Dem Übel nicht widerstreben — ?

Der Titel dieser Studie ist für viele Menschen sicher eine außergewöhnliche Aussage, vielleicht sogar eine revolutionierende, für manche womöglich eine zunächst völlig unverständliche. Einige könnten meinen, ein solches Konzept fürs Leben sei geradezu irrsinnig bzw. „selbstmörderisch", denn immerhin (so werden diese als Argument anführen) leben wir nicht in einer allgemein als heil zu bezeichnenden Welt! Heutzutage kann man kaum noch etwas Gutes sehen; wir sind geradezu umgeben von Bösem in vielerlei Gestalt. In solch einer Situation soll man dann dem Übel nicht widerstreben? Wer kam wohl auf eine solche Idee? Womöglich versucht jemand, uns mit diesem Vorschlag gänzlich in einem Netz von Übel und Bösem einzufangen? Worum geht es bei dieser Sache?

Matthäus 5,38 und 39:
Ihr habt gehört, daß gesagt ist: »Auge um Auge, Zahn um Zahn.«
Ich aber sage euch, daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.

Das Konzept „dem Übel nicht widerstreben" stammt nicht aus irgendeinem philosophischen oder psychologischen Lehrbuch, sondern aus der Bibel und wurde von keinem geringeren gepredigt als von Jesus Christus, dem eingeborenen Sohn Gottes. Es handelt sich dabei also nicht um eine Falle des Bösen, sondern um ein wichtiges und wirksames Prinzip, um dem Bösen und Übel in der Welt richtig zu begegnen.

Leben durch Christus

Jesus Christus kam, damit Menschen durch Glauben an ihn ewiges Leben erlangen und ein Leben in voller Genüge haben können. Er vollbrachte sein Erlösungswerk, zu dem er gesandt war, damit diejenigen, die ihn als Herrn bekennen, nun ein siegreiches Leben haben können.

Wir als Christen können jetzt ein frommes, gottesfürchtiges Leben führen und in allen Belangen unseres Lebens mit Gottes Kraft wandeln. Dazu sind wir von Gott mit der Kraft des heiligen Geistes ausgerüstet worden und dazu steht uns auch das Wort Gottes mit der in ihm offenbarten Wahrheit als Quelle der Verheißungen und als Schwert des Geistes zur Verfügung. Das Wort Gottes zeigt uns die Schlüssel auf, um in diesem neuen Leben zu wandeln. Das Wort Gottes lehrt uns Wahrheit und gibt uns Licht für unseren täglichen Weg.

Jesus Christus selbst lebte ein siegreiches Leben in jeder Beziehung, er lebte gemäß der Wahrheit des Wortes Gottes in absoluter Vollendung und erfüllte des Vaters Willen in allen Belangen. In ihm wurde Gottes Wille offenbar und für andere erkennbar, und er lehrte und lebte, was Gottes Wahrheit entsprach.

Leben in der Liebe

Gott ist die Liebe. Jesus Christus lebte diese Liebe in allem, was er tat. Er liebte, wie es kein anderer vor ihm getan hatte bzw. hätte tun können. Er war als Gottes eingeborener Sohn nicht unter der Macht der Sünde, sondern hatte ungebrochene Gemeinschaft mit seinem himmlischen Vater. Er wandelte dann auch in allem ein heiliges Leben, hielt sich frei von Sünde und widerstand allen Versuchungen des Widersachers. Er lebte den Weg der Liebe, d.h. er tat, was Gottes Geboten entsprach.1 Er lebte und er lehrte den Weg Gottes, die Wahrheiten von Gottes Wort, und zeigte seinen Jüngern auf, wie sie in seinen Fußtapfen wandeln können. Auch wir als Christen heute haben das Privileg, diesen Weg der Liebe zu leben und Jesu Anweisungen in unserem Leben in die Tat umzusetzen.

Jesu Aufforderung, dem Übel nicht zu widerstreben, mag selbst für uns Christen auf den ersten Blick noch verwirrend sein oder uns unlogisch erscheinen, vielleicht sogar widersprüchlich zu einigen anderen Aussagen in Gottes Wort. „Dem Übel nicht widerstreben" ist eine Anweisung zu einem Leben in der Liebe — einem Leben, das dem Übel und dem Bösen in der Welt weit überlegen ist.

Wir werden im weiteren Verlauf der Studie erkennen, wie einfach, wie logisch, wie mächtig und wie wirksam diese Wahrheit ist. Wenn wir sie beherzigen, wird unser Leben auf drastische und dynamische Weise eine Veränderung zum Guten erfahren.

Jesu Aufforderung

Diese Unterweisung Jesu war Teil der sogenannten „Bergpredigt", der ersten großen Unterweisung, die er bald nach Beginn seines öffentlichen Auftretens seinen Jüngern gab, um sie für einen erfolgreichen Lebenswandel auszurüsten.

Matthäus 5,38–45:
Ihr habt gehört, daß gesagt ist: »Auge um Auge, Zahn um Zahn.«
Ich aber sage euch, daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.
Und wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem laß auch den Mantel.
Und wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei.
Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem, der etwas von dir borgen will.Ihr habt gehört, daß gesagt ist: »Du sollst deinen Nächsten lieben« und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen,
damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er läßt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte.

