Einführung

Bei meiner Beschäftigung mit dem Thema des Kommens Christi und der vielen damit verbundenen Schriftstellen im Neuen Testament, die auf eine baldige, kurz bevorstehende Erfüllung des Kommens Christi hinweisen, ergab sich sehr schnell die Frage, was es eigentlich mit "Himmel und Erde" auf sich hat. An mehreren Stellen in der Schrift wird im Zusammenhang mit dem Kommen Christi erwähnt, dass Himmel und Erde vergehen werden und Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen wird. Wenn nun die Wiederkunft Christi, das Kommen des Menschensohns in Herrlichkeit, bereits "bald" nach der Niederschrift der NT Schriften und entsprechend Jesu Prophezeiung noch zu Zeiten "dieser Generation" (der Generation seiner Zeitgenossen) geschehen sein soll, dann müssen auch Himmel und Erde vergangen sein und der verheißene neue Himmel und die neue Erde bereits existieren.

Dieser Gedanke war zunächst absolut beunruhigend, denn das, was ein Blick auf die Welt heute und was sich da alles zuträgt aufzeigt, wollte nicht mit meinen Vorstellungen eines neuen Himmels und einer neuen Erde in paradiesischem Zustand passen. Wenn das, was wir heute als Himmel und Erde sehen, die neuen Himmel und Erde sein sollten, die ich als Erfüllung der biblischen Prophezeiung erwartete, dann konnte sich schon gewaltige Enttäuschung einstellen. Auf den ersten Blick schien es unmöglich, dass die heutige Welt, die heutigen Himmel und Erde, tatsächlich das sein sollten, wovon ich in 2Pe 3 und Off 21 - 22 oder Jes 66 las. Andererseits schienen die vielen Stellen bzgl. der aus Sicht der frühen Gemeinde nahe bevorstehenden Wiederkunft Christi klar und eindeutig. Worin lag nun das Problem für diesen augenscheinlichen Widerspruch?

Nach Erwägung der verschiedenen Möglichkeiten, ergab sich dann bald, dass mein Problem darin bestand, dass ich aufgrund zuvor angenommener Lehren eine ganz bestimmte Vorstellung davon hatte, was mit "neuem Himmel und neuer Erde" gemeint sei, nämlich eine Art "Paradies auf Erden". Ich meinte, diese Ausdrücke würden sich auf den physischen Kosmos beziehen und dass der jetzige Himmel und Erde (Kosmos) irgendwie mit Feuer zerstört und untergehen würde, und dass Gott dann irgendwie die zerstörten Himmel (Firmament und Sterne, usw.) und Erde neu und in vollkommenem Zustand und ohne jegliches Böse usw. schaffen würde. Es gab keinen Widerspruch zwischen den betroffenen Schriftstellen, der Widerspruch bestand zwischen meinem Verständnis der Schrift zu neuem Himmel und neuer Erde und dem, was ich um mich herum sah. Eine intensivere Lektüre von Schriftstellen im AT, wo ähnliche Begriffe benutzt werden, brachte nach und nach Licht in die Sache. Es wurde klar, dass im Kontext des Kommens Christi und des Gerichts nicht im buchstäblichen Sinne von dem dann nachfolgenden neuen Himmel und neuer Erde gesprochen wurde, sondern dass hier "apokalyptische" Sprache verwendet wurde und sich Begriffe wie "Himmel und Erde" nicht unbedingt im wörtlichen bzw. buchstäblichen Sinne auf den physischen Kosmos (Weltall und den Planeten Erde) beziehen.

Das Gesetz und "Himmel und Erde vergehen"

Eine wichtige Stelle zum rechten Verständnis des Ausdrucks "Himmel und Erde", sowie zum Zeitpunkt, wann "Himmel und Erde" vergehen werden und ein "neuer Himmel und neue Erde" geschaffen werden, findet sich in der sogenannten Bergpredigt. Jesus Christus erwähnt das Vergehen von Himmel und Erde.

Matthäus 5,17-18
Ihr sollt nicht meinen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen.
Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht.

