von
Wolfgang Schneider
Vielen dürfte dieser Ausspruch aus dem Buch der Offenbarung bekannt sein. Er findet sich im letzten Kapitel des Buchs und dort wird gleich mehrfach darauf hingewiesen, dass der Herr Jesus "bald" kommen würde bzw. dass die Dinge, die in diesem Buch offenbart wurden, "bald" geschehen mussten.
Offenbarung 22,7.20
7 Siehe, ich komme bald. Selig ist, der die Worte der Weissagung in diesem Buch bewahrt.
...
20 Es spricht, der dies bezeugt: Ja, ich komme bald. - Amen, ja, komm, Herr Jesus!
Wenn man nichts weiter wüsste und diese Aussagen liest und dann erfährt, dass diese Worte vor fast 2000 Jahren gesprochen und aufgezeichnet wurden, würde man sicherlich zustimmen, dass derjenige, der diese Worte damals sprach, ganz sicher dann auch "bald" danach kam. Die Aussagen sind einfach, sind leicht verständlich, enthalten keine qualifizierenden Bedingungen und auch keine symbolische Bedeutung von benutzten Wörtern. Falls der Sprecher zuverlässig ist und die Wahrheit gesagt hat, dann muss er auch bald danach gekommen sein. Sollte er nicht gekommen sein, dann gibt es ein recht großes Problem.
Ist er nicht "bald" danach erschienen, dann gibt es mehre Möglichkeiten: Der Sprecher hat gelogen...wobei es für den Leser irrelevant ist, aus welchen Gründen dies geschah. War es Unwissenheit und der Sprecher wusste gar nicht, wann er kommen würde? Dann hätte er nicht von "bald" sprechen dürfen. War es Absicht, um bei den Lesern eine bestimmte Reaktion hervorzurufen? Dann handelte es sich schlicht um eine üble Täuschung. War es "bald" anhand einer anderen "Zeitrechnung"? Dann hätte er darauf hinweisen müssen, welches Zeitmaß er bei seinem "bald" benutzte, um Missverständnisse zu vermeiden und sich den Lesern verständlich zu machen. War dies zum Zeitpunkt, als er diese Aussagen machte wahr, aber unmittelbar danach geschah etwas, was eine Änderung des Zeitplans mit sich brachte? Dann müsste es entweder danach Hinweise darauf geben, oder aber aus anderen Quellen ersichtlich sein, welches Ereignis bzw. was die hier gemachte Ankündigung eines baldigen Kommens vereitelte.
Der Sprecher, der diese Aussagen machte, war kein geringerer als der Messias Jesus. Wir können somit davon ausgehen, dass er kein Lügner ist und somit die Möglichkeiten einer falschen Behauptung aus eigener Unwissenheit oder eine absichtliche Täuschung als Erklärung dieses Dilemmas nicht in Frage kommen. Sollte Jesus bei seiner zeitlichen Angabe "bald" ein anderes Zeitmaß benutzt haben als das, was die Leser normalerweise benutzten? Dies ist sehr unwahrscheinlich, da Jesus sehr wohl immer mit seinen Mitmenschen auf eine Art und Weise kommunizierte, die deren Sprache und deren normales Verständnis von Begriffen benutzte, da sie ja nur dann ihn auch korrekt verstehen und seine Botschaft annehmen konnten. Somit scheidet auch die Möglichkeit mit der Nutzung eines anderen Zeitmaßes für "bald" als Erklärung für das Problem aus. Bleibt die Möglichkeit, dass irgend etwas geschah, was den "bald" Zeitpunkt aus der gemachten Aussage vereitelte und sich somit das Kommen Jesu nicht "bald" ereignete. Was aber soll das gewesen sein? In der Bibel gibt es offensichtlich nach diesen Abschnitten aus Offb 22 keine Hinweise auf ein derartiges Ereignis, und auch in anderen Quellen findet sich nichts, was darauf hinweisen könnte, dass das "baldige" Kommen Jesu sozusagen "abgesagt und auf unbestimmte Zeit verschoben" wurde.
Es wird klar, dass all diese Erklärungsversuche für ein Ausbleiben oder eine Verschiebung des Kommens Jesu nicht mit dem biblischen Text und dem biblischen Anspruch auf Wahrheit zu vereinbaren sind. Somit bleibt lediglich die Möglichkeit, dass die im biblischen Text festgehaltenen Aussagen Jesu, dass er "bald" kommen würde, in der Tat wahr sind und sein Kommen in der Tat "bald" nach diesen Aussagen stattfand. Nicht Jesus hat sich geirrt oder hat die Empfänger dieses Buches getäuscht, sondern die Ausleger, welche versuchen, das "baldige" Kommen Jesu auf eine spätere und nach fast 2000 Jahren noch immer zukünftige Zeit zu verschieben, liegen mit ihrer Lehre falsch.