Um ein besseres Verständnis dieser Aussage zu erlangen, ist es wichtig, daß wir die im Text benutzten Wörter richtig verstehen. Das Wort für „widerstreben" ist im griechischen Text das Wort anthistemi, es bedeutet „sich entgegenstellen, entgegentreten, sich widersetzen, widerstreben, die Spitze bieten, kämpfen, Widerstand leisten". Das Wort für „Übel" ist im griechischen Text das Wort poneros, es bedeutet, wenn wie hier mit Artikel gebraucht, „der/das Böse, der/das Arge, das Übel, der Bösewicht, Übeltäter, Missetäter".2

Jesus spricht also von einem aktiven Widerstreben, einem sich Entgegenstellen, einem sich Widersetzen gegen das Böse, gegen das Übel bzw. einen Missetäter, der einem Übles will. Es geht um Übel, das ein anderer einem zufügen möchte. Übel und Böses kann sowohl passiv als aktiv sein, entweder in einem selbst oder aber andere angreifend, um ihnen zu schaden. Von letzterer Art von Übel ist hier die Rede, wo andere uns angreifen, um uns Übel zuzufügen mit der Absicht, uns zu schaden und die Reinheit unseres Herzens zu zerstören.

Wirkungsweise des Übels

Das Böse und Übel wirkt auf wirklich teuflische Weise. Auf den ersten Blick scheint Übel darauf zu zielen, uns zu „stoßen" und zu „drücken", tatsächlich aber dient es dazu, genau das Gegenteil zu erreichen. Es wirkt wie ein Riesenmagnet, der uns in seinen Einflußbereich hineinziehen soll.

Dabei macht sich das Böse gewisse natürliche Reaktionen unseres Wesens zunutze. Wenn uns eine Gefahr droht, ist unsere natürliche Reaktion eine impulsive Verteidigung, oft auch dadurch, daß wir zurückschlagen und sofort dagegen halten. Gott hat dem Menschen solche Anlagen gegeben zum Schutz gegen plötzliche Gefahren. Wir reagieren auf solche Gefahren impulsiv, ohne große Überlegungen. Unser Körper reagiert einfach, das Herz schlägt schneller, Muskeln werden gespannt, und wir sind so blitzschnell zur Verteidigung bereit. Wir brauchen nicht groß zu überlegen, sondern ein quasi automatischer Prozeß läuft ab, der uns ermöglicht, einer Gefahr auszuweichen. Diese natürlichen Reaktionen steuern wir nicht direkt und gezielt mit unserem Bewußtsein und Verstand.

Der Widersacher, auch „der Böse"3 genannt, versucht nun, diese Funktionsweise des menschlichen Wesens auszunutzen, um uns in sein Netzwerk des Bösen hineinzuziehen. Wenn jemand uns mit Worten voll Haß, Zorn, Bosheit, Verleumdung u.ä. angreift, mag unser „natürlicher Abwehrmechanismus" in Aktion treten. Durch die Attacke bereits mit einer gewissen Eigendynamik versehen, könnte eine solche Situation leicht dazu führen, daß wir uns schnell „verteidigen" und zum Gegenangriff mit gleichen Mitteln übergehen — und damit in die uns gestellte Falle treten. So würden wir der Versuchung erliegen und in das Netz des Bösen verstrickt werden, da wir dann ebenfalls mit Übel zurückschlagen.

Eine solche natürliche Reaktion und der Wunsch, in solcher Weise auf ein Übel zu reagieren, mag anfänglich da sein, aber den nächsten Schritt können, sollen und müssen wir bestimmen — nämlich, wie unsere weitere bewußte Reaktion auf das Übel aussehen wird. Das bestimmen wir in unserem Sinn und unserem Herzen. Genau da setzt Jesu Aufforderung an! Wenn wir aktiv dem Übel widerstreben und dabei auf Böses mit Bösem antworten, hat der Böse erreicht, was er eigentlich beabsichtigt hatte. Er hat uns damit in das Übel, das Böse, hineingezogen, so daß wir die Grenze zum Bösen überschritten haben und uns nunmehr auf seinem ureigenen Terrain befinden. Wir sind dann ein Teil dessen geworden, dem wir doch eigentlich widerstreben wollten!

Jesu Aufforderung näher betrachtet

Jesus nahm in seinen Worten zuerst Bezug auf eine Aussage in 2. Mose, wo es heißt: »Auge um Auge, Zahn um Zahn.« Daran schließt er dann noch etwas anderes an: „Ich ABER sage euch …"

Was im Gesetz des Mose geschrieben stand, war weder falsch noch zu verwerfen oder zu korrigieren, denn wie wir aus einer anderen Schriftstelle lernen, war das von Gott gegebene Gesetz heilig, gerecht und gut.4 Wovon handelte Gottes Gebot in 2. Mose? Es regelte Schadensfälle, wenn jemand einen anderen im Volk willentlich oder auch mit böser Absicht körperlichen Schaden zugefügt hatte. Solcher Schaden sollte in entsprechender Weise erstattet werden. Wenn jemand einem anderen physisch Schaden zufügte, mußte er für diesen gemäß dem Gesetz aufkommen, wobei ein striktes Maß galt. Diese Ordnung im Gesetz diente vor allem dazu, hemmungsloser Rache eine klare Grenze aufzuzeigen.