Jesus setzt das Vergehen von "Himmel und Erde" mit dem Vergehen vom "Gesetz" in Verbindung. Das Gesetz (und damit ist eindeutig das AT Gesetz, das Mosaische Gesetz des Alten Bundes, gemeint) wird vergehen, indem alles darin erfüllt worden bzw. geschehen ist. Jesus betont, dass er nicht kam, um das Alte Testament "aufzulösen", sondern um es zu erfüllen, was dann sein wird, wenn alle Weissagungen im Gesetz und den Propheten erfüllt worden sind. Bzgl. des Zeitpunkts dieser Erfüllung erwähnt Jesus außerdem, dass würde erst sein, NACHDEM Himmel und Erde vergangen sein werden! Auf ein sehr betontes "wahrlich, ich sage euch" folgen dann Jesu Worte: "BIS Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe ... vom Gesetz ..." Mit anderen Worten, das AT Gesetz wird erst dann erfüllt werden, wenn "Himmel und Erde" vergangen sein werden.

Sind Himmel und Erde bereits vergangen? Nun, falls - wie von fast allen christlichen Bekenntnissen gelehrt wird - der Alte Bund und das Gesetz bereits erfüllt sind und wir nun nicht mehr unter dem AT Gesetz stehen, dann müssen auch die erwähnten "Himmel und Erde" bereits vergangen sein. Oder wurde der Neue Bund nicht durch Jesu Erfüllung des Gesetzes eingesetzt? Kaum ein Christ wird behaupten wollen, wir leben heute noch immer unter dem Gesetz des Alten Bundes, und doch wird von den gleichen Lehrern gelehrt, Himmel und Erde seien noch nicht vergangen ... Allerdings weisen sie natürlich nicht darauf hin, dass ihre Lehren einen Widerspruch zu Jesu eigenen Worten produzieren, ob ihnen das nun selbst bewußt ist oder sie dies selbst noch gar nicht bemerkt haben. Wenn wir Jesu Worte sorgfältig lesen und dabei beachten, was er tatsächlich sagte, dann sollte sofort klar werden, dass die heute gängigen Vorstellungen eines zwar erfüllten AT Gesetzes aber eines noch immer bestehenden Himmels und Erde den Worten Jesu widersprechen, und somit offensichtlich einer Korrektur bedürfen. Es steht außer Zweifel, dass Jesu Worte wahr sind, unsere gängigen Vorstellungen aber offensichtlich einer Korrektur bedürfen.

Nun werden sicher einige einwerfen: "Aber es ist doch unbestritten, daß Himmel und Erde doch noch immer die gleichen sind wie auch zu Jesu Zeiten!" Ja, die physischen Himmel und Erde (das Weltall und der Planet Erde, usw.) sind nicht vergangen und sind die gleichen wie auch schon vor 2000 Jahren zu Jesu Zeiten und all die Jahrtausende davor. Die wichtige Frage ist nun: Was bedeutet das für unsere weiteren Überlegungen, um die biblischen Aussagen korrekt zu verstehen? Viele Möglichkeiten bleiben nicht. Jesu Worte sind eindeutig: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nichts vom Gesetz vergehen. Wenn wir daher "Himmel und Erde" buchstäblich verstehen als Weltall und Planet Erde, dann ergibt sich, dass das AT Gesetz noch nicht vergangen sein kann, da der physische Himmel und Erde noch nicht vergangen sind. Wenn wir "Gesetz" in Jesu Worten nicht als Bezug auf das AT Gesetz verstehen, sondern - wie einige meinen - auf "das Gesetz Christi", ergibt sich ein anderes Problem, weil Jesus ja unter dem AT Gesetz gelebt hat und ein "Gesetz Christi" zur Zeit der Bergpredigt ja noch gar nicht existierte. Wenn sich jedoch "Himmel und Erde" als figurativer Ausdruck auf etwas anderes als die physischen Himmel und Erde beziehen, dann ist es möglich, dass diese "Himmel und Erde" vergehen konnten, bevor das AT Gesetz verging.

