Einleitung

In einem Austausch über die Trinitätslehre in einem Forum kam einmal mehr das Thema "Anbetung gebührt nur Gott" zur Sprache, wobei die Vertreter der Trinitätslehre dann diese Aussage als Beweis dafür anführten, dass Jesus definitiv Gott sein muss, weil er ja angebetet wurde und eine solche Anbetung auch nicht ablehnte. Auf den ersten Blick erscheint eine solche Argumentation vielleicht noch schlüssig, bei genauerer Betrachtung aber wird schnell das Problem mit diesem Argument offensichtlich.

"Anbetung" / "anbeten"

Ja, wenn wir gewöhnlich im Deutschen von "Anbetung" sprechen, so meinen wir damit "als Gott anbeten", "als Gott verehren". Der Begriff "Anbetung / anbeten" bezieht sich in einem religiösen Kontext eigentlich immer auf Handlungen, die an Gott gerichtet sind und nur dem wahren Gott zustehen. Einen anderen als den wahren Gott "anbeten" ist gleichbedeutend mit "Götzendienst". Auf dieser Grundlage argumentieren nun Vertreter der Trinitätslehre, dass Jesus "wahrer Gott" sein muss, da er laut Berichten in den Evangelien "angebetet" wurde. Man sollte aber etwas sorgfältiger sein, wenn man eine solche Behauptung aufstellt. Denn diese bisherigen Ausführungen beziehen verschiedene wichtige Punkte nicht in die Überlegungen mit ein.

Zum einen müssen wir beachten, dass im Deutschen das Wort "anbeten" nicht zwingend nur im Sinne von "als Gott anbeten" benutzt wird, sondern es sehr wohl auch in anderen Zusammenhängen vorkommt und dabei keineswegs auch nur das geringste mit "Götzendienst" zu tun hat. Im Hinblick auf Paare wird manchmal davon geredet, dass eine Frau ihren Mann "anbetet", oder vielleicht meist umgekehrt der Mann seine Frau "anbetet". In solchem Kontext kommt eigentlich niemand auf den Gedanken, dass dabei die Frau oder der Mann "Götzendienst" betreiben, weil sie ja "einen Menschen anbeten". Es ist völlig klar, dass weder die Frau ihren Mann, noch der Mann seine Frau, "ALS GOTT anbetet", sondern vielmehr das Wort "anbeten" in einem übertragenen Sinne benutzt wird und eine solche "Anbetung" eines Menschen absolut nichts mit einer "Anbetung als Gott" zu tun hat.