Was Jesus dann anschließend sagte, stand nicht im Widerspruch zu dem zuvor offenbarten Wort Gottes, sondern griff eine viel tiefere Wahrheit auf, bzw. anders formuliert, hob den Lebenswandel auf eine viel höhere Ebene. Viele solcher Übel würden gar nicht erst aufkommen, wenn man sich von Anfang an anders verhalten hätte und in Liebe gewandelt wäre. Jesus legte das Gewicht darauf, daß es nicht darum ging, sich von anderen Gerechtigkeit zu verschaffen, sondern daß man selbst Feinden mit Liebe begegnet und ihnen dadurch Gottes Güte und Liebe vermittelt.

Als erstes Beispiel für Übel erwähnte Jesus den Fall, „wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt". Diesen Ausdruck muß man im Licht von Land und Zeit der Bibel verstehen, denn es geht nicht um Hiebe oder etwa grobe Körperverletzung.5 Davon redete Jesus nicht. Mit „auf die Backe schlägt" nahm er Bezug auf eine Schmähung, eine Erniedrigung, eine Beleidigung der schlimmsten Art. Ein Schlag mit dem Handrücken auf die rechte Backe war besonders entehrend.

Da wird uns solch ein Übel angetan. Wir werden geschmäht, gelästert und in übler Form beleidigt. Was sollen wir tun? Die Anweisung Jesu ist erstaunlich: „Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar." Mit anderen Worten, nimm diese Beleidigung hin, ohne diesem Übel nun aktiv zu widerstreben, ohne dem andern mit gleicher Münze heimzahlen zu wollen.

In seinem nächsten Beispiel griff Jesus eine Situation in einem Rechtsstreit auf, wo einer in einer Sache eventuell von seinem Gegner verlangte, seinen Rock als Pfand zu geben. Normalerweise war dieser verpflichtet, dieses Pfand im Falle eines Armen am Abend wieder zurückzugeben. Sollte sich einer weigern und so dem anderen Böses zufügen, sollte der ihm nicht nur Rock, sondern auch gleich seinen Mantel anbieten, obwohl der ihm eigentlich zum Schutze gegen die Nachtkälte diente.

Das dritte Beispiel nahm Bezug auf gewisse Dienste, die Obere oder zu jener Zeit auch die römischen Soldaten von der Bevölkerung verlangen konnten. Reisenden Geleit zu geben, war eine gängige und oft notwendige Praxis, wobei man beim Tragen von Lasten half oder Hilfestellung als wegkundiger Führer gab. Wenn nun jemand willkürlich oder aus anderen üblen Motiven verlangte, daß jemand eine Meile mitgehen sollte, so sollte er diesem Übel nicht widerstreben, sondern lieber anbieten, zwei Meilen mitzugehen.

Eine weitere Sache betraf das Borgen, wenn jemand etwas bedurfte und von einem andern borgen wollte. Statt hinterher in irgendwelche üblen Situationen dabei zu geraten, empfahl Jesus, es dem Bittenden zu geben.

Was für weise Ratschläge das sind! Wie oft sieht man leider genau das Gegenteil. Ein böses Wort nährt das nächste, und wo zuerst nur ein kleines Flämmchen aufloderte, brennt womöglich innerhalb von Minuten das ganze Haus lichterloh. Alles nur, weil dieses Prinzip nicht befolgt wurde, sondern stattdessen jemand einem Übel widerstrebte. Ein irriges Verlangen nach „Gerechtigkeit" oder „Vergeltung" hat jeweils die eine ganz entscheidende Sache verhindert — den Wandel in der Liebe.

Gerade die große Bedeutung und vor allem den Umfang der Liebe legt Jesus Christus dann in seinen nächsten Worten dar. Die Liebe umfaßt nicht nur den, der einem Gutes tut bzw. getan hat. Das Gesetz gebot bereits die Liebe zum Nächsten. Was einige aber zu jener Zeit daraus gemacht hatten, war eine ganz andere Sache. „Den Feind zu hassen" war auch nicht im Gesetz gesagt, vielmehr entstammten solche Worte etwa den Lehren der Pharisäer, die den Begriff „Nächster" nur auf sich und ihre Kollegen aus der Pharisäerschaft bezogen, viele andere dagegen als Feinde betrachteten, denen sie mit Haß begegneten. Jesus Christus dagegen bezieht auch Feinde in die „Nächsten" ein, die es zu lieben gilt und denen man Barmherzigkeit erweisen soll. Immerhin, Gott macht auch keinen solchen Unterschied, denn er läßt Sonne und Regen den Bösen (Ungerechten) und den Guten (Gerechten) zukommen. Wir sollten uns als seine Kinder erweisen, indem wir unsere Feinde lieben und für sie beten.