Wie steht es um die Erfüllung des Gesetzes? Jesus erwähnt an anderer Stelle ebenfalls, wann alles, was im Gesetz geschrieben steht, erfüllt sein wird. In seiner sogenannten "Endzeitrede" erwähnt er die Verwüstung Jerusalems und kommt in dem Zusammenhang dann auch auf die Erfüllung des AT Gesetzes zu sprechen.

Lukas 21,20-22
Wenn ihr aber sehen werdet, daß Jerusalem von einem Heer belagert wird, dann erkennt, daß seine Verwüstung nahe herbeigekommen ist.
Alsdann, wer in Judäa ist, der fliehe ins Gebirge, und wer in der Stadt ist, gehe hinaus, und wer auf dem Lande ist, komme nicht herein.
Denn das sind die Tage der Vergeltung, daß erfüllt werde alles, was geschrieben ist.

"Alles, was geschrieben ist" wird erfüllt in den "Tagen der Vergeltung", nämlich zur Zeit der Verwüstung Jerusalems. Ein Teil des "alles, was geschrieben ist", war das AT Gesetz. Einige Verse weiter lesen wir dann noch:

Lukas 21,32-33
Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht [diese Generation] wird nicht vergehen, bis es alles geschieht.
Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.

Wiederum verbindet Jesus das Vergehen von Himmel und Erde, die Erfüllung aller Weissagungen in der Schrift, usw. mit der Verwüstung Jerusalems und seinem Kommen. Die verschiedenen Schriftstellen mit endzeitlichem Kontext (wie z.B. Dan 9, Mat 24, Lk 21 und Off) stimmen in dieser Hinsicht alle miteinander überein.

Wir erkennen, dass das AT Gesetz erst nach dem "Vergehen von Himmel und Erde" in allem erfüllt sein würde. Falls "Himmel und Erde" noch nicht vergangen sind, ist auch der Alte Bund weiterhin gültig und der Neue Bund noch nicht gekommen. Es ist erforderlich, den Begriff "Himmel und Erde" korrekt zu verstehen, um zu erkennen, wie "Himmel und Erde" bereits vergangen sein können und ein neuer Himmel und Erde bereits bestehen.

"Himmel und Erde" im AT

Wenn man Stellen wie die oben erwähnten Verse aus den Evangelien und weiterhin Abschnitte wie die in 2. Petrus 3 liest, dann könnte man meinen, diese handelten von dem Ende des jetzt existierenden physischen Himmels und der Erde (á la Weltuntergang, Zerstörung des Planeten Erde). Solch ein wörtliches Verständnis eines physischen Himmels und der Erde ist auch sicher das, was man heute oft hört. Allerdings ist ein solches Verständnis aber auch die Ursache für das oben angesprochene Problem. Wenn wir die Bibel lesen, müssen wir die verwendeten Begriffe in ihrem biblischen Sprachgebrauch verstehen, nicht in unserem heutigen, und wir müssen figurative Sprache als solche und nicht als buchstäblich gemeinte Aussagen verstehen.

Der Begriffe "Himmel" und "Erde", zusammen oder einzeln, finden sich bereits im AT in Zusammenhängen, die offensichtlich nicht von dem physischen Himmel und der physischen Erde handeln. In 3Mo 26 z.B. lesen wir eine Warnung Gottes an die Israeliten, und im Hinblick auf möglichen Ungehorsam verwendet der Bericht folgenden Wortlaut: "daß ich euren Stolz und eure Halsstarrigkeit breche, und will euren Himmel wie Eisen und eure Erde wie Erz machen." (3Mo 26,19). "Euren Himmel" und "eure Erde" sind offensichtlich figurative Ausdrücke, die sich nicht auf das physische Weltall bzw. das Universum beziehen. In Jes 1,2 lesen wir: "Höret, ihr Himmel, und Erde, nimm zu Ohren, denn der HERR redet! Ich habe Kinder großgezogen und hochgebracht, und sie sind von mir abgefallen!" Gott spricht durch den Propheten Jesaja zu Israel, und auch hier wird nicht der physische Himmel und die physische Erde angesprochen. Ähnliches wird gesagt in 5Mo 4,26: "so rufe ich heute Himmel und Erde zu Zeugen über euch, daß ihr bald weggerafft werdet aus dem Lande, ..." Ist die physische Schöpfung als Zeuge berufen, oder redet Gott von sich in Beziehung zum Bundesvolk Israel?

