In manchen Gegenden unseres Landes, wie auch in anderen Teilen der Welt, kennt man außer den vier Jahreszeiten noch eine „fünfte Jahreszeit", die des Karnevals bzw. der Fastnacht. Ein auffallendes Merkmal des Karnevals ist das Verkleiden und Kostümieren. So mancher Narr oder Jeck unternimmt gewaltige Anstrengungen, um sich gänzlich unkenntlich zu machen und mittels möglichst perfektem Gewand eine andere Person zu sein. Hinter solcher Maskerade verborgen, kommt es häufig vor, daß Dinge ausgelebt werden, die man ohne die Maske niemals machen würde. Man gaukelt vor, etwas zu sein, was man natürlich gar nicht ist.

Kürzlich hielt ich ein lehrreiches Buch, Word Studies in the Greek New Testament von K. Wüst, in Händen. Beim Lesen einiger Kapitel stieß ich auch auf eine Abhandlung über Römer 12,2 bzgl. der Erneuerung des Sinnes und der Verwandlung bzw. Veränderung der christlichen Gläubigen. K. Wüst ging dabei auf die im griechischen Text benutzten Wörter und ihre Bedeutungen ein, um dann den Sinngehalt dieser Stelle mit umschreibenden Worten in heutigem Englisch darzulegen. Durch einige seiner Ausführungen wurde ich an den Karneval erinnert, denn er erwähnte u.a. auch Begriffe wie etwa „Maskerade".

Römer 12,2 ist ein bekannter Vers für viele Gläubigen in unseren Gemeinschaften, und er wird oft erwähnt, wenn es darum geht, über das Umsetzen bzw. Anwenden von Gottes Kraft in unserem täglichen Lebenswandel zu unterrichten. Es geht dabei im wesentlichen um drei Begriffe: „nicht der Welt gleichstellen", „Veränderung" und „Erneuerung des Sinnes". In dieser kurzen Abhandlung möchte ich auf jeden dieser Begriffe etwas näher eingehen und versuchen, den Kern der Lehre dieses Verses den Lesern nahezubringen. Dabei werde ich auch auf einige der griechischen Wörter und ihre Bedeutungen eingehen, denn gerade durch ein tieferes Verständnis dieser Wörter öffnet sich uns eine wahre Schatztruhe an Einsicht und Erkenntnis in das, was Gott als seinen Willen hier vermittelt hat.

Römer 12,2:
Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.

Das erste in dieser Aussage ist eine Aufforderung: „Und stellt euch nicht dieser Welt gleich …"! Bereits hier lohnt ein Blick in den griechischen Text. Das Wort „gleichstellen" ist das Wort suschematizo, ein Wort, das einen äußerlichen Prozeß beschreibt. Es geht um ein „Schema", eine äußerliche Form. Diese äußere Gestalt entspricht dabei jedoch nicht unbedingt der inneren Wirklichkeit. Gerade dieser Aspekt wird in dieser Stelle sehr wichtig.

Zunächst sei aber noch ein anderer Vers angeführt, in dem ein mit schematizoverwandtes Wort vorkommt, und aus dem deutlich hervorgeht, daß dieses Wort eine äußere Gestalt beschreibt, die nicht mit dem wirklichen innerlichen Sachverhalt übereinstimmt.

2. Korinther 11,14:
Und das ist auch kein Wunder; denn er selbst, der Satan, verstellt [metaschematizo] sich als Engel des Lichts.

Die äußere Gestalt ist „Licht", aber es handelt sich dabei um eine Maskerade, ein Kostüm, eine Verkleidung, die absolut im Gegensatz zu dem steht, was sich dahinter verbirgt. Des Teufels Machtbereich ist Finsternis, er ist der oberste der Herrscher dieser Welt, die in dieser Finsternis herrschen. An ihm ist absolut kein Licht, er ist schlichtweg Finsternis. Und doch gibt er sich, durch geschickte Kostümierung unterstützt, als Bote bzw. Engel des Lichts aus.