Frage der Vergeltung?

Wir erkennen auch, daß diese Aufforderung Jesu mit dem Begriff der Vergeltung in Zusammenhang steht. Darum geht es in den Beispielen, und Jesus spricht an, was es damit auf sich hat und wie man sich dazu stellen soll.

Wie bereits erwähnt, ist der Selbsterhaltungstrieb einer der am tiefsten verwurzelten Triebe im Menschen. Wenn dieser nicht in ganz bestimmten Schranken bleibt, äußert er sich in einem ungebändigten Verlangen nach Selbstvergeltung, bei der ungezügelter Egoismus, Rachsucht, Habsucht, Neid, Haß, Mißgunst und andere böse Dinge auftreten. Auf eine Beleidigung folgt eine schlimmere Beleidigung, auf einen kleinen Vorwurf folgt ein böser Vortrag, einem bösen Wort folgt als Antwort ein ganzer Schwall böser Worte. All das kommt aus dem Affekt, der momentanen inneren Erregung heraus, wobei einer Sache sofort eine noch mächtigere Sache entgegen gehalten wird. Diese Art von Selbstbehauptung führt aber nur zu einem bösen Ende — es wird sozusagen immer mehr Benzin aufs Feuer gegossen. Dieses Gift des Bösen zerstört schließlich jede Beziehung, und ein Zusammenhalt ist nicht mehr möglich. Was übrigbleibt, ist ein Kampf aller gegen alle, und Auflösung, Zerrüttung, Anarchie und Chaos sind dann das Resultat solchen Widerstrebens gegen das Übel.

Jesus Christus bot mit seiner Aufforderung die einzig brauchbare Lösung zum Umgang mit dem Bösen — dem Übel nicht aktiv widerstreben! Man darf dem Übel nicht mit noch mehr Übel begegnen. Jesu Jünger sollten nicht persönliche Rache oder Vergeltung suchen, sondern stattdessen bereit sein, lieber Unrecht zu erleiden als etwa Unrecht zu tun!

Vergeltung braucht ein Gläubiger an Christus nicht in die eigenen Hände zu nehmen. Als Gottes Kinder überlassen wir das Richten und Vergelten besser einem anderen, der dazu in der Lage ist. Gott ist gerecht und wird einem jeden vergelten. Wir lassen uns nicht dazu hinreißen, anderen etwa Böses zu vergelten, wir stellen das Vergelten dem anheim, von dem gesagt ist: „Die Rache ist mein, spricht der Herr". Das tat Jesus Christus auch, als man ihn schmähte und ihm viel Übel zufügte.

Böses mit Gutem überwinden

In der Liebe wandeln und trotz Übel weiterhin auf das Gute und Göttliche bedacht bleiben und so das Böse überwinden, das ist die Aufgabe eines Jüngers Jesu. So hat Jesus es vorgelebt, so sollen seine Jünger es ihm nachtun.

Wie wir dem Bösen begegnen sollen, läßt sich in wenige Worte fassen: „Überwinde das Böse, das Übel, mit dem Guten!" Jesus zeigte auf, daß es besser ist, mit Liebe und auf das Gute ausgerichteter Gesinnung Böses hinzunehmen, als dem Übel zu widerstreben.

Damit wird auch die üble Verhaltensweise des anderen, seine Gemeinheit und sein ungöttliches Denken und Handeln, nicht zum Maßstab für unser Verhalten. Das Übel des anderen bestimmt dann nicht, was wir tun. Wäre das der Fall, würden wir uns sozusagen zu Sklaven des anderen machen, denn er würde mit seinem Übel über unser Verhalten herrschen. Das soll auf keinen Fall so sein!

Wir sollen nicht von den Launen und der Bosheit anderer bestimmt sein, sondern von einer Sache allein — von dem Wort Gottes. Das Wort Gottes wiegt weit mehr als üble Lästerung aus dem Munde eines Menschen, der sich doch nur Gott und seiner Wahrheit widersetzt. Wir dürfen nicht zulassen, daß uns das Übel eines anderen dazu bringt, daß wir diesem Übel aktiv widerstreben. Wenn der andere schon mit seinem Übel sündigt, warum sollten wir ebenfalls sündigen?

Jesus Christus gab uns das beste Beispiel. Er hatte ständig ein großes Ziel vor Augen — den Willen seines himmlischen Vaters zu tun. Er ließ es nicht zu, daß die Einflüsse anderer ihn davon ablenkten, den Willen seines Vaters zu tun. Das ist sicherlich der große Schlüssel, um in Situationen mit Übel nicht der Versuchung nachzugeben, diesem Übel zu widerstreben. Unser Herz sollte auf eine Sache gerichtet sein — Gottes Willen in unserem Leben auszuführen. Vor Gott rechtschaffen zu sein, das war Jesu Anliegen und sollte auch unser Anliegen sein. Was ein anderer über uns denkt oder von uns hält, sollte uns nicht beeinflussen. Wir sollen ausschließlich für unseren himmlischen Vater leben. Auch wir empfehlen uns dem an, der gerecht richtet und uns erlöst und gerettet und zu seinen Kindern gemacht hat.

