Einleitung

Eine weitere oft von Vertretern der Trinitätslehre zitierte Schriftstelle ist Philipper 2,5-11. Dieser Abschnitt wird vor allem dazu benutzt, aufzuzeigen, daß Jesus bereits als Gott existiert habe, bevor er dann Mensch wurde. Allerdings ist allein diese Idee bereits in sich problematisch, denn wo wird jemals in der Bibel erwähnt, daß Gott zu einem Menschen werden bzw. dann umgekehrt ein Mensch Gott sein kann? In der Tat kennen heidnische Religionen und bestimmte philosophische Modelle „Götter“, die sich in solcher Weise in ihrer „Form“ ändern und mal „Göttergestalt“, mal „Menschengestalt“ annehmen oder haben. Auch gibt es in diesen Kreisen die Vergöttlichung von Menschen. Die Bibel kennt allerdings solche Ideen nicht, wenn sie uns von dem einen wahren Gott berichtet.

Der Abschnitt in Philipper 2 ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie ein Text aufgrund bestimmter vorab festgelegter und als Wahrheit akzeptierter Theorien, so ausgelegt und verstanden wird, wie er in dieses vorgefertigte Gedankenmuster paßt. Daß sich bei der Auslegung dann logische und andere Probleme ergeben, wird meist entweder übersehen oder als „Geheimnis Gottes“ beiseite geschoben.

Wovon handelt diese Stelle?

Wenn man diese Stelle recht verstehen und auslegen will, muß man sie in ihrem Kontext lesen und belassen. Der in dieser Studie behandelte Abschnitt reicht von Vers 5 – 11.

Philipper 2,5-11
Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:
Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,
sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist,
daß in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,
und alle Zungen bekennen sollen, daß Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Gleich zu Beginn des Abschnitts wird uns mitgeteilt, was das Anliegen dieser Aussagen ist: Die Worte über Jesus hier dienen als Beispiel dafür, wie Gläubige an Christus Jesus, Christen, gesinnt sein sollen. Diese Worte schildern uns, wie Jesus gesinnt war, wie Jesus dachte, welche Einstellung er in seinem Herzen hatte. In Luthers ursprünglicher Übersetzung wird dies noch deutlicher, er übersetzte: »Ein jeder sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war.«

Dieses Thema der christlichen Gesinnung wird bereits in den Versen davor aufgegriffen, und die Gläubigen in Philippi werden ermahnt, wie sie gesinnt sein und wie sie miteinander umgehen sollen.

Philipper 2,1-4
Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit,
so macht meine Freude dadurch vollkommen, daß ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid.
Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst,
und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.

Der wesentliche hier angesprochene Punkt christlicher Gesinnung ist das einander unterordnen, sich nicht über den andern erheben, sondern vielmehr den andern höher achten als sich selbst und nicht nur auf das Seine zu sehen, sondern auch auf das, was dem andern dient. Diese Einstellung gebührt sich für uns als Christen. Nicht Eigennutz und eitle Ehre sind unser Ziel oder Maßstab, vielmehr der andere und wie wir ihm in Demut dienen können.

Nachdem Paulus diese Wahrheit dargelegt hat, verweist er nun auf das Beispiel unseres Herrn und Heilands, der eine solche Gesinnung hatte und vorbildlich in seinem Lebenswandel verwirklichte. Die hier nun zu behandelnden Verse berichten uns in komprimierter Form die größten und wesentlichsten Punkte von Jesu Gesinnung, berichten uns von seiner Demut und wie er nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen tat. Wir lesen, wie er sich selbst und seine eigenen Interessen völlig zurückstellte und in Demut gegenüber Gott nicht auf sich selbst schaute, sondern das in den Mittelpunkt seiner Überlegungen und Gehorsamsentscheidung stellte, was den andern diente.

Ohne irgend welche Einzelheiten und einzelne Begriffe aus diesen Versen bislang weiter erörtert zu haben, ergibt sich bereits aus dem Gesamtblick auf diesen Abschnitt hier in Philipper 2, daß diese Verse von Jesus als Menschen und Messias handeln. Uns wird Jesu Beispiel einer richtigen Gesinnung vorgelegt, und wir werden aufgefordert, so zu denken und gesinnt zu sein wie Jesus, eine solche Einstellung zu haben, wie sie Jesus auch hatte. Ein solches Vorbild hat jedoch nur Gültigkeit, wenn es von dem Menschen Christus Jesus handelt, nicht von Jesus als Gott, wie die Trinitarier behaupten.