In Jes 51 verwendet Gottes Wort ebenfalls "Himmel" und "Erde" in einem figurativen Sinne.

Jesaja 51,16 (Schlachter)
Ich habe meine Worte in deinen Mund gelegt und dich mit dem Schatten meiner Hand bedeckt, um den Himmel auszuspannen und die Erde zu gründen und zu Zion zu sagen: Du bist mein Volk!

Redet Gott davon, die physischen Himmel und Erde erneut zu erschaffen? Offensichtlich nicht, denn sie bestanden ja und waren auch nicht zerstört. Gott spricht durch den Propheten zu Israel, und es geht um Israels "Himmel und Erde" (d.h. um Israels "Welt"). Mittels Seines Wortes (des AT Gesetzes) spannte Gott für Israel Himmel aus und gründete die (ihre) Erde, was nichts mit der wörtlichen Schöpfung von Himmel und Erde in 1Mo 1 zu tun hat, denn diese Himmel und Erde existierten ja bereits vor der Zeit, da Gott Israel Sein Wort und den Alten Bund gab.

"Himmel und Erde" sind in diesen Zusammenhängen eine Bezeichnung für eine bestimmte Ordnung, nicht für das Weltall und den Planeten Erde. In Jes 13 verkündet der Prophet ein Gericht über Babylon, und Teil der Ankündigung ist: "Darum will ich den Himmel bewegen, und die Erde soll beben und von ihrer Stätte weichen durch den Grimm des HERRN Zebaoth, am Tage seines Zorns." Mit anderen Worten, die bestehende Ordnung Babylons würde völlig verworfen werden. Für die Babylonier ging ihre Welt unter! Dieser Tag des Zornes Gottes über Babylon ist ein historisches Ereignis, er trat ein, als die Meder Babylon eroberten (vgl. Jes 13,17) und damit die babylonische Welt ihr Ende fand. Der physische Himmel und die physische Erde dagegen waren genauso in Takt wie zuvor auch. Ähnlich finden sich auch in einer Weissagung über den Untergang Edoms solche apokalyptischen Ausdrücke. In Nahum 1 geht es um das Gericht über Ninive, nicht aber um den Untergang des Universums und Weltalls und des Planeten Erde.

Als der Prophet Jesaja die Eroberung Judas durch Nebukadnezar voraussagt, benutzt er ebenfalls solch apokalyptische Sprache und bezieht sich auf Israel mit "Erde" und "Land". In Jes 24 lesen wir z.B.: "Siehe, der HERR macht die Erde leer und wüst ... Die Erde wird leer und beraubt sein; ... Das Land verdorrt und verwelkt, der Erdkreis verschmachtet und verwelkt ... Es wird die Erde mit Krachen zerbrechen, zerbersten und zerfallen. Die Erde wird taumeln wie ein Trunkener und wird hin und her geworfen wie eine schwankende Hütte; denn ihre Missetat drückt sie, dass sie fallen muß und nicht wieder aufstehen kann." ( V. 1.3.4.19-20) Dies hat nichts mit der Zerstörung des Planeten Erde zu tun, sondern mit der Verwüstung Israels und Judas.

Der Prophet Daniel sah in einer Vision Einzelheiten bzgl. des Untergangs Israels als Nation und Jerusalems, wie uns Dan 9,24-27 und Dan 12,11 berichten. Das Ende von Daniels Vision ist die Zerstörung Jerusalems am Ende der 70 prophetischen Wochen, und wenn wir Dan 9,27 mit Jesu Worten in Mt 24,15ff und Lk 21,20-23 vergleichen, erkennen wir, dass es hier um die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. geht.

