Lukas 23,43
Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.

Johannes 20,17
Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.

Apostelgeschichte 2,24.31
24 Den hat Gott auferweckt und hat aufgelöst die Schmerzen des Todes, wie es denn unmöglich war, daß er vom Tode festgehalten werden konnte,
31 hat er's vorausgesehen und von der Auferstehung des Christus gesagt: Er ist nicht dem Tod überlassen, und sein Leib hat die Verwesung nicht gesehen.

Der scheinbare Widerspruch zwischen diesen Schriftstellen wird verursacht durch (1) ein falsches Verständnis des Begriffs "Paradies" und (2) eine falsche Zeichensetzung und Übersetzung von Lukas 23,43. Für viele bedeutet "Paradies" das gleiche wie "Himmel", daher kommt wohl auch die Einbeziehung von Johannes 20,17 in vorliegender Problemstellung. "Paradies" bedeutet jedoch in der Bibel nicht unbedingt das gleiche wie "Himmel"; wobei auch noch zu beachten ist, dass "Himmel" in unterschiedlichen Zusammenhängen verschiedene Bedeutungen hat. "Paradies" beschreibt zunächst im wörtlichen Sinne den Garten Eden, das ursprüngliche Paradies, wo einst Adam und Eva lebten und von wo sie nach dem Sündenfall des Menschen ausgewiesen wurden (vgl. 1Mo 1 - 3). Es war ein Ort auf Erden, nicht ein Ort im Himmel. In der Bibel ist dann von "Paradies" erst wieder die Rede, wenn von dem "Paradies" gesprochen wird, nachdem Gott eine neue Ordnung, einen neuen Himmel und eine neue Erde, gemacht hat (vgl. Off 22). Dazwischen gibt es kein "Paradies", und von daher konnte auch niemand in der Zeit bis zu jenem Zeitpunkt der Schaffung des neuen Paradieses ins Paradies kommen.

Vor diesem eindeutigen biblischen Hintergrund ist es nun auch möglich, das Problem mit der Aussage in Lukas 23,43 zu lösen. An jenem Tag der Kreuzigung gab es kein "Paradies", wohin Jesus oder der gläubige Übeltäter hätten kommen können. Wohin kam Jesus an jenem Tage? Wie Apostelgeschichte 2,24.31 darlegen, starb Jesus an jenem Tage und verblieb anschließend im Grab, im Totenreich, war vom Tode festgehalten. Auch der Übeltäter starb an jenem Tage und war somit im Totenreich, dem Tode überlassen. Hatte Jesus etwa eine falsche Zusage gegeben? War er etwa der Meinung, er würde an jenem Tage im Paradies sein, obwohl er an anderer Stelle davon sprach, "drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde (im Grabe)" zu sein (vgl. Matthäus 12,40Mt 12,40
Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein.
)? Ausgeschlossen!

Das Problem hat seine Ursache an anderer Stelle. Übersetzer und Ausleger haben aufgrund der weit verbreiteten Lehre, dass Gläubige sogar ohne Auferstehung sofort nach ihrem Ableben "in den Himmel kommen", und weil sie "Himmel" und "Paradies" gleichsetzen, die Aussage Jesu so übersetzt, dass sie ihrer vorgefassten Meinung entspricht. Umgekehrt ist es dann so, dass diese Übersetzung wiederum als Beweis für diese Lehre genommen wird.

Der erste Schritt zur Lösung des Problems ist, dass man berücksichtigt, dass in den alten Handschriften der Bibel jegliche Zeichensetzung fehlt und Zeichensetzung daher nicht Teil des ursprünglich eingegebenen Wortes Gottes ist. Wenn man den griechischen Text von Lukas 23,43 betrachtet, so heißt es dort wörtlich (ohne Zeichensetzung):

und er sagte zu ihm wahrlich dir sage ich heute mit mir wirst du sein im Paradies

Das Problem ist gelöst, wenn man den Vers im Lichte der zuvor erwähnten Wahrheiten korrekt wiedergibt mit folgender Zeichensetzung:

Und er sagte zu ihm: Wahrlich, ich sage dir heute: Du wirst mit mir im Paradies sein!

Der Ausdruck "ich sage dir heute" ist zudem eine typisch semitische Redeweise, um eine besondere Betonung auf das zu legen, was dann folgt. Dieser Ausdruck findet sich verschiedentlich bereits im AT an bedeutsamen Stellen.

Es ist auch zu beachten, dass der Übeltäter selbst bei seiner Bitte an Jesus ebenfalls nicht an ein Paradies an jenem Tage dachte, denn er redete ja nicht von etwas, was er an jenem Tage erwartete, sondern was sein würde, "wenn du in dein Reich kommst". Jesus setzte diese an jenem Tage noch zukünftige Realität in seiner Antwort gleich mit "Paradies". An jenem Tage, an dem Jesus und der Übeltäter starben, kam Jesus nicht in sein Reich und es gab kein Paradies. Was aber von Jesus betont wird, ist dies: An eben dem Tage gab Jesus dem gläubigen Übeltäter die Verheißung ("wahrlich, ich sage dir heute: ..."), der Übeltäter würde in der Zukunft mit ihm im Paradies sein!

 

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