Die Annahme, hier werde uns geschildert, wie Jesus als Gott gesinnt war, ist vor dem Hintergrund des Kontexts absolut irrsinnig, und bringt sogleich gewaltige Probleme für die Auslegung des Textes mit sich. Die Trinitarier behaupten, diese Verse handelten von Jesus als „Fleisch gewordenem Gott“ – daß Jesus zuvor als Gott existierte und dann Fleisch wurde, Gestalt annahm in Form eines menschlichen Körpers. Diese Annahme ist zwar weit verbreitet und in vielen christlichen Kreisen überaus populär, aber sie steht in Widerspruch zu anderen Aussagen in der Schrift und ist auch nicht in Einklang mit dem, was hier im Zusammenhang dieses Abschnitts ausgesagt wird.

Z.B., wenn Jesus vor seiner Menschwerdung als Gott existierte, dann treffen die Worte in Hebräer 2 nicht mehr zu.

Hebräer 2,17:
Daher mußte er in allem seinen Brüdern gleich werden, damit er barmherzig würde und ein treuer Hoherpriester vor Gott, zu sühnen die Sünden des Volkes.

Wenn er „in allem“ seinen Brüdern gleich werden mußte, ergibt sich bereits ein großes Problem, denn die Brüder existierten nicht zuvor als Gott, oder etwa doch?

Aus dem Gesamtzusammenhang ist leicht zu erkennen, daß die Stelle in Philipper 2,5-11 über Jesu Gesinnung nicht davon handelt, daß Jesus Gott war (oder ist) und es sich dann überlegte, sich vom „Gott“ Status zum „Mensch“ Status zu erniedrigen. Wenn dies hier das Thema wäre, ergibt sich ein anderes gewaltiges Problem bzgl. der Auslegung, denn wie soll das uns als Vorbild für unsere Gesinnung dienen, da wir ganz sicher nicht Gott sind und uns daher überhaupt nicht in einer solchen Situation befinden?

Diese wenigen Überlegungen zeigen bereits auf, daß die trinitarische Auslegung dieses Abschnitts offensichtlich inkorrekt sein muß, da sie nicht mit anderen Schriftstellen in Einklang steht. Eine Erörterung der einzelnen Wahrheiten in diesen Versen werden dies noch weiter verdeutlichen.

So gesinnt, wie Jesus auch war

Mit Vers 5 wird in der revidierten Lutherbibel 1984 bereits ersichtlich, welche Schwierigkeiten sich für die allesamt wohl der Trinitätslehre verbundenen Mitglieder der Gruppe von Revisoren ergaben. Die revidierte Fassung ist sehr stark trinitarisch ausgerichtet, und wo immer ein Textabschnitt in irgendeiner Form von Trinitariern als „Beweistext“ benutzt wird, wurde dieser in der vorliegenden Fassung so übersetzt, daß er den trinitarischen Vorstellungen dienlich sein kann. Man wich sogar teilweise gänzlich von Luthers ursprünglichem Wortlaut ab, um nach Möglichkeit von der trinitarischen Vorstellung abweichende Auslegungen aufgrund der Übersetzung nicht als wahrscheinlich erscheinen zu lassen.

Ein Paradebeispiel dafür findet sich hier in Vers 5. Immerhin beließen die Herausgeber wenigstens noch Luthers ursprünglichen Wortlaut als kleine Anmerkung im Text.

Philipper 2,5
Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:

Was ist wohl mit „wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht“ gemeint? Für diesen Wortlaut gibt es keine rechte Grundlage im griechischen Text, der durch den ursprünglich von Luther gewählten Wortlaut sehr viel besser übersetzt und wiedergegeben wurde. Allerdings war man sich von seiten der Revisoren wohl darüber klar, daß der eigentliche Wortlaut „Seid so gesinnt wie Jesus Christus auch [war]“ bei jedem nicht unbedingt völlig voreingenommenen Leser sofort jegliche Gedanken an Jesus als Gott verhindert. Daher wurde wohl dem Text ein Wortlaut gegeben, der zwar unverständlich ist und auch quasi zusammenhanglos hier steht, der aber doch zuläßt, die trinitarische Deutung der nachfolgenden Aussagen weiterhin aufrecht zu erhalten.