Wir können aus verschiedenen Stellen im AT erkennen, dass Ausdrücke wie "Himmel und Erde" und deren Untergang sich nicht auf das physische Weltall und den Planeten Erde beziehen, sondern dass es sich dabei um figurative Sprache, um apokalyptische Ausdrucksweisen handelt, mit denen Gottes Gericht über Nationen und Völker beschrieben wird. Deren "Himmel und Erde", ihre Welt, fand jeweils ihr Ende.

"Himmel und Erde" im NT

Auch in den NT Schriften finden sich solche apokalyptischen Ausdrucksweisen, in denen von "Himmel und Erde" die Rede ist, und bei denen es keineswegs um einen Weltuntergang im physischen Sinne, sondern um den Untergang einer Weltordnung geht.

Hebräer 12,26-28
Seine Stimme hat zu jener Zeit die Erde erschüttert, jetzt aber verheißt er und spricht: »Noch einmal will ich erschüttern nicht allein die Erde, sondern auch den Himmel.«
Dieses »Noch einmal« aber zeigt an, daß das, was erschüttert werden kann, weil es geschaffen ist, verwandelt werden soll, damit allein das bleibe, was nicht erschüttert werden kann.
Darum, weil wir ein unerschütterliches Reich empfangen, laßt uns dankbar sein und so Gott dienen mit Scheu und Furcht, wie es ihm gefällt

Die Stelle nimmt Bezug auf das Geschehen am Berg Sinai, als Gott Israel das AT Gesetz gab, und erwähnt, dass diese Erde und Himmel erschüttert und beseitigt würden und etwas Neues kommen sollte, was nicht erschüttert werden kann, ein unerschütterliches Reich, welches die Gläubigen empfangen sollten. Das vergängliche und erschütterliche (jene "Himmel und Erde") würde durch ein bleibendes und unerschütterliches Reich abgelöst werden.

Jesus sagte in seinen sogenannten Endzeitreden den Untergang und die Verwüstung Jerusalems und des Tempels voraus. Das war gleichbedeutend mit dem Untergang "der jüdischen Welt". Damit ging die gesamte AT Ordnung Israels (Israels "Himmel und Erde") zu Ende, der Mittelpunkt des jüdischen Lebens, der Tempel, sollte verwüstet werden. Jesu Voraussagen erfüllten sich noch in jener Generation, und das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung, welche Johannes empfing und niederschrieb, berichtet über den Untergang der großen Stadt, "der Hure Babylon". Die Identität dieser Stadt "Babylon" wird in Off 11,8 angegeben mit "der großen Stadt, die heißt geistlich: Sodom und Ägypten, wo auch ihr Herr gekreuzigt wurde." Jesus wurde nicht in Rom gekreuzigt, noch in der buchstäblichen Stadt Babylon, sondern in Jerusalem. Johannes sah den Untergang der großen Stadt Babylon, geistlich Sodom und Ägypten, voraus ... nämlich den Untergang Jerusalems: der Stadt, "wo ihr Herr gekreuzigt wurde." Und Johannes beschreibt diese apokalyptischen Ereignisse ebenfalls mit Ausdrucksweisen und dem Bild der vergehenden "Himmel und Erde" sowie nachfolgendem "neuen Himmel und neue Erde".

In 2Pe 3 lesen wir ebenfalls über das Kommen des Herrn und darüber, dass "der Himmel, der jetzt ist, und die Erde" für das Gericht aufgespart und darin vernichtet werden und es "einen neuen Himmel und eine neue Erde" geben wird. Ist hier von einer Zerstörung des physischen Universums die Rede? Oder ist hier die Rede vom Ende einer Weltordnung und einer neuen Weltordnung? Benutzt der Petrusbrief Redewendungen, die wörtlich zu verstehen sind, oder liegt hier figurative, apokalyptische Sprache vor, wie wir sie im AT auch schon gesehen haben, wenn der Bericht von einem Gericht Gottes handelte? Der Bericht in 2Pe 3 erwähnt Bezüge zu AT Weissagungen und AT Ereignissen und macht deutlich, dass die Dinge, die hier behandelt werden, bereits in den Schriften der AT Propheten zu finden sind. Weiterhin handelt der Bericht in 2Pe 3 von Dingen, die "in den letzten Tagen" geschehen werden (vgl. V. 3-4), und wir sollten uns erinnern, dass "die letzten Tage" bereits mit Pfingsten einsetzten, wie Petrus in seiner Predigt damals erwähnte (vgl. Apg 2,14-20), und dann mit dem Tag des HERRN, dem angekündigten Gericht, abschlossen. Die "letzten Tage" haben Bezug zum Alten Bund und dem Haus Israel (vgl. Heb 1,1-2).