Wir sollten die Worte von Menschen, ganz besonders beleidigende oder kritisierende Worte, nicht unseren Wandel mit Gott beeinflussen lassen. Jesus wußte, daß er Gottes Sohn war. Er war völlig von seiner Beziehung zu seinem Vater überzeugt. Daher brachte das Übel, das andere Menschen sprachen oder ihm antaten, ihn nicht dazu, an sich zu zweifeln. Der Menschen Worte und Handlungen hatten für ihn nicht die entscheidende Bedeutung, denn er wußte, was Gottes Wort über ihn sagte. Indem wir in unserer Erkenntnis von Gottes Wort wachsen und dem, was Gott über uns sagt, wird es auch für uns leichter, dem Übel nicht zu widerstreben. Wenn es uns an Vertrauen und Zuversicht zu Gott mangelt, dann können wir bösen Einflüssen unterworfen werden.

Eine ähnliche Lektion Jesu

Bei einer anderen Gelegenheit erwähnte Jesus ebenfalls das Beispiel des Backenstreichs und des Mantels und Rocks. Dabei setzte er diese Illustrationen wiederum in den Zusamenhang von „Liebt eure Feinde", was schon in Matthäus 5 anklang.

Lukas 6,27–31:
Aber ich sage euch, die ihr zuhört: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen;
segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen.
Und wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete die andere auch dar; und wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht.
Wer dich bittet, dem gib; und wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück.
Und wie ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!

Auch bei dieser Gelegenheit legte Jesus Christus den Weg der Liebe als den Weg rechten Lebens dar. „Feinde" gibt es — wir sollten sie lieben! Wir lieben nicht die Tatsache und empfinden keine Genugtuung darin, daß wir viele Feinde haben. Wir sollen jedoch unsere Feinde lieben! Als Beispiel des rechten Umgangs mit Feinden erwähnte Jesus auch hier die Reaktion auf eine Beleidigung durch einen Backenstreich, dazu die Angelegenheit mit Rock und Mantel.

„Wie du mir, so ich dir!" — ?

Man hört in der heutigen Gesellschaft oft den Leitspruch: „Wie du mir, so ich dir!" Das ist eine häufig benutzte Richtlinie zum Umgang mit anderen, die aber nicht biblisch fundiert und für uns gänzlich unbrauchbar ist. Unsere Richtlinie lautet zwar ein wenig ähnlich, aber dennoch entschieden anders: „Und wie ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!" Wir tun Leuten nicht das an, was sie uns getan haben! Wir tun Leuten so, wie wir gerne hätten, daß sie uns tun!

Wir gehen mit Leuten so um, wie es auf der Grundlage unserer Gemeinschaft mit unserem himmlischen Vater sein soll, wie wir es in Gehorsam seinem Wort gegenüber tun sollen. Wir lassen unser Verhalten gegenüber anderen nicht von den anderen bestimmen, sondern von unserem himmlischen Vater.

Lukas 6,32–35:
Und wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank habt ihr davon? Denn auch die Sünder lieben ihre Freunde.
Und wenn ihr euren Wohltätern wohltut, welchen Dank habt ihr davon? Denn die Sünder tun dasselbe auch.
Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr etwas zu bekommen hofft, welchen Dank habt ihr davon? Auch die Sünder leihen den Sündern, damit sie das Gleiche bekommen.
Vielmehr liebt eure Feinde; tut Gutes und leiht, wo ihr nichts dafür zu bekommen hofft. So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.

Ein solches Leben der Liebe zu leben, das erfordert Mut. Solcher Mut wird aber reichlich entlohnt werden, denn es heißt hier in Vers 35: „So wird euer Lohn groß sein." So zu leben, ist ein viel besseres Leben, als dem Übel zu widerstreben.

Ein zusätzlicher Nutzen eines solchen Lebenswandels wird in den nachfolgenden Worten Jesu aufgezeigt.

Lukas 6,36–38:
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.
Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.
Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr meßt, wird man euch wieder messen.

Hier spricht Jesus ein großes Wahrheitsprinzip an: Mit eben dem Maß, mit dem wir messen, wird auch uns gemessen werden! In Galater wird diese Wahrheit in andere Worte gefaßt: „Denn was der Mensch sät, das wird er ernten."6

Darin liegt ebenfalls ein wichtiger Grund, weshalb wir dem Übel nicht widerstreben sollen. Wenn wir dem Übel widerstreben und Böses mit Bösem vergelten, säen wir bösen Samen, der dann später, wenn nicht sogar schon bald, zu einer Ernte böser Frucht führt. Umgekehrt jedoch können wir Gutes ernten, wenn wir Gutes säen.

Ein erfolgreiches Überwinden des Bösen

Wichtige Einsicht zu diesem Thema können wir aus einem Abschnitt in Römer 12 erlangen.