Luthers Übersetzung ist schlicht und einfach, und sie trifft genau, was Paulus hier ausdrückt: »Ein jeder sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war.« Es geht um unsere Gesinnung, unser Denken, unsere Einstellung, und dieser wird Jesu Gesinnung und Einstellung als Vorbild gegeben. Wir lesen also in den nachfolgenden Versen davon, wie unser Herr Jesus, der eingeborene Sohn Gottes, der Mensch Christus Jesus, gesinnt war und welche Einstellung er hatte, nicht aber davon, daß er sowohl Gott wie Mensch war.

Gott wurde Mensch?

Zwei der wesentlichen Aussagen in diesem Abschnitt, auf den die Trinitarier ihre Lehre eines präexistenten Jesus als Gott gründen, sind hier in Vers 6–8 zu lesen:

Philipper 2,6-8a
Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,
sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
Er erniedrigte sich selbst …

Zuerst wird behauptet, Jesus habe vor seiner Menschwerdung bereits als Gott "in göttlicher Gestalt" existiert und sich dann nach entsprechender Überlegung dazu entschieden, Knechtsgestalt anzunehmen, d.h. Mensch zu werden. Es wird also behauptet, Gott habe sich selbst erniedrigt, und diese Erniedrigung bestand in der Aufgabe seiner "göttlichen Gestalt" und dem Annehmen von Knechtsgestalt in der Erscheinung als ein Mensch. Allerdings sind solche Ideen schon in sich selbst eigentlich völlig unmöglich, auch widersprüchlich und nicht mit dem allgemein als Wahrheit akzeptierten Wesen Gottes zu vereinbaren.

Allein der Gedanke, Gott habe sich "erniedrigt" steht schlicht im Widerspruch dazu, dass Gott jederzeit und immer der Allmächtige, also über allem stehende Gott ist. Gott "erniedrigt" sich nicht, er kann nicht "niedriger" werden, sondern ändert sich auch in dieser Hinsicht absolut nicht. Trinitarier behaupten dann, Gott habe Knechtsgestalt angenommen. Nur, wessen Knecht soll Gott denn bitte gewesen sein? Wer übte während dieser Zeit seiner Knechtschaft die Herrschaft über Gott aus? Oder war er vielleicht gar kein Knecht, sondern hatte nur die "Gestalt" eines Knechts angenommen und war weiterhin der allmächtige und über allem thronende Gott? So etwas wäre dann allerdings nicht mehr und nicht weniger als Heuchelei, ein Vorgaukeln falscher Tatsachen … das aber ist ebenfalls eine Unmöglichkeit für Gott, der doch gar nicht lügen kann!

Trinitarier mögen eventuell einwenden, dass ich Dinge verdrehe, indem ich davon rede, dass Gott Knecht geworden sei, denn sie werden schnell bei der Hand sein, um zu sagen, daß "Jesus (nicht "Gott") Knecht wurde", so als wäre plötzlich die zuvor aufgestellte Gleichstellung von Jesus mit Gott nun aber irgendwie nicht mehr gültig. Genau solches "Bäumchen wechsle dich" Spiel habe ich immer wieder mit Trinitariern erlebt, die scheinbar jedes mal eine andere Erklärung parat haben: Einmal ist Jesus gleich Gott, dann ist Jesus gleich Mensch, dann handelt eine Aussage von Gott, ein anderes Mal handelt sie von "Jesus", usw. Dabei scheinen sie nicht zu merken, wie sie sich fortwährend widersprechen bzw. mit dieser Art und Weise der Auslegung quasi Jesus und auch Gott zu einem "Chamäleon" machen. So geht es aber nicht!

Hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein

Dieser trinitarischen Auffassung, Gott habe sich erniedrigt und sei zu einem Menschen geworden oder habe Knechtsgestalt angenommen, steht eigentlich die zwischen diesen beiden Ausdrücken befindliche Aussage in Vers 6 entgegen. Das hier Gesagte über Jesus und seine Gedanken widerlegt die trinitarische These eindeutig.

