Die Vertreter der Trinitätslehre benutzen sehr oft eine Stelle in Johannes 8,58 als Beweis dafür, dass Jesus behauptet habe, er sei Gott. In der Stelle geht es um eine Diskussion zwischen Jesus und den jüdischen religiösen Führern in welcher Jesus darlegt, dass er der Sohn Abrahams und somit der verheißene Messias ist.

Johannes 8,58
Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ehe Abraham wurde, bin ich.

Jesu Worte "bin ich" sind im griechischen Text die Wörter ἐγὼ εἰμί, und bedeuten übersetzt "ich bin". Diese Worte werden dann so interpretiert, als handele es sich bei diesem "Ich bin" um Gottes Namen. Dann wird weiter behauptet, Jesus habe mit diesen Worten verkündet, der Gott Israels zu sein, da Gott sich ja im AT, als er Mose im brennenden Dornbusch erschien, als der "Ich bin" zu erkennen gab und dieses "Ich bin" als seinen Namen offenbarte.

Wenn man nun die besagte Stelle im AT anschaut, ergibt sich etwas ganz anderes: Die von Trinitariern vorgebrachte Behauptung ist schlichtweg bzgl. der Fakten falsch!

2. Mose 3,14
Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt.

Bereits aus der Luther 1984 Fassung des Verses ist ersichtlich, dass das "bin ich" in Johannes 8,58 möglicherweise nicht identisch ist mit dem "Ich werde sein" in 2. Mose 3,14. Ein Blick auf die Septuaginta (die griechische Übersetzung des hebräischen AT) hilft zur Klärung des Sachverhalts.

2. Mose 3,14 (LXX, DBGSeptuaginta: With morphology. (1979). (electronic ed., Ex 3:14). Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft.)
καὶ εἶπεν ὁ θεὸς πρὸς Μωυσῆν Ἐγώ εἰμι ὁ ὤν, καὶ εἶπεν Οὕτως ἐρεῖς τοῖς υἱοῖς Ισραηλ Ὁ ὢν ἀπέσταλκέν με πρὸς ὑμᾶς.

Gott verkündet Mose zunächst: "Ἐγώ εἰμι ὁ ὤν [übersetzt: "Ich bin der Seiende"]". Danach teilt Gott dem Mose mit, er solle den Israeliten sagen, er wäre von "Ὁ ὢν [übersetzt: »Ich werde sein«]" zu ihnen gesandt worden. Hier nun wird deutlich, welche Worte als Gottes Namen dienen: Es sind nicht die Wörter Ἐγώ εἰμι ("Ich bin"), sondern die Wörter Ὁ ὢν ("der Seiende").

Man erkennt unmissverständlich, dass in Gottes Aussage in 2. Mose die Wörter Ὁ ὢν [Ho wn - "der Seiende"] als Gottes Name dienen, nicht aber die Wörter Ἐγώ εἰμι [Egw eimi - "Ich bin"]!

Bei den Wörtern Ἐγώ εἰμι [egw eimi] handelt es sich schlicht und einfach um das Pronomen "ich" und das Hilfsverb "bin". Der Ausdruck "Ich bin" wird nirgendwo in der Bibel als Eigenname oder als Bezeichnung für Gott oder jemand anderen benutzt. Außerdem werden diese Wörter nicht nur von Jesus benutzt, wenn er etwas über sich selbst sagt, sondern auch von anderen Personen, wenn diese etwas über sich selbst sagen. Selbst Trinitarier würden nicht auf die Idee kommen, die Wörter "Ich bin" als Eigennamen zu verstehen, außer in der Stelle in Johannes 8,58, wo sie aus der etwas außergewöhnlichen Wortfolge und dem Kontext dann eine "Präexistenz" ableiten und das "bin ich"/"ich bin" schnell zum Namen Gottes umfunktionieren und dann behaupten, Jesus habe gesagt, er sei der Gott des AT, der sich Mose gegenüber als der "Ich bin" offenbart habe.

Eine solche Auslegung ist absolut unbegründet und falsch. Die nachfolgende Liste der Stellen, in denen diese Wörter im Johannesevangelium vorkommen, macht dies ebenfalls deutlich.

Stellen im Johannesevangelium, wo im griechischen Text ἐγὼ εἰμί [egw eimi] vorkommt und mit "ich bin" übersetzt wurde:

Es ist leicht und sicher für jeden zu erkennen, dass die Wörter ἐγὼ εἰμί [egw eimi] bei Johannes keine Bezeichnung für Gott sind. Die Trinitarier sollten sich diese Stellen genauer anschauen, dann werden auch sie erkennen können, wie verdreht ihr Verständnis von Johannes 8,58 ist.

Weitere Einzelheiten zu der Aussage Jesu "Ehe Abraham wurde, bin ich" finden sich in einer Studie zu Johannes 8,58.

 

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