet hin auf Jesus von Nazareth, den Nachkommen des Weibes, und diese Weissagung enthält keinerlei Hinweis auf eine "baldige" Erfüllung, denn die Erfüllung dieser Worte lag in ferner Zukunft.
1. Mose 8,21
Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.
In diesem Eid Gottes bzgl. der Zukunft der Welt ist ebenfalls keinerlei Hinweis auf "bald" oder "nahe", denn was Gott hier ankündigte, bezog sich auf die gesamte Zukunft der Welt nach der Flut.
5. Mose 28
In 5. Mose 28 lesen wir eine Weissagung durch Mose, die von der Zerstörung des theokratischen Israel und Jerusalems im Jahre 70 AD durch Rom handelt (vgl. Vers 49), ein Ereignis, das noch ca. 1500 Jahre entfernt in der Zukunft lag. Es finden sich hier keinerlei Hinweise bzgl. "nahe" oder "in Kürze", denn das vorausgesagte Ereignis war eben nicht "nahe".
Daniel 2,44
Aber zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Reich wird auf kein anderes Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören; aber es selbst wird ewig bleiben,
"Zur Zeit dieser Könige" legt die Erfüllung dieser Weissagung in eine bestimmte Zeit, diese war aber zur Zeit Daniels nicht nahe oder bald! Es gibt keinerlei Hinweis auf "bald" oder "in Kürze", denn die Errichtung dieser Herrschaft Gottes lag noch immer ca 500 Jahre in der Zukunft.
Auch in Daniel 7 wird dieses kommende Reich Gottes erwähnt, aber auch dort gibt es keinen Hinweis auf ein "bald" oder "nahe".
Daniel 12,6-7
Und er sprach zu dem Mann in leinenen Kleidern, der über den Wassern des Stroms stand: Wann sollen denn diese großen Wunder geschehen?
Und ich hörte den Mann in leinenen Kleidern, der über den Wassern des Stroms stand. Er hob seine rechte und linke Hand auf gen Himmel und schwor bei dem, der ewiglich lebt, daß es eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit währen soll; und wenn die Zerstreuung des heiligen Volks ein Ende hat, soll dies alles geschehen.
Daniel möchte genauere zeitliche Informationen wissen über die Erfüllung der Dinge, die ihm gezeigt wurden. In der ihm erteilten Antwort findet sich ebenfalls kein Hinweis auf ein "bald" oder "in Kürze", warum? Weil die Erfüllung dieser Ereignisse, die Daniel in seinen Visionen gezeigt wurden, eben nicht "nahe" war, sondern noch immer ca. 500-600 Jahre in der Zukunft lag. Allerdings wird in der Antwort im Zusammenhang mit der Erfüllung dieser Dinge ein Ereignis erwähnt, welches eine Art Indikator sein würde, nämlich "die Zerstreuung des heiligen Volkes". Mit der Zerstreuung des Volkes Israel würden die erwähnten zukünftigen Ereignisse geschehen und die Weissagung erfüllt werden.
Auch die in Sacharja 14,1ff erwähnten Ereignisse beziehen sich direkt auf das Gericht über und die endgültige Zerstörung Jerusalems und des theokratischen Staates Israel im Jahre 70 AD, und auch hier findet sich daher kein Hinweis auf ein "bald" oder "nahe", denn die vorausgesagten Ereignisse lagen noch einige hundert Jahre in der Zukunft.
Wir erkennen in diesen Beispielen, dass bei einer Weissagung von noch in ferner oder unbestimmter Zukunft liegenden Ereignissen, die Weissagung keinerlei Hinweise auf ein "bald", "in Kürze" oder "nahe" enthält, eben gerade deshalb, weil die Erfüllung nicht "bald" sein wird!
Andererseits gibt es im Alten Testament auch Weissagungen von Ereignissen, in denen Hinweise auf eine baldige Erfüllung enthalten sind:
In dem Abschnitt in Jesaja 13,1ff spricht der Prophet von der bevorstehenden Zerstörung Babylons und des babylonischen Reiches, und da heißt es in V.6 des HERRN Tag (der Tag des Gerichts des HERRN über Babylon) "ist nahe". Das Ereignis war zum Zeitpunkt der Weissagung nicht mehr in ferner Zukunft, sondern ereignete sich "bald".
Manche Ausleger benutzen genau diesen Abschnitt, um damit quasi das Gegenteil von dem Gesagten zu "beweisen" ... sie definieren "des HERRN Tag" als das nach ihrem Verständnis noch immer zukünftige "Gericht am Ende der Welt" und behaupten dann, dass man hier sehen könne, dass "ist nahe" eben auch eine mehrere tausend Jahre umfassende und noch immer unbestimmt andauernde Zeitspanne bedeuten könne. Dabei ignorieren sie allerdings den Kontext der Weissagung und wovon diese - und damit auch der hier erwähnte "Tag des HERRN" - tatsächlich handelt.
Hesekiel spricht in Hesekiel 7,1ff von "das Ende kommt", "es geht schon an" und "bricht herein über dich", warum? Weil dieses Gericht eben zu der Zeit bereits nahe war bzw. die Erfüllung sogar schon "in Gang war".
Jeremia 48,16
Denn der Untergang Moabs wird bald kommen, und sein Unglück eilt herbei.
Es geht um das Land Moab ... dessen Untergang würde "bald" kommen, und kam auch bald danach.
Wir können bereits aus den im Alten Testament erwähnten Weissagungen erkennen, dass Gott sehr wohl nur dann einem Propheten auftrug, von einem "bald" oder "in Kürze" oder "nahe" oder "es geht schon an" zu sprechen, wenn die Ereignisse sich auch tatsächlich bald zutragen würden bzw. eventuell bereits in Gang waren. Wenn ein Ereignis noch in ferner oder unbestimmter Zukunft lag, so gibt es in der Weissagung keine Hinweise auf ein "bald" oder "in Kürze".
Bemerkenswert ist, dass auch ein Zeitraum von einigen hundert Jahren (vgl.etwa bei Daniel) von Gott bereits nicht mehr als "bald" eingestuft wurde. Daher kann eine Behauptung, die vor ca. 2000 Jahren in Weissagungen als "bald" eintretenden Ereignisse seien noch immer zukünftig, absolut nicht korrekt sein. 2000 Jahre sind sicherlich nicht "bald".