Philipper 2,6
… hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,

Diese Aussage zeigt eindeutig auf, daß Jesus nicht Gott war! Wann hat Gott bitte jemals nachgedacht über eine moralische Entscheidung? Gott ist doch der Ursprung richtiger Moral, für Gott gibt es doch gar keine Wahl zwischen richtig und falsch oder gut und böse! Die Bibel berichtet uns, daß Gott nicht lügen kann (Hebräer 6,18), auch daß Gott nicht versucht werden kann zum Bösen (Jakobus 1,13). Dem Menschen wurde von Gott eine Wahl eingeräumt, entweder Gottes Anweisungen zu befolgen oder sie abzulehnen.

Falls die trinitarische Sichtweise hier zutreffen sollte, dann lesen wir davon, daß Gott vor einer Wahl und einer moralischen Entscheidung steht: "Soll ich weiter Gott bleiben, oder soll ich mich meiner selbst entäußern und ein Mensch werden?" Eine der Möglichkeiten wäre nicht so gut wie die andere, bzw. wäre sogar eine "falsche Entscheidung". Nur, für Gott gibt es diese Möglichkeit einer falschen Entscheidung gar nicht.

Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich daraus, daß die hier mitgeteilte Überlegung ("hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein") gar nicht von Jesus als Gott stammen kann, sondern auf jeden Fall von Jesus als Mensch handeln muß. Gott kann nicht über etwas nachdenken, was möglicherweise falsch sein könnte. Eine solche Versuchung, das Falsche zu tun, gibt es für Gott nicht. Eine solche Überlegung kann nur von einem Menschen angestellt werden. Das aber widerspräche der trinitarischen Theorie, daß Jesus als Gott vor der Entscheidung stand, sich vom "Gott"-Status zum "Mensch"-Status zu erniedrigen.

Die Aussage "hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein" ist sicherlich nicht unbedingt einfach zu verstehen, aber sie muß und kann im Lichte der sich aus dem Kontext ergebenden Wahrheiten verstanden werden und mit ihnen in Einklang stehen. Verschiedene Übersetzungen zeigen, welcher Schwierigkeiten sich die Übersetzer bewußt waren. Die Verbform des Wortes für "Raub" hier im Griechischen bedeutet "rauben", "sich unrechtmäßig aneignen", "mit Gewalt an sich reißen"; das Substantiv bedeutet "Raub". Es wird hier im Kontext des an sich Reißens einer Position benutzt.

Der Vers teilt uns mit, daß Christus das "mit Gott gleich sein" nicht für etwas hielt, was er für sich rauben bzw. was er an sich reißen wollte. Er dachte nicht daran, sich diese Stellung des "Gott gleich sein" selbst zu verschaffen.

Interessanterweise verdrehen die Trinitarier die Bedeutung des Wortes "Raub" in dieser Aussage fast ins Gegenteil und stellen das Ganze als eine positive Sache hin. Aus "Gott gleich zu sein" machen sie zuerst einmal ein "war gleich Gott", was allerdings eine inkorrekte Übersetzung des griechischen Textes bedeutet. Der Ausdruck "Gott gleich zu sein" weist auf etwas hin, was zum Zeitpunkt der Überlegung noch zukünftig ist, und nicht, wie die Trinitarier behaupten, auf etwas, was bereits vor der angeblichen Inkarnation schon Realität war. Die Trinitarier lesen dies und verstehen dann: "Er, da er bereits in der Form und im Wesen Gottes existierte, sah es nicht als einen Raub an, daß er Gott gleich war, sondern er entäußerte sich der Herrlichkeit und Macht Gottes …" Allerdings ist das nicht, was der Vers aussagt. Solches Verständnis ergibt sich nur, wenn man bereits voreingenommen und mit der Trinität als Voraussetzung an die Aussage herangeht und dann gar Wortlaut und Syntax des griechischen Satzes einfach abändert.

Der Vers sagt einfach aus, daß Jesus nicht daran dachte, sich eine Position der Gleichheit mit Gott zu rauben, denn genau das wäre eine solche Handlung gewesen. Damit wollte Jesus Christus aber nichts zu tun haben. überhaupt handelt diese Aussage nicht davon, daß Jesus ein Wesen oder eine Natur gegen eine andere eintauschte, sondern der Kontext zeigt uns auf, daß es hier um Einstellungen, nicht um ein angeborenes Wesen oder eine innere Natur geht.

Die Verse 1-4 geben uns das Fundament und lassen erkennen, daß es um Einstellung geht, denn die Philipper werden angehalten, eine bestimmte Einstellung der Demut anzunehmen und einer den anderen höher als sich selbst zu achten. Die Philipper waren nicht so "von Natur", sondern sollten diese Einstellung annehmen, da sie an Christus gläubig geworden waren. Vers 5 bestätigt das direkt, indem es heißt: „Seid so gesinnt wie Jesus Christus auch [war]“ bzw. "Habt die Gesinnung [Einstellung], die Jesus Christus auch hatte."

Hier wird noch ein ganz wesentlicher Hinweis gegeben, daß es hier nicht um Jesu Einstellung ging, während er als Gott im Himmel residierte, sondern um die Zeit, da er als Mensch Jesus der Christus [der Messias, der Gesalbte] war. Die trinitarische Ansicht eines präexistenten Jesus als Gott, der darüber nachdachte und dann entschied, seine "Gottheit" zu verlassen, ist absolut nicht, wovon diese Verse reden. Von uns wird die Einstellung gefordert, die Jesus als der Christus hatte. Wann wurde Jesus zu dem Christus [dem Gesalbten]? Nicht in einer Präexistenz, sondern als er als Mensch etwa 30 Jahre alt war, und Gott ihn mit heiligem Geist und Kraft salbte (vgl. Apostelgeschichte 10,38). Auch dies zeigt eindeutig auf, daß dieses "nicht für einen Raub halten" eine Überlegung des Menschen Jesus Christus war, und nicht, wie Trinitarier behaupten, eine Überlegung eines präexistenten Jesus als "Gott, der Sohn". Die Philipper sollten die Gesinnung haben, die Jesus Christus hatte. Aufgrund der trinitarischen Folgerungen könnte man sich dann fragen, ob auch die Philipper dann in einer Art von Präexistenz "Gott" waren und überlegen sollten, "Mensch" zu werden … was die Absurdität der trinitarischen Auslegung bzgl. Jesus weiter verdeutlicht.

Wie kann es zu einer solchen eigentlich absurden Auslegung kommen? Durch ein auf einer Voreingenommenheit beruhendes Verständnis des Ausdrucks "der in göttlicher Gestalt war" im Zusammenwirken mit der Loslösung dieses Ausdrucks vom Kontext. Sobald der Kontext berücksichtigt wird und man vorgefaßte Meinungen beiseite legt, ergeben sich Möglichkeiten für ein schlüssiges und harmonisches Verständnis dieses Ausdrucks.

Ward den Menschen gleich …

Ein wichtiger Punkt, der bereits aus dem Zusammenhang klar wurde, daß diese Gesinnung sich auf Jesus als den Christus, also auf den Menschen Jesus, bezieht, wird noch weiter aus Vers 7 deutlich, wenn man den im griechischen Text benutzten Wortlaut zu Hilfe nimmt.

In unserer Lutherbibel laut Vers 7:

Philipper 2,7
sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.

Im griechischen Text findet sich folgende sprachliche Formulierung (vgl. Das Neue Testament, Gr.-Dt., Interlinearausgabe, Hänssler Verlag):

sondern sich entäußert hat, (die)Gestalt eines Knechts angenommen habend, in Gleichheit (der)Menschen geworden! Und an (der)äußeren Erscheinung erfunden wie ein Mensch

Die verwendeten Partizipien "geworden" und "erfunden" weisen ebenfalls darauf hin, daß Jesus Christus schon Mensch war, und es also hier bei der Überlegung nicht darum ging, "Mensch zu werden"! Jesus traf diese Entscheidung, sich zu entäußern und Knechtsgestalt anzunehmen und sich zu erniedrigen als Mensch, und die Entäußerung bzw. Erniedrigung geschah innerhalb "des Bereichs Mensch". Paulus spricht nicht davon, daß Gott sich dazu herabließ, Mensch zu werden. und sich seiner Gottheit entäußerte. Gott ist HERR, und er wird niemals irgend jemandes Knecht.

In Hebräer 2,14ff wird dargelegt, daß Jesus ein Wesen aus Fleisch und Blut war, ein Mensch. Als Gottes eingeborener Sohn war er allerdings nicht aus der Linie Adams, sondern stammte direkt von Gott ab. Er war nicht unter der Sünde, sondern ohne Sünde - worin er sich grundlegend von allen anderen Menschen unterschied. Er wurde versucht in allen Dingen gleich wie alle anderen Menschen auch und erduldete Verfolgung, aber er blieb sündlos und benötigte daher keine Erlösung.

Göttliche Gestalt … Knechtsgestalt

Wenn also "göttliche Gestalt" bzw. wie es wörtlich heißt "Gestalt Gottes" sich nicht auf eine präexistente Form Jesu als "Gott" beziehen kann, sondern sich aufgrund der im Kontext erwähnten Wahrheiten auf Jesus als Mensch bezieht, stellt sich nun die Frage, was mit "göttlicher Gestalt" gemeint sein kann und wie dieser Ausdruck richtig zu verstehen ist. Weiterhin zu beachten ist der Punkt, daß "Gestalt eines Knechtes" mit dem Begriff "Gestalt Gottes" verglichen bzw. in Kontrast gesetzt wird. Was kann also mit "Gestalt" in diesen Zusammenhängen gemeint sein?

Das Wort für "Gestalt" ist im griechischen Text das Wort morphe, es bedeutet "Gestalt, Form, äußere Erscheinung, äußeres; insbes. (a) schöne Gestalt, Schönheit, Anmut, (b) Haltung, Gebaren, (c) Qualität." (vgl. Langenscheidt, Großwörterbuch Altgriechisch-Deutsch, Menge-Güthling, 26. Aufl., 1987) Wir erkennen, daß dieses Wort Bezug nimmt auf etwas, was nach außen hin sichtbar und wahrnehmbar ist, auch wenn es dabei eigentlich um innere Werte oder charakterliche Punkte geht.

Zu "Gestalt Gottes" sollte man beachten, daß es sich hierbei garantiert nicht um eine buchstäbliche äußerliche Gestalt oder Form handeln kann, da Gott als Geist ja keine solche Form oder Gestalt hat. Auch wird klar, daß die korrespondierende "Gestalt eines Knechts" sich nicht auf eine solch äußerliche Form oder Gestalt beziehen kann, denn ein Knecht hat keine andere äußerliche Gestalt als etwa sein Herr … beide haben einen menschlichen Körper, der ihnen eine menschliche Gestalt gibt. Daraus wird nun klar, daß "Gestalt" hier die im Kontext als Hauptsache angesprochene Einstellung, Gesinnung, ist. "Gestalt" ist das äußerliche "Gebaren", die "Haltung" bzw. "Qualität", die in den Worten und Werken einer Person zum Ausdruck kommt. Diese Gesinnung bzw. Gestalt wird durch die zwei Begriffe "Gott" und "Knecht" näher bestimmt und charakterisiert.

Jesus, als der von Gott Gesalbte, als der Christus, lebte stetig nach Gottes Willen und hatte eine Einstellung, die von Gottes Vorgaben, von Gottes Anweisungen, von Gottes Wort und Willen geprägt und bestimmt waren. Der Mensch Christus Jesus war in Gottes Gestalt bzgl. seines Charakters, seiner Einstellung, wie sie dann auch in seinen Taten und Werken sichtbar wurde. Jesus bezeugte z.B. genau diese Tatsache in ganz betonter Weise gegenüber Philippus, als dieser darum bat, daß Jesus ihnen doch den Vater (Gott) "zeigen" möge, und Jesus entgegnete: "Wer mich sieht, der sieht den Vater" (vgl. Johannes 14,9). Jesus sagte damit nicht, daß er der Vater war und Philippus und die andern Jünger den allmächtigen Gott vor sich stehen sahen - nein. Er wies vielmehr darauf hin, daß seine Worte, sein Verhalten, seine Liebe, seine Barmherzigkeit, seine Geduld, seine Werke, seine Lehre usw. nicht seine eigenen waren, sondern er darin Gottes "Gestalt" angenommen hatte. Genau darauf bezieht sich auch die Aussage hier in Philipper 2,6.

Jesus selbst war ganz und gar Mensch. Im Gegensatz zu allen anderen Menschen war er jedoch ohne Sünde, und lebte auch, ohne zu sündigen, und wandelte in allem Gott wohlgefällig, hielt allen Versuchungen zum Bösen stand und erwarb sich so den Namen, der über allen Namen ist, und verdiente sich sein Erbe. Weil er sündenfrei war, hatte er Anspruch auf ewiges Leben, konnte etwa sagen, er habe die Macht, sein Leben zu lassen und es auch wiederzunehmen (vgl. Johannes 10,17.18).

Nun heißt es dann in Philipper 2,6, daß der Christus, der in "Gestalt Gottes" war, sich seiner selbst entäußerte und "Gestalt eines Knechts" annahm. Jesu Einstellung in "Gestalt Gottes" bedeutete, daß er im Hinblick auf seine Person alles erfüllte, um sein Erbe anzutreten, usw. Er bedurfte keiner Erlösung, er war und lebte ohne Sünde. Christus nahm nun "Gestalt eines Knechtes" an, um für andere etwas zu erreichen. Er machte sich selbst der Menschen Knecht, stellte sich in den Dienst der anderen, und nahm so nicht seinen rechtmäßigen Platz als Erben ohne uns ein, sondern achtete zunächst andere höher als sich selbst, und stellte sich als Knecht in deren Dienst. Ist das nicht genau, wovon die ersten Verse handelten, die diesem Abschnitt über Christus vorausgehen?

Worin bestand die "Gestalt eines Knechtes" im Hinblick auf Jesus? In seiner Gesinnung, seiner Einstellung, indem er sich selbst (obwohl aufgrund seiner eigenen Leistungen durchaus dazu berechtigt!) nicht über die anderen stellte und ohne sie auf das ihm eigene sah, sondern vielmehr deren Anliegen über das eigene stellte und deren Erlösung und Versöhnung mit Gott zu seiner Aufgabe machte. Erneut sehen wir deutlich, wie "Gestalt" sich auf die Einstellung, Gesinnung, das Gebaren bzw. seine innere Haltung zu diesen Anliegen, bezieht. Jesus machte sich in seiner Gesinnung zum Knecht der anderen Menschen, und stellte sich in deren Dienst.

Erniedrigung und Erhöhung

Die weiteren Angaben in Philipper 2 zeigen auf, wie Christus in "Gestalt eines Knechts" war, und was sich durch seine Entscheidung ergab.

Philipper 2,8-11
Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist,
daß in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,
und alle Zungen bekennen sollen, daß Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Zuerst bedeutete dieser Gesinnungswandel bzw. diese Gestaltsveränderung eine Erniedrigung, und zwar eine selbst auferlegte und selbst herbeigeführte Erniedrigung. Gehorsam ist das große Stichwort, und dieser Gehorsam im Falle Christi war ein Gehorsam hin zum Tode, sein Leben zu lassen. Aber nicht nur zu einem "gewöhnlichen" Tode, nein - vielmehr zu einem besonderen und schmachvollen Tode, zum Tod am Holz (Kreuz). Christus nahm als Knecht auf sich, das Sündopfer für alle Menschen zu werden, welches Gott in seiner Vorsehung bereitet hatte zur Erlösung des Menschen (vgl. 2. Korinther 5,21). Er erduldete es, zum Fluch zu werden, um so für alle den Fluch des Gesetzes auf sich zu nehmen (vgl. Galater 3,10).

Aber, "Gestalt eines Knechts" anzunehmen und sich in den Dienst der Menschen zu stellen, endete nicht am Kreuz und im Tode. Der Selbsterniedrigung folgte Gottes Erhöhung über alle Maße und alle Namen. Ja, aufgrund seiner Abstammung von Gott als Gottes eingeborener Sohn und seines sündlosen Lebens hätte er auch in "Gestalt Gottes" ohne Entäußerung und Annahme von "Gestalt eines Knechtes" leben können, ihm hätte auch weiterhin das ihm eigene zugestanden. Aber nun, nachdem er sich zum Knecht aller gemacht hatte und für sie am Kreuze sein Leben gegeben hatte, wurde er in noch weit größerem Maße erhöht über alle Namen, und erhielt von Gott höchste Ehre. Christus hatte sich als Knecht hinter bzw. unter alle Menschen gestellt, nun gab Gott ihm die Stellung, die ihn vor bzw. über alle Herr sein läßt.

Christus und Adam

Obwohl in diesem Abschnitt Adam, der erste Mensch, nicht erwähnt wird, so schwingen hier in gewisser Weise in dem Gesagten doch noch einige sehr bedeutsame Wahrheiten mit, die Jesus Christus und seine Gesinnung als "in Gestalt Gottes" mit dem ersten Menschen, Adam, und dessen Gesinnung "in Gestalt Gottes" miteinander vergleichen.

Man könnte in der Tat diesen Abschnitt aus Philipper 2 einmal mit diesem Gegensatz im Sinn lesen und wie folgt verdeutlichen:

Philipper 2,5-11
Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:
Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,
[also, seid nicht so gesinnt wie Adam, unser erster Vater, der zwar im Ebenbild Gottes geschaffen war (vgl. 1. Mose 1,26), aber schon bald eigenmächtig danach griff, Gott gleich sein zu wollen]
sondern [imitiert Christus, dieser] entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
[und nicht wie Adam, der, da ihm Herrschaft über Gottes Schöpfung gegeben worden war, voll Stolz und Hochmut sich die Gestalt von Herr gab, der sich nicht Gottes Gebot unterordnen wollte]
Er [Jesus] erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
[und nicht wie Adam, der trotz Gottes Warnung, wegen Ungehorsams sterben zu müssen, willentlich ungehorsam wurde und die Konsequenzen nicht wahrhaben wollte (und sich vor Gott zu verbergen suchte), bis er aus dem Garten verbannt wurde.]
Darum [wegen des Gehorsams bis hin zum Tode] hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist,
[und nicht wie Adam, dessen Name für immer wegen seines Stolzes und Ungehorsams mit der Ursache von Leid, Trauer, Fluch und Tod aller seiner Nachkommen verbunden ist]
daß in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,
und alle Zungen bekennen sollen, daß Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Man kann relativ leicht die Parallelen und auch den Unterschied erkennen. Jesus existierte auch als der eingeborene Sohn Gottes in der Gestalt Gottes. Als er erkannte, daß er der Erbe Gottes und der Christus ist, und daß Gott ihm als Gottes Gesalbten die Aufgabe der Erlösung der Menschheit durch seinen Sühnetod zugedacht hatte, da entschied er sich dazu, dem Vater zu gehorchen und selbst "Gestalt eines Knechts" anzunehmen und in Gehorsam gegenüber Gott für uns am Kreuz zu sterben. Jesus war Gottes Erbe auch ohne seinen Tod und die nachfolgende Erlösung der Menschen. Aber Jesus verzichtete darauf, sein Erbe einfach ohne uns zu ergreifen, und statt dessen erniedrigte er sich, um als Knecht uns zu dienen. Durch seinen Gehorsam bis zum Tode wurde allen Menschen die Tür zum ewigen Leben aufgetan. Adam handelte genau entgegengesetzt. Ihm erschien es möglich, Gott gleich zu werden, und schon griff er danach, indem er seine Freiheit der Entscheidung nutzte … und so Sünde und Tod in die Welt kamen und über die Menschen herrschten.

Zusammenfassung

Dieser großartige Abschnitt in Philipper 2,5-11 verherrlicht in vielerlei Hinsicht Jesus Christus, und stellt seine Gesinnung den Gläubigen in der Gemeinde als Beispiel vor Augen. Christus ist das erste und wichtigste Beispiel dafür, wie wir als Gläubige gesinnt sein sollen.

Der Abschnitt handelt in keinerlei Weise von einem präexistenten Jesus als Gott im trinitarischen Sinne. Die Verse widerlegen vielmehr jegliche trinitarische Tendenz, sobald man sie so liest und versteht, wie sie im Zusammenhang dieses Kapitels stehen. Jesus wird nicht als präexistenter Gott geschildert, Gott wird nicht zu einem Menschen erniedrigt -- all diese Dinge sind den Aussagen des Apostels Paulus hier völlig fremd.

Paulus ermahnt und ermutigt die Gläubigen der Gemeinde zu Philippi zu einer von Demut geprägten Gesinnung, die von den eigenen Anliegen weg auf die Anliegen des andern sieht. Er fordert von den Gläubigen, daß einer den anderen höher achte als sich selbst, und daß jeder nicht nur auf das Seine sieht, sondern auf das, was dem andern dient. Nun, welch größeres und bedeutenderes Beispiel könnte er anführen als das Beispiel unseres Herrn und Heilands Jesus Christus? Sein Beispiel ist das größte und bedeutende in jeder Hinsicht, und uns obliegt es, diesem Gesinnungsbeispiel und der hier geschilderten Einstellung unseres Herrn zu folgen.

 

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