Römer 12,17–19:
Vergeltet niemand Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann.
Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.
Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.«

In diesen Anleitungen an Gläubige in der Gemeinde begegnet uns die gleiche Unterweisung wie zuvor in der Bergpredigt über den Umgang mit Übel. Hier wird es allerdings in etwas andere Worte gefaßt. Unsere Reaktion darf nicht sein, daß wir Böses mit Bösem vergelten — und zwar niemandem! Wenn wir ein heiliges Leben leben, so wie Gott uns in Christus ja geheiligt hat, werden wir uns nicht dazu herablassen, jemandem Böses mit Bösem zu vergelten. Wir leben Liebe und überlassen Gott, dem gerechten Richter, die Verantwortung, für Gerechtigkeit zu sorgen.

Römer 12,20 und 21:
Vielmehr, »wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln«.
Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Der Ausdruck „feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln" ist ein Idiom, das Bezug nimmt auf eine Sitte in biblischen Landen zu biblischen Zeiten. Über Nacht wurde in einem Dorf an einer Stelle ein Feuer unterhalten bzw. sehr früh am Morgen neu entzündet. Von dort wurden dann einige brennende Kohlen in einer Schale auf dem Kopf zu den anderen Häusern getragen. Diese Aufgabe war bei morgendlicher Kühle eine angenehme Sache für den, der die feurigen Kohlen auf dem Haupt trug, denn sie erwärmten ihn auf angenehme Weise. Darauf nimmt diese Aussage aus Sprüche Bezug. Sie dient als Illustration dafür, daß unser Gutes, unser Wandel in der Liebe, selbst unsere Feinde zu erwärmen vermag. Nur so können wir das Böse mit Gutem überwinden.

Das Böse ist nicht mit Bösem zu überwinden. Das wäre, als wollte man einen Eisblock mit Windböen und Frost zum Schmelzen bringen — es geht nicht! Der Eisblock wird dadurch höchstens größer und härter. Was das Eis zum Schmelzen bringt, ist etwas anderes — Windstille und Wärme. Ein wenig Wärme über dem Gefrierpunkt genügt bereits, wenn sie stetig und an einem windgeschützten Ort auf das Eis einwirken kann. Nach und nach wird der Block auftauen.

So ist es hier. Böses kann nur durch Gutes überwunden werden. Solange ihm Böses entgegen gehalten wird, besteht keine Chance, das Böse zu überwinden. Erst wenn wir uns nicht auf das Böse einlassen, wenn wir dem Übel nicht widerstreben, sondern mit Gutem antworten (auch wenn es für uns zunächst Beleidigungen und Schmähungen und andere Mühsal bringen mag), besteht eine Möglichkeit, das Böse zu überwinden. Kleinste Schritte sind bereits Schritte auf dem Weg zu einem möglichen Erfolg. Eine von Liebe geprägte Antwort auf Haß, Neid, Zorn und böse Worte eröffnet die Möglichkeit, daß beim nächsten Mal schon weniger Haß, Neid, Zorn zutage treten und weniger böse Worte fallen. Beim übernächsten Mal mag es dann noch ein bißchen weniger sein. Wir halten fest am Guten und lassen die Liebe Gottes in unseren Herzen ihre Wirkung entfalten — nur darin besteht unsere Chance, das Böse zu überwinden.

Gar nicht widerstehen bzw. widerstreben?

Nach all diesen Ausführungen kommt bei einigen Lesern wahrscheinlich die Frage auf, ob man denn nun gar nicht dem Bösen widerstehen soll. Immerhin, selbst in der Bibel kommt doch der Ausdruck „widerstehen" auch in solchen Zusammenhängen vor, oder etwa nicht?

Wir wollen kurz einige wichtige Stellen ansehen, wo dieses Wort anthistemi vorkommt und wir sogar dazu aufgefordert werden, zu widerstehen.

Als erstes folgt die Stelle aus 1. Petrus, wo wir aufgefordert werden, unserem Widersacher, dem Teufel, zu widerstehen.

1. Petrus 5,8–10:
Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.
Dem widersteht, fest im Glauben, und wißt, daß ebendieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen.
Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.

Hier heißt es, wir sollen dem Widersacher widerstehen. Aber nun, ist nicht er der Urheber allen Übels und all des Bösen? Wie sind nun diese Aufforderung, ihm zu widerstehen, und Jesu Aussage, dem Übel nicht zu widerstreben [widerstehen], miteinander vereinbar? Die Antwort darauf ist eigentlich nicht schwer. Wir widerstehen dem Teufel, unserem Widersacher, indem wir gerade dem Übel, dem Bösen, nicht widerstreben! Wir widerstehen ihm, indem wir das Böse mit Gutem überwinden.

Wir bleiben standhaft auf Jesu Wort und lassen uns nicht ins Netz des Übels hineinlocken. Das kommt auch an dieser Stelle zum Ausdruck, wenn es heißt: „Dem widersteht, fest im Glauben, …" Unser Glaube wird bestimmt von dem, was uns das Wort Gottes aufträgt. Wir bleiben fest im Glauben, wenn wir nicht abweichen von dem, was uns im Wort Gottes vorgegeben ist. Eine äußerst wichtige Anweisung zum Umgang mit Übel, mit dem Bösen, das der Widersacher uns in den Weg zu legen sucht, sind die Worte Jesu und was uns in Römer 12 in gleicher Weise aufgetragen wurde — dem Übel nicht widerstreben bzw. Böses mit Gutem überwinden.