In jenen letzten Tagen gab es Spötter, die das Kommen des Herrn in Frage stellten und mit ihren spöttischen Fragen die Gläubigen vom Glauben an das verheißene Kommen Christi abbringen wollten. Falls das Kommen Christi zu einem gänzlich unbekannten Zeitpunkt in einer unbestimmten fernen Zukunft sein würde, warum würde sich dann damals jemand unter den Gläubigen über die Spottfrage: "Wo bleibt denn das Kommen des Herrn?" aufgeregt haben? Andererseits, falls das Kommen Christi wie von Jesus vorausgesagt und von den Aposteln gelehrt noch in jener Generation ereignen sollte, barg die zweifelnde Frage der Spötter eine sehr reale Gefahr für den Glauben der betroffenen Christen in sich, denn 2Pe 3 wurde ca. 30-35 Jahre nach Jesu Auferstehung und Himmelfahrt geschrieben und "diese Generation", die von Jesus und den Aposteln als Zeitrahmen für sein Kommen und das Kommen des Gerichts über Israel und Jerusalem gesprochen hatten, neigte sich nun sehr schnell ihrem Ende entgegen, und noch immer war nichts geschehen! Alle - auch die Spötter - verstanden offensichtlich, dass sich das kommende Gericht noch während ihrer Generation, d.h. noch im 1. Jhdt n.Chr., zutragen sollte.

Petrus nimmt nun in diesem Kontext Bezug auf die Geschehnisse zu Noahs Zeiten und dem damaligen Gericht Gottes. Manche Ausleger benutzen diese Anmerkungen, um zu sagen, die physische Welt würde beim Kommen des Herrn zerstört werden, weil ja zu Noahs Zeit die Erde durch Wasser zerstört wurde. Vorsicht - wir müssen hierbei beachten, dass zu Noahs Zeit die Erde selbst gar nicht zerstört wurde, sondern die bösen Menschen auf der Erde gerichtet wurden und ihr Ende fanden. Die physischen Himmel und Erde waren vor der Flut die gleichen wie nach der Flut, die buchstäblichen Himmel und Erde verschwanden nicht und wurden nicht durch ein neugeschaffenes Universum und einen neuen Planeten Erde ersetzt. Die "damalige Welt [kosmos - Ordnung, Weltordnung]", die damalige boshafte Gesellschaft wurde zerstört. Ja, bei der Zerstörung der boshaften Menschen durch die Wassermassen der Flut gab es auch Auswirkungen auf Gegebenheiten der physischen Erde; interessanterweise aber verhieß Gott direkt nach der Flut, dass Er ein solches Gericht mit derartigen Auswirkungen auf die Erde nie mehr wieder ausüben würde (vgl. 1Mo 8,21). Außerdem gibt es eine Reihe von Aussagen in der Schrift bzgl. des Planeten Erde, wo Gott sagt, dass die Erde nicht vergehen wird (vgl. Psa 78,69; 104,5; 148,4-6; Pre 1,4). Einige weitere Informationen hierzu finden sich in meiner Studie Das Ende der Welt?.