In Römer 12 erhielten wir die Aufforderung, uns nicht „gleichzustellen". Wir sollen auf keinen Fall eine äußerliche Gestalt annehmen, die nicht dem wahren innerlichen Sachverhalt entspricht.

Diese äußerliche „Gestalt" soll nicht gemäß „dieser Welt" sein. „Welt" ist die Übersetzung des griechischen Wortes aion, das „Weltalter", „Zeit", „Epoche", „Zeitgeist", usw. bedeutet. Das Gepräge dieser Zeit, der Zeitgeist dieser Welt, soll nicht das sein, was wir anziehen und zur Schau stellen. Diese Welt, diese Zeit, mit all ihrem Habitus, ihren Maßstäben, ihren Gelüsten und Begierden, war einstmals unser wirkliches Domizil. Ein Blick auf eine Stelle in Epheser macht dies deutlich.

Epheser 2,1–3:
Auch ihr wart tot durch eure Übertretungen und Sünden,
in denen ihr früher gelebt habt nach der Art dieser Welt, unter dem Mächtigen, der in der Luft herrscht, nämlich dem Geist, der zu dieser Zeit am Werk ist in den Kindern des Ungehorsams.
Unter ihnen haben auch wir alle einst unser Leben geführt in den Begierden unsres Fleisches und taten den Willen des Fleisches und der Sinne und waren Kinder des Zorns von Natur wie auch die andern.

Hier wird uns vor Augen geführt, worin wir „früher gelebt" haben — als wir noch nicht Christen waren, als wir noch nicht an Christus glaubten, als wir noch nicht Kinder Gottes waren. Es war „nach der Art dieser Welt", die kontrolliert wird von dem Mächtigen, der in der Luft herrscht, das ist der Teufel, der Widersacher, der Fürst und Gott dieser Welt. Diese „Art der Welt" ist geprägt von einem Leben in Begierden des Fleisches, vom Willen des Fleisches und der Sinne, nicht aber von Gottes Wort oder dem, was Gottes Geist bereitstellt. Von Natur waren wir, wie jeder von Adam abstammende Mensch, „Kinder des Zorns", d.h. wir waren für das Zorngericht Gottes bestimmt, verloren, befanden uns unter Verdammnis.

Epheser 5,8 und 9:
Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts;
die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.

Auch hier erfahren wir in wenigen Worten, was wir einstmals waren – wir waren „Finsternis". Uns wird aber auch mitgeteilt, was wir nunmehr sind – wir sind „Licht in dem Herrn".

1. Johannes 2,15–17:
Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters.
Denn alles, was in der Welt ist, des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt.
Und die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.

Diese Stelle fordert uns auf, die Welt nicht „lieb zu haben". Die Welt steht in absolutem Gegensatz zu Gott, und was in der Welt ist, des Fleisches Lust, der Augen Lust und ein hoffärtiges Leben, ist nicht von Gott.

Als Gläubige an Christus Jesus, als Christen, sind wir nicht mehr von der Welt, sind wir nicht mehr Finsternis. Wir sind nun das genaue Gegenteil von dem, was wir früher waren – jetzt sind wir Licht in dem Herrn. Wenn wir uns daher der Welt gleichstellen, wenn wir uns äußerlich den Methoden und Vorgaben der Welt anpassen, so verhalten wir uns in etwa so wie die Jecken zu Fastnacht. Wir ziehen ein Kostüm an, eine Verkleidung, die absolut nichts mit unserem wahren „Ich" zu tun hat. Es ist in der Tat wie eine Verkleidung, es ist eine Maskerade, mit der wir uns verstellen und lediglich das, was wir wahrhaftig sind, verstecken. Wir geben vor, etwas zu sein, was wir gar nicht mehr sind! Es sei aber bemerkt, daß es hier nicht um Fastnacht und in keiner Weise um „Spaß an der Freud" geht. Es geht hierbei um ein Verleugnen dessen, was Gott in uns durch Christus gewirkt hat.

