von
Wolfgang Schneider
Im Hebräer 7 werden einige Informationen über Melchisedek erwähnt, die in trinitarisch orientierten christlichen Kreisen dazu geführt haben, dass man dort offiziell lehrt, dieser Melchisedek sei Jesus in einer früheren präexistenten Gestalt gewesen.
Heb 7,3 (Lu 84)
Er ist ohne Vater, ohne Mutter, ohne Stammbaum, und hat weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens. So gleicht er dem Sohn Gottes und bleibt Priester in Ewigkeit.
Hier gibt der unmittelbare Kontext den Schlüssel zu einem rechten Verständnis der gemachten Aussagen. Es geht um die PRIESTERSCHAFT Jesu, welche mit der PRIESTERSCHAFT Melchisedeks verglichen wird.
Im AT waren der Hohepriester und die Priester an der Stiftshütte und am Tempel laut Gottes Anweisung aus dem Stamm Levi, und um Priester zu sein, mussten sie entsprechend ihre Abstammung "Vater und Mutter" anhand der geführten Geschlechtsregister nachweisen. Dies waren die Priester nach der Ordnung Levi (levitische Priesterschaft). Dies waren aber im Laufe der Menschheitsgeschichte nicht die einzigen Priester, sondern - und darauf weist der Abschnitt in Heb 7 hin - bereits davor gab es einen allseits aus der Schrift bekannten königlichen Priester des Allerhöchsten schon zu Zeiten Abrahams, Melchisedek, der "ohne Vater und Mutter" (d.h. ohne auf Abstammung beruhender Priesterschaft !!) Priester war und dessen Priesterschaft für immer anerkannt blieb und bleibt.
Jesus nun war ebenfalls nicht aus dem Stamme Levi, sondern aus dem Stamm Juda (nach dem Fleisch der Sohn Davids) und von daher auch königlicher Priester "ohne Vater und Mutter priesterlichen Geschlechts", weshalb er hier als Priester "nach der Ordnung des Melchisedek" (und eben nicht als Hoherpriester der levitischen Priesterordnung) bezeichnet wird.
Trinitarisch gefärbte Theologie zäumt dieses Pferd sozusagen von hinten auf, und macht dann aus Melchisedek im AT eine dubiose Gestalt, die zwar dort als ein Mensch geschildert wird, aber von der nicht viel bekannt ist, der angeblich nicht einmal einen Vater noch eine Mutter hatte, und der daher vielleicht der ewige Sohn Gottes (Jesus) in einer Art "Gotteserscheinung" gewesen sei .... eine völlig verdrehte mystisch geheimnisvolle Interpretation, die mit der eigentlich einfachen und klaren Aussage des biblischen Textes nichts mehr zu tun hat.