In 2Pe 3 legt Petrus dar, dass Gott Seine Verheißungen einhält und dass das, was Er angekündigt hat, auch zustande kommt. Der Herr wird kommen am Ende des Zeitalters, um das Gericht über Israel und Jerusalem zu vollstrecken, und "der Himmel, der jetzt ist, und die Erde" (das zu richtende Volk Israel mit seiner gesamten AT Ordnung) wird in diesem Gericht untergehen. Wir müssen beachten, dass hier - wie in den AT Berichten über ähnliche Gerichte Gottes - apokalyptische Sprache benutzt wird und die Beschreibungen nicht buchstäblich zu verstehen sind, sondern als Redefiguren. Wir lesen von "die Elemente werden vor Hitze schmelzen", und viele Leser denken sofort an Naturwissenschaften, als würden sich alle Atome im Universum in Feuer verflüssigen ... Das aber ist jedoch überhaupt nicht, was das hier mit "Elemente" übersetzte griechische Wort stoicheia bedeutet. In Gal 4,3.9 und auch in Kol 2,8.20 kommt dieses Wort vor und wird dort mit "Mächte" übersetzt, und es ist klar, dass dort nicht von chemischen Elementen der Materie die Rede ist. Es geht vielmehr um die auf Gebote und Lehren von Menschen gegründeten Dinge, um die religiösen "Anfangsgründe" (vgl. Heb 5,12) und grundlegende Prinzipien.

Die Aussagen in 2Pe 3 handeln davon, dass das AT System Israels aufgelöst wird und dass ein neues System ("ein neuer Himmel und eine neue Erde" - vgl. Jes 65 - 66) die Ordnung des Alten Bundes ersetzen wird. Wie in Jes 65 bereits vorausgesagt, würde Israel das Maß ihrer Sünde voll machen und Gott würde sie strafen und zerstören (vgl. Jes 65,8-15; 66,3-6.15-18) und dann ein neues Volk mit einem neuen Namen, samt eines neuen Himmel und Erde und eines neuen Jerusalems schaffen (vgl. Jes 65,15-19). In diesem neuen Himmel und Erde würde es auch weiterhin Leute geben, die physisch sterben (vgl. Jes 65,20; 66,24), das physische Leben auf Erden geht weiter und Menschen werden Nachkommen haben (vgl. Jes 65,21-23; 66,22), Gott wird Gebete erhören (Jes 65,24) und es wird auch noch Sünde unter den Menschen geben (Jes 65,20; Off 22,15). Was auch immer "neue Himmel und Erde" bedeuten, es handelt sich hierbei keineswegs um den Zustand ewigen Lebens in der Gegenwart Gottes, sondern um eine Epoche innerhalb der Geschichte der Menschheit auf Erden. Der Bezug von "Himmel und Erde" ist zu Gottes Bund mit Seinem Volk; die "vorigen Himmel und Erde" hingen zusammen mit dem Alten Bund und Israel, die "neuen Himmel und Erde" mit dem Neuen Bund und der Gemeinde aus Juden und Heiden, wo nun der Herr Jesus Christus im geistlichen Reich Gottes in Herrlichkeit herrscht. Weiterhin ist es unbedingt notwendig zu beachten, dass das Reich Gottes bzw. Himmelreich kein politisches, physisches Reich auf Erden ist, sondern ein Reich "nicht von dieser Welt", wie Jesus selbst verkündete. Das Reich Gottes ist das Reich, welches auf das vierte Reich aus Nebukadnezars Traum und Daniels Visionen folgen sollte; es würde ein Reich sein, das "ohne Zutun von Menschenhänden" zustande kommt und offensichtlich geistlicher Natur ist (Dan 2,34,44-45; vgl. auch Kol 1,13; 2,10), und ein Reich bzw. eine Herrschaft ohne Ende ist.