Im Buch der Offenbarung wird nicht nur berichtet, dass Jesus verkündet, er würde "bald" kommen; es wird auch ganz betont dargelegt, dass die in dem Buch prophezeiten Ereignisse "bald" erfüllt und eintreten würden.
Im unmittelbaren Kontext der oben erwähnten Aussagen lesen wir u.a. folgende weiteren Ausführungen:
Offenbarung 22,6.10
6 Und er sprach zu mir: Diese Worte sind gewiß und wahrhaftig; und der Herr, der Gott des Geistes der Propheten, hat seinen Engel gesandt, zu zeigen seinen Knechten, was bald geschehen muß.
10 Und er spricht zu mir: Versiegle nicht die Worte der Weissagung in diesem Buch; denn die Zeit ist nahe!
Zunächst wird zugesichert, dass die in diesem Buch offenbarten und aufgezeichneten Worte "gewiß und wahrhaftig" sind, und dass die darin geschilderte Katastrophe "bald geschehen muß".
Weiterhin wurde Johannes geboten, die Worte der Weissagung nicht zu versiegeln, weil die Zeit der Erfüllung der voraus gesagten Ereignisse nahe ist! Der Prophet Daniel sah seinerzeit ebenfalls Dinge in Visionen bzgl. der gleichen Ereignisse, die er aber versiegeln sollte, weil die Zeit damals noch nicht nahe war. Daniel sah diese Dinge ca. fünfhundert Jahre zuvor, und diese Zeitspanne war "lang" genug, die Weissagung zu versiegeln. Wie soll dann eine Zeitspanne von bereits fast 2000 Jahren (zwischen der Zeit, als Johannes seine Vision sah und heute) als "nahe" gelten können, wie uns Ausleger weis machen wollen, die behaupten, was Johannes gesehen habe liege noch immer in der Zukunft?
Nicht nur am Ende des Buchs der Offenbarung wird auf die unmittelbar bevorstehende Erfüllung der geweissagten Worte hingewiesen, auch zu Beginn des Buchs lesen wir sofort davon.
Offenbarung 1,1-3
Dies ist die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, was in Kürze geschehen soll; und er hat sie durch seinen Engel gesandt und seinem Knecht Johannes kundgetan,
2 der bezeugt hat das Wort Gottes und das Zeugnis von Jesus Christus, alles, was er gesehen hat.
3 Selig ist, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe.
Johannes wurde gezeigt, "was in Kürze geschehen soll"! Und dabei geht es nicht nur um einige Dinge, die ihm gezeigt wurden, sondern um "alles, was er gesehen hat". Es geht um alle Worte der Weissagung, die darin geschrieben sind, und bereits hier wird betont wiederholt, dass diese Ereignisse bald geschehen sollten, indem Johannes feststellt, dass die Zeit für die Erfüllung der Weissagung "nahe" ist.
Diese Weissagung im Buch der Offenbarung handelt von den Ereignissen am Ende jenes Zeitalters, der Epoche der theokratischen Nation Israel, dessen Ende übrigens bereits von Mose in 5Mo 28 vorausgesagt worden war. In apokalyptischer Sprache wird uns die riesige Katastrophe vom Ende Israels als eines nationalen Volkes und der Zerstörung der Stadt Jerusalem und des Tempels geschildert. Diese Ereignisse sind in der Tat "bald" eingetreten, nur wenige Jahre, nachdem Johannes dies geweissagt hatte.
Ein Problem, das sich für viele Leser hiermit ergibt, betrifft die Annahme, dass Johannes aber doch erst im Jahre 96 AD, als ca. 25 Jahre nach der Zerstörung Jerusalems und des Tempels die Offenbarung geschrieben habe. Wenn dem so wäre, wie kann dann die Weissagung im Buch der Offenbarung von der Zerstörung Jerusalems und des Tempels als "nahe" sprechen? Dieses Problem löst sich, wenn man beachtet, dass es sich lediglich um eine noch immer weit verbreitete Annahme bzw. Vermutung handelt, Johannes habe die Offenbarung erst im Jahre 96 AD geschrieben, dass aber mittlerweile immer mehr Theologen und Bibelforscher von einem wesentlich früheren Datum der Abfassung der Offenbarung ausgehen (vgl. hierzu den Artikel Wann wurde die Offenbarung geschrieben? )