Markus 1,10-13
10 Und alsbald, als er aus dem Wasser stieg, sah er, daß sich der Himmel auftat und der Geist wie eine Taube herabkam auf ihn.
11 Und da geschah eine Stimme vom Himmel: Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.
12 Und alsbald trieb ihn der Geist in die Wüste;
13 und er war in der Wüste vierzig Tage und wurde versucht von dem Satan und war bei den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm.

Johannes 1,29; 2,1
29 Am nächsten Tag sieht Johannes, daß Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!
...
1 Und am dritten Tage war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da.

Augenscheinliche Widersprüche in der Bibel sind eigentlich immer auf zwei Hauptursachen zurückzuführen: Ein fehlerhaftes Verständnis dessen, was geschrieben steht, oder aber eine fehlerhafte Übersetzung aus den Urtexten in unsere heutigen modernen Sprachen. Auch in dem vorliegenden Falle mit scheinbar widersprüchlichen Angaben darüber, was Jesus direkt nach seiner Taufe durch Johannes im Jordan unternahm, liegt die Lösung darin, genau zu lesen, was bereits in den Evangelienberichten geschrieben steht und die dort gemachten Angaben richtig zu verstehen.

Markus 1,10-11 berichtet eindeutig von der Taufe Jesu im Jordan und erwähnt zwei weitere Einzelheiten, die während dieses Ereignisses stattfanden. Zum einen lesen wir, dass der Geist in Gestalt einer Taube auf Jesus herabkam, außerdem erfahren wir etwas über die Stimme vom Himmel, in der Gott zu Jesus sprach: "Du bist mein lieber Sohn". Dann folgt ein wichtiges Detail in Vers 12: "Und alsbald trieb ihn der Geist in die Wüste". "ALSBALD" ist das Stichwort in dieser Aussage, denn uns wird mitgeteilt, dass sich dies unmittelbar im Anschluss an die Taufe Jesus und die Stimme mit der Botschaft an Jesus ereignete. "Alsbald" bedeutet "sogleich, sofort" -; Jesus ging sofort nach diesem Ereignis auf Anleitung Gottes mittels des Geistes in die Wüste Judäas, wo er dann anschließend versucht wurde. Vers 13 berichtet, dass die Versuchungen 40 Tage lang andauerten.

Die Stelle in Johannes 1 muss sorgfältig gelesen werden, denn einige kleine Einzelheiten sind von großer Bedeutung für das rechte Verständnis dieses Abschnitts. Vers 29 berichtet, dass Jesus "am nächsten Tag" (d.h. am Tag nach den zuvor gerade erwähnten Ereignissen, als einige der Juden zu Johannes gekommen waren) zu Johannes kam. Nun erwähnt Johannes gegenüber den Juden, die sich bei ihm versammelt hatten, dass es dieser Jesus war, von dem er zuvor zu ihnen geredet hatte. In Vers 32 folgen die entscheidenden Worte des Johannes, um diese Stelle korrekt einzuordnen und den scheinbaren Widerspruch zu lösen, denn hier heißt es von Johannes: "Ich sah, daß der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm". Johannes redet in der Vergangenheitsform: "Ich SAH", als er davon berichtete, was sich bei der Taufe Jesus zugetragen hatte. Dieser Tag, als Johannes dies zu den Juden redete, was demnach nicht der Tag, an dem sich das zugetragen hatte, sondern jener Tag war bereits vergangen, dies hatte sich bereits zugetragen. Wenn man dann die nächsten Verse in Johannes 1 weiter liest, erkennt man, dass noch einige Tage vergingen und Jesus dann zusammen mit einigen neuen Jüngern, die zuvor Jünger des Johannes gewesen waren, von dort aufbrach und anschließend eine Hochzeit in Kanaa in Galiläa besuchte.

Wenn man diese zwei Berichte nun zusammen sieht, ergibt sich folgendes Bild:

Bei der Taufe Jesu durch Johannes im Jordan kam der Geist wie eine Taube vom Himmel auf Jesus herab, und eine Stimme geschah vom Himmel zu Jesus, in der Gott ihm bekundete, dass er sein Sohn war, an dem er Wohlgefallen hatte. Direkt anschließend ging Jesus, von dem Geist geleitet, in die Wüste Judäas und blieb dort insgesamt 40 Tage, in denen er vom Teufel versucht wurde. Johannes taufte weiterhin am Jordan und viele von den Juden kamen zu ihm hinaus, um sich taufen zu lassen; und Johannes redete zu ihnen über Jesus, dessen Wegbereiter er sozusagen war. Dann kam Jesus nach den 40 Tagen aus der Wüste wieder zurück zu Johannes, am Tage nach der berichteten Unterredung des Johannes mit den Juden, und Johannes erinnert die Juden daran, dass es dieser Jesus war, von dem er zuvor zu ihnen geredet hatte. Dabei erwähnt er auch, dass Gott ihm bezeugt hatte, dass er Jesus daran erkennen würde, dass der Geist auf ihn wie eine Taube herabkommen würde, und dass sich genau das bereits zugetragen hatte. Jesus blieb noch einige weitere Tage in der Gegend, wo Johannes taufte, und er gewann seine ersten Jünger aus dem Kreise der Jünger des Johannes. Diese waren es dann, die ihn anschließend von der Stelle am Jordan in Judäa aus nach Galiläa begleiteten, wo er dann mit ihnen zu einer Hochzeit nach Kanaa ging.

Der scheinbare Widerspruch löst sich, wenn wir beachten, dass die zwei Berichte von Ereignissen zu unterschiedlichen Zeitpunkten handeln, und die in Johannes 1 berichteten Ereignisse sich erst nach der in Markus erwähnten Zeit von 40 Tagen der Versuchung in der Wüste ereigneten.

 

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