In Off 21 und 22 spricht Johannes von dem neuen Himmel und Erde und dem neuen Jerusalem. Traditionelle christliche Theologie legt all dies in die Zukunft, und bezeichnet das neue Jerusalem als die Braut Christi am Ende des sogenannten Millenniums, wenn alle Dinge zu Ende gekommen sind und für uns dann die Ewigkeit begonnen hat. Alle haben dann das ewige Leben erlangt und Sünde, Tod, Totenreich und der Teufel sind vernichtet und in den Feuersee geworfen worden. Alles Böse ist vergangen, Gott hat die Gemeinde von all ihren Krankheiten geheilt, sie ist endlich von Sünde befreit und jetzt kann endlich eine nur noch glorreiche Beschreibung ihre wunderbare Schönheit und Perfektion darlegen. Außerdem lebt die vollkommene Gemeinde dann auf einer vollkommenen Erde als einem physischen Paradies ... Das klingt alles sicherlich vielversprechend und ist äußerst ansprechend. Aber, ist es wahr? Ist das, was die Schrift in Off 21-22 tatsächlich lehrt?

Die Aussagen in Off 22,1-2 werfen sogleich ein Problem mit einer solchen Vorstellung auf, denn dort ist in dem neuen Himmel und neuer Erde von "der Heilung der Völker" die Rede; nur, warum benötigen Völker Heilung, wenn doch alle bereits in die Ewigkeit eingegangen sind und alles auf der Erde paradiesisch und vollkommen ist? Warum ist Heilung notwendig, wenn Sünde, Krankheit, Tod usw. bereits im Feuersee vernichtet wurden? Wir lesen weiterhin über das neue Jerusalem, dass ihre Tore offen stehen und dass Menschen von außen in sie hineinkommen. Wie kann das sein, wenn außerhalb der Stadt doch alles vorher vernichtet und verbrannt ist? Auch weiterhin leben Leute außerhalb des neuen Jerusalem, und es gibt dort auch weiterhin Böses. Wie kann das sein, angesichts der traditionellen Lehren von zukünftiger Herrlichkeit in Ewigkeit usw.?

Wenn man die "Himmel und Erde" korrekt versteht, werden die Aussagen in Off 22 schnell klar. Die "neuen Himmel und Erde" beziehen sich auf die Epoche des neuen Bundes, des Reiches Gottes, das geistlicher Natur ist und das kein Ende kennt. Der neue Bund ist wahrhaftig ein ewiger Bund (vgl Heb 13,20) und umfasst eine nicht endende Zeitepoche (vgl Jes 45,17; Eph 3,21). Die neutestamentliche Gemeinde ist nun das Licht, wie das natürliche Israel es eigentlich zuvor für die Heiden hätte sein sollen. Allen steht nun das Tor zum Eingang in den neuen Bund offen, und die Gemeinde - "das Israel Gottes" - ist berufen, der Welt das lebendige Wasser des Evangeliums anzubieten und einzuladen, davon zu trinken (vgl. Off 22,17).

Zusammenfassung

In 2Pe 3 lesen wir von drei "Himmel und Erde" Epochen, und der Wechsel von einer Epoche zur anderen wird umschrieben mit einem Wechsel von "Himmel und Erde". Die alten Himmel und Erde vergehen, neue Himmel und Erde treten an ihre Stelle. Der Wechsel von "Himmel und Erde" handelt nicht von einem Wechsel des physischen Universums (Weltall und Planet Erde), sondern von einer Veränderung in Gottes Handeln mit den Menschen.

Die Schriften des AT handeln von Gottes Erlöserplan und Gottes Umgang mit Seinem Bundesvolk Israel, und "alles, was geschrieben steht" sollte laut Jesus erfüllt werden während der "Tage der Vergeltung", welche er mit der Zeit der Verwüstung Jerusalems gleichsetzte (vgl. Lk 21,20-22).

Es findet sich eine interessante Parallele von ca. 40 Jahren zwischen (a) dem Bundesschluss des alten Bundes am Sinai und Israels Einzug ins verheißene physische Land, und (b)dem Beginn der Gemeinde des neuen Bundes und der Vollendung der Erlösung mit dem Einzug ins verheißene "himmlische [geistliche] Land". Wir sehen darin die Verbindung zwischen voraus geworfenem Schatten und Realität. Zur Zeit des alten Bundes ging es um natürliche, sichtbare, zeitliche Typen, die hinwiesen auf die eigentlichen geistlichen, unsichtbaren und ewigen Realitäten (vgl 2Ko 4,18).

 

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