In Römer 12,2 heißt es dann weiter: „… sondern ändert euch". Dieses „ändert euch" ist im griechischen Text das Wort metamorphoomai, und es bezeichnet eine völlige Veränderung, eine Verwandlung der äußeren Erscheinung. Entscheidend hierbei ist nun, daß die neue äußere Erscheinung absolut dem entspricht, was innerlich tatsächlich vorhanden ist.

Metamorphoomai bezeichnet in außerbiblischer Literatur z.B. die Veränderung einer Raupe in einen Schmetterling. Bei dem Schmetterling handelt es sich tatsächlich um einen Schmetterling, nicht um eine verkleidete Raupe. Eine völlige Veränderung hat stattgefunden, sozusagen von innen heraus. Der Schmetterling ist keine Raupe mehr, und er hat deren Gestalt völlig abgelegt. Er war einst eine Raupe, ist aber nun ein Schmetterling. Hier handelt es sich nicht um eine Kostümparty oder einen Maskenball, nein — hier tritt das nach außen hin in Erscheinung, was innerlich wirklich vorhanden ist.

Dieses Wort wird in der Bibel noch an anderer Stelle benutzt, wobei es um die „Verklärung" bzw. „Verwandlung" Jesu geht.

Matthäus 17,2:
Und er wurde verklärt [metamorphoomai] vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.

Markus 9,2 und 3:
Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus, Jakobus und Johannes und führte sie auf einen hohen Berg, nur sie allein. Und er wurde vor ihnen verklärt [metamorphoomai];
und seine Kleider wurden hell und sehr weiß, wie sie kein Bleicher auf Erden so weiß machen kann.

Lukas 9,29:
Und als er betete, wurde das Aussehen seines Angesichts anders, und sein Gewand wurde weiß und glänzte.

Diese Stellen beschreiben, was sich auf dem Berg zutrug. Es wird deutlich, daß Jesu äußerliche Gestalt völlig verändert wurde. Diese äußerliche Veränderung spiegelte wider, was sich innerlich zutrug. Diese Augenblicke waren höchst bedeutungsvoll, diese Verklärung gab Zeugnis von Jesu Einsetzung in das Amt des Hohenpriesters, und die innere Reinheit seines Wesens kam nach außen hin in dieser verklärten Gestalt zum Ausdruck.1

Römer 12,2 trägt uns zuerst auf, daß wir nicht eine Maskerade veranstalten, dadurch daß wir nun das uns eigentlich fremde Kostüm der Welt anziehen, und ermutigt uns dann stattdessen, das uns zustehende Gewand anzuziehen. Wir sollen äußerlich gekleidet sein, wie es unserem inneren Wesen entspricht. Unser inneres Wesen ist nach der Wiedergeburt nicht mehr die alte von der Welt bestimmte Natur, wir sind vielmehr eine neue Schöpfung in Christus.

2. Korinther 5,17:
Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.

Unser wahres „Ich" ist nun die neue Schöpfung in Christus. Das Alte ist vergangen, es hat keine Macht mehr über uns. In uns ist eine neue Schöpfung, eine neue Kreatur – der Geist der Kindschaft, den wir erhielten, als wir an Christus gläubig wurden. In uns ist ein neuer Mensch, haben wir ein neues Wesen. Dies wird in Kolosser 1, 27 umschrieben mit den Worten „Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit".

Für uns ist das „Raupen"-Stadium vorbei, wir haben eigentlich das „Schmetterling"-Stadium erreicht. Sich der Welt gleichstellen wäre etwa, als würde nun der Schmetterling ein altes Raupenkostüm anziehen, um allen vorzutäuschen, er sei weiter eine Raupe. Was Gottes Wort uns aufträgt und von uns verlangt ist dagegen, daß wir sozusagen unsere Flügel entfalten, daß wir unsere Schmetterlingshaut in ihrer ganzen Schönheit vorzeigen und die neue Kreatur, die wir sind, voll zur Geltung bringen.

Wie aber geschieht dieser Prozeß? Wie können wir diese ganze Fülle der neuen Kreatur in Christus nach außen hin anziehen? Wie vollzieht sich diese Verwandlung, diese Veränderung?

Römer 12,2 nennt diesen Vorgang „Erneuerung eures Sinnes". Von unserem Sinn und Herzen her steuern wir unser Leben. Der Schlüssel zur ganzen Entfaltung dessen, was Gott uns in der neuen Kreatur geschenkt hat, liegt darin, daß wir unseren Sinn erneuern. Der „Sinn" ist dabei nicht das „Gehirn", man könnte ihn vielmehr umschreiben als „die Gesamtheit der Gedanken". Dieser Sinn eines jeden Gläubigen muß erneuert werden, was zur Folge hat, daß unser gesamter Lebenswandel, unser ganzes äußerliches Leben, ebenfalls eine völlige Veränderung erfährt. Es geht nicht so sehr darum, unser Verhalten, unsere Werke, unsere Handlungen zu verändern. Die entscheidende Sache ist die, daß wir ändern, was wir über uns selbst denken. Wie sieht es in unserem Sinn aus? Was geschieht zwischen unseren Ohren? Wir müssen das von uns denken, was wir in Christus wirklich sind!

Das Resultat dieser Verwandlung, dieser Veränderung des Denkens, ist dann: „… damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist." Welch eine großartige Wahrheit uns hier offenbart wird! Die völlige Veränderung unseres Denkens durch die Erneuerung unseres Sinnes, das Ablegen der Masken und Kostüme der alten Natur mit ihren Begierden und das Anziehen der zur neuen Natur in Christus gehörigen „Kleidung", das ermöglicht uns zu prüfen, was Gottes Wille ist.

Was aber kann man im Sinn anziehen? Wie kann man den Sinn erneuern? Der Sinn ist ein Organ, in dem Information aufgenommen, gesammelt und verarbeitet wird. Der Sinn muß nunmehr mit Information über die neue Kreatur in Christus versorgt werden. Der Sinn muß mit Wahrheit über das gespeist werden, was geistlich bereits Realität ist. So tritt nach und nach die erwähnte völlige Veränderung ein, und dann beginnen auch wir, vor Freude und Begeisterung über das von Christus vollbrachte Werk zu strahlen und zu glänzen.

Diese Veränderung bringt mit sich, daß wir fortan keine „Narren oder Jecken" mehr sind, sondern daß wir die uns gehörende und uns geziemende Kleidung mit all den Fähigkeiten und Rechten anziehen, die uns in Christus zustehen. Wir sind nicht mehr länger auf einem fortwährenden Maskenball, sondern wir leben tatsächlich das, was wir durch Gottes Wirken in Christus sind, und wir können uns an dem erfreuen, was Gott uns geschenkt hat.

Glitter, knallige Farben billiger Stoffe, bizarre Masken und das laute „Alaaf"- und „Helau"-Getöne des alten Menschen — was soll das überhaupt noch für uns? Wir sollten uns nicht weiter verkleiden, indem wir uns dieser Welt gleichstellen. Wir ziehen nun unser wahres Gewand an und glänzen bereits jetzt ein wenig, da wir durch Erneuerung unseres Sinnes verwandelt werden und mit der strahlenden Herrlichkeit, die uns in Christus bereitet ist, glänzen.


(1) Die Hohenpriester Israels aus dem Geschlecht Aarons unterzogen sich bei ihrer Einsetzung ins Priesteramt einer symbolischen Waschung und trugen anschließend ein weißes Leinengewand. Dies war lediglich ein vorausgeworfener Schatten dessen, was hier in Christus Wirklichkeit wurde. Er brauchte sich keiner symbolischen Waschung in Wasser zu unterziehen, er benötigte auch kein spezielles Leinengewand, denn sein himmlischer Vater kleidete ihn in Herrlichkeit und Ehre. Sein reines inneres Wesen entfaltete sich vorausblickend für eine kurze Zeit bereits in dieser äußeren Veränderung bzw. Verklärung.

 

Übersicht Artikel