Eine weitere Stelle, wo uns aufgetragen wird, dem Teufel zu widerstehen, lesen wir in Jakobus 4.

Jakobus 4,7:
So seid nun Gott untertan. Widersteht dem Teufel, so flieht er von euch.

Wie in 1. Petrus, so wird auch hier Widerstand gegen den Teufel gefordert, und das mit der Verheißung, daß er daraufhin von uns fliehen wird! Wie dieser Widerstand gegen den Teufel ausschaut, ist wiederum aus dem unmittelbaren Zusammenhang ersichtlich, wenn es heißt: „So seid nun Gott untertan." Das bedeutet nichts anderes als das, was wir bereits zuvor gesehen haben. Wir ordnen uns dem Willen Gottes unter, wir nahen uns zu ihm, tun seinen Willen, und wir stellen uns damit gegen den Teufel, für den das Anlaß zur Flucht sein wird.

Auch hier wird deutlich, daß wir nicht der Versuchung erliegen dürfen, uns auf ein Gefecht mit dem Teufel auf seinem ureigenen Terrain einzulassen. Er bietet Böses auf — ihn damit schlagen zu wollen, ist nicht möglich. Uns dahin zu bringen, daß wir dieser Versuchung nachgeben und dem Übel mit gleichen Mitteln widerstreben, das ist, was er gerne erreichen möchte. Es ist eine üble Falle, und uns wird lediglich vorgegaukelt, was gar nicht möglich ist. Unsere Möglichkeit liegt nicht in einem gleichartigen Gegenangriff. Unsere Gelegenheit ist, das Übel zu ertragen und mit Gottes Liebe zu versuchen, nach und nach das Böse mit Gutem zu überwinden.

Werden wir dann nicht vom Bösen überrannt?

Wenn wir dem Übel nicht widerstreben, besteht dann nicht die Gefahr, daß wir vom Bösen einfach überrannt werden? Müssen wir zulassen, daß Leute uns alles Mögliche zufügen? Sollen wir es zulassen, daß Leute uns mit ihren bösen Worten einfach hin– und herschieben?

Wir haben bereits teilweise aus der Schrift gesehen, daß wir nicht hin- und hergeschoben werden sollen, sondern daß es vielmehr darum geht, mutig eine feste Position auf dem Wort Gottes einzunehmen. In Liebe zu wandeln ist nicht eine passive Sache, bei der man andere über sich herfallen läßt. Die Liebe zu leben ist sehr aktiv. Die Liebe zu leben bedeutet, mit Gottes Mitteln anzugreifen und nicht Teil des Bösen zu werden. Das Böse ist das Waffenarsenal des Teufels, Liebe dagegen das Mittel Gottes. Das Ziel des Bösen ist Zerstörung, das Ziel der Liebe aber ist Befreiung.

Jesu Beispiel von "nicht dem Übel widerstreben"

Unser größtes Beispiel für ein ständiges Leben in der Liebe ist unser Herr Jesus Christus. Niemand hat ihn einfach hin- und hergestoßen. Niemand hat ihn mit bösen Worten oder Taten überrannt.

Jesus Christus ertrug willentlich mehr Leid und Schmach, als wir uns vorstellen können. Er war bereit, sein Leben zu geben als Lösegeld für viele, um so Gottes Plan zur Erlösung des Menschen zu vollenden.7 Er hätte sich nicht unbedingt den Soldaten ergeben müssen, sie konnten ihn nur gefangennehmen, weil er es zuließ. Er wurde geschmäht, verlästert, gedemütigt, geschlagen, gefoltert und schließlich gekreuzigt, aber all das war seinen Peinigern nur möglich, weil er es zuließ. Er ließ es zu aus Liebe, weil er den Willen seines Vaters erfüllen und durch sein Opfer eine ewige Erlösung für viele ermöglichen wollte. Das Opfer seines Lebens war notwendig, um uns zu erlösen.

Er war unser Stellvertreter, er litt und starb an unsrer Statt, so daß wir nun das Leben und volle Genüge haben können. Wir brauchen nicht zu erdulden, was er erduldete. Er litt, damit wir nicht in gleicher Weise zu leiden brauchen. Die Leiden und die Kreuzigung Christi sind wohl das extremste Übel, das ein Mensch jemals erlitt. Kein anderer Mensch hat je soviel Böses ertragen, und kein Mensch braucht es zu ertragen.

Gerade auf Jesu Leiden bezieht sich eine Aussage der Schrift in 1. Petrus, die uns sein Beispiel deutlich vor Augen führt.

1. Petrus 2,21–24:
Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, daß ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen;
er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand;
der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet;
der unsre Sünde selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden.

