1. Samuel 28,6
6 Und er befragte den HERRN; aber der HERR antwortete ihm nicht, weder durch Träume noch durch das Los »Licht« noch durch Propheten.

1. Chronik 10,13.14
13 So starb Saul um seines Treubruchs willen, mit dem er sich an dem HERRN versündigt hatte, weil er das Wort des HERRN nicht hielt, auch weil er die Wahrsagerin befragt,
14 den HERRN aber nicht befragt hatte. Darum ließ er ihn sterben und wandte das Königtum David, dem Sohn Isais, zu.

Diese Verse scheinen sich in der Tat zu widersprechen, so wie sie in der Luther 1984 (wie auch in vielen anderen Übersetzungen) stehen. Die Stellen sind in sich klar, deutlich und verständlich, so dass das Problem von einer anderen Sache verursacht wird. Scheinbare Widersprüche in der Bibel sind eigentlich immer auf zwei Ursachen zurückzuführen: (1) Mangelndes bzw. falsches Verständnis von Aussagen der Schrift, oder (2) eine fehlerhafte bzw. ungenaue Textüberlieferung oder ein Problem mit der Übersetzung.

Hier liegt ein Problem bei der Übersetzung vor, das dadurch verursacht wird, dass für zwei unterschiedliche hebräische Wörter in der deutschen Übersetzung das gleiche Wort benutzt wurde. Nun mag das deutsche Wort "befragen" durchaus für die beiden hebräischen Wörter sha'al [sha'el] bzw. darash an sich richtig und in vielen Belangen genügend sein. In diesem Falle aber liegt der Schlüssel zum Lösen des augenscheinlichen Widerspruchs jedoch gerade darin, die Verwendung dieser zwei hebräischen Wörter genau zu beachten. Von der Bedeutung her ist darash das intensivere Wort, es zeigt ein intensiveres Suchen, Ersuchen, Nachforschen, Befragen und genaues Erkunden an, als dies bei dem Wort sha'al der Fall ist, das eher nur ein Befragen, Nachfragen und allgemeines Erkunden bezeichnet.

In 1. Samuel 28,6 heißt es nun, dass Saul den HERRN befragte [sha'al]; seine Hinwendung an den HERRN war ein einfaches Befragen, Nachfragen, ohne dass er sich intensiv bemüht hätte. Bemerkenswert ist dabei, was dann in 1. Samuel 28 im nächsten Vers noch über Saul gesagt wird:

1. Samuel 28,7
Da sprach Saul zu seinen Getreuen: Sucht mir ein Weib, das Tote beschwören kann, daß ich zu ihr gehe und sie befrage [darash]. Seine Männer sprachen zu ihm: Siehe, in En-Dor ist ein Weib, das kann Tote beschwören.

An den HERRN wandte sich Saul nur in Form von sha'al, von der Totenbeschwörerin aber wollte er Rat einholen in Form von darash!

In 1. Chronik 10 heißt es dann: "So starb Saul um seines Treubruchs willen ... auch weil er die Wahrsagerin befragt [darash], den HERRN aber nicht befragt [darash] hatte." Diese Verse handeln nicht von einem Befragen in Form von sha'al, sondern handeln von einem ernsten Ersuchen, Nachforschen in Form von darash. Das eben hatte Saul jedoch nicht beim HERRN getan, sondern er hatte sich lediglich "oberflächlich" an den HERRN gewandt, seine ernsthaften Bemühungen um Rat aber waren nicht an den HERRN gerichtet, sondern an die Totenbeschwörerin von En-Dor. Solcherlei Trachten des Herzens und solches Handeln waren im Mosaischen Gesetz verboten (vgl. etwa 3. Mose 19,313Mo 19,31
Ihr sollt euch nicht wenden zu den Geisterbeschwörern und Zeichendeutern und sollt sie nicht befragen, daß ihr nicht an ihnen unrein werdet; ich bin der HERR, euer Gott.
und 5. Mose 18,10-115Mo 18,10-11
10 daß nicht jemand unter dir gefunden werde, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen läßt oder Wahrsagerei, Hellseherei, geheime Künste oder Zauberei treibt 11 oder Bannungen oder Geisterbeschwörungen oder Zeichendeuterei vornimmt oder die Toten befragt.
).

Somit erklärt sich auch dieser scheinbare Widerspruch in bemerkenswerter Weise, und wir erkennen, wie großartig und von welch großer Bedeutung die Genauigkeit der Aussagen der Bibel auch in kleinen Einzelheiten ist. Gottes Wort ist absolut genau, bis in kleinste Details hinein erweist sich die Offenbarung Gottes als unfehlbar und frei von Widersprüchen.

 

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