Das Vorbild Christi ist damit verbunden, daß er Böses und Übel erlitt, aber in seinem Leiden nicht dem Übel widerstrebte und sich dadurch seinerseits zu Übel hinreißen ließ. Er stand Bösem in einem Ausmaß gegenüber, wie wir es nicht erleben werden. Als er geschmäht wurde, hat er nicht widergeschmäht. Er ließ sich nicht zu unüberlegten Worten hinreißen, suchte auch keinen „Betrug", um eventuell so dem Übel zu entgehen. Keine Drohung kam aus seinem Mund, um seine Peiniger auf diese Art und Weise vielleicht einzuschüchtern.
Er widerstrebte dem Übel nicht, sondern stellte das Ganze dem anheim, der gerecht richtet — Gott. Jesus Christus nahm Vergeltung und Rache nicht in die eigene Hand, er überließ all das dem, der gerecht urteilen und richten wird. Er ließ es nicht zu, daß Wut, Zorn, Haß und Rachsucht in sein Herz eindrangen. Er wandte sein Augenmerk weder auf sich selbst noch auf die, die ihm solches Leid zufügten, er behielt ein einziges Ziel vor seinen Augen — den Willen seines Vaters erfüllen und weiterhin in Liebe denken und handeln. Sein Blick war auf Gott gerichtet und darauf, ihm zu gefallen und zu tun, was zu Gottes Ehre gereichte.

Nicht nur in seinem Leiden, sondern auch zu anderen Zeiten während seines öffentlichen Wirkens, stand unser Herr Jesus Christus Bösem gegenüber, und immer überwand er das Böse mit Gutem. Er ließ sich nicht dazu verleiten, auf die bösen Worte und anderen Angriffe mit Gleichem zu antworten.

In Johannes 8 wird über eine Konfrontation Jesu mit den Pharisäern berichtet, die mit bösen und feindlichen Anschuldigungen versuchten, ihn zum Sündigen zu verleiten. Sie warfen ihm einen vergifteten Köder nach dem anderen hin, aber er ließ sich davon nicht beeindrucken und ließ sich nicht auf ihre Ebene hinab. Er ließ sich auch von ihnen nicht einfach überrennen, sondern antwortete ihnen jeweils sehr abgewogen und kontrolliert mit der Wahrheit des Wortes Gottes. Die von ihm auf ihre Lügen gesprochenen Wahrheiten drangen voll durch das Böse direkt in ihre Herzen. Dabei verfluchte er sie nicht, noch benutzte er Schimpfworte oder Beleidigungen. Er war nicht sarkastisch, seine Antworten waren nicht von Haß erfüllt, und es gab auch keinen unkontrollierten Wut- oder Zornesausbruch. Ohne dem Übel zu widerstreben, blieb Jesus Christus standhaft auf der Wahrheit, was seinen Anklägern den Mund stopfte und Gott verherrlichte.

Unsere Gelegenheit – in der Liebe wandeln

Wie wir aus Römer 12 ersehen konnten, gilt für uns als Gläubige in der Gemeinde Gottes das Gebot, Böses mit Gutem zu überwinden. Wir sollen und können uns das zu Herzen nehmen, was Jesus Christus unterrichtete und vorlebte in seinem Umgang mit Übel und Bösem.

Welch eine große Lektion das für uns ist! Zugegeben, vielleicht ist es nicht einfach, besonders dann, wenn man bislang gewohnt war, immer seinen Gefühlen und Impulsen einfach freien Lauf zu lassen, um auf diese Weise angeblich „intensiver zu leben" und „das Leben intensiv zu erfahren". Wir sollen nicht unseren Gefühlen folgen, insbesondere dann nicht, wenn es dazu führen würde, Bösem oder Übel zu widerstreben.

Wir sollen stattdessen einem anderen Beispiel folgen.

Epheser 5,1 und 2:
So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder
und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.

Gott ist unser Vater, und wir haben das große Privileg, seinem Beispiel zu folgen, so wie es Jesus Christus ebenfalls tat. Sein Beispiel ist ein Leben in der Liebe, geprägt nicht von Selbstsucht oder Selbstvergeltung oder Rache, sondern von einem sich Hingeben für den anderen im Dienste Gottes, damit Gott dadurch Lob, Preis und Ehre zukommen möge.


(1) Vgl. 1. Johannes 5,3: „Denn das ist die Liebe zu Gott, daß wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer."

(2) Menge-Güthling: Langenscheidts Großwörterbuch Griechisch-Deutsch, 26. Aufl., Berlin: Langenscheidt, 1987. und: Bauer, Aland: Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments, 6. neu bearb. Aufl. Berlin: Verlag de Gruyter, 1988.

(3) Vgl. 1. Johannes 5,18.

(4) Vgl. Römer 7,12: „So ist also das Gesetz heilig, und das Gebot ist heilig, gerecht und gut."

(5) Wie zuvor gerade kurz angesprochen, war bereits im Gesetz verankert, wie in solchen Fällen zu verfahren war. Zudem wird aus anderen Stellen der Schrift deutlich, daß man sich nicht unbedingt physisch mißhandeln lassen muß, sondern in solchen Fällen absolut das Recht hat, sich zu verteidigen, auch mit Mitteln, die von manchen vielleicht als Gewaltanwendung eingestuft würden.

(6) Vgl. Galater 6,7.

(7) Vgl. Markus 10,45: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele."

 

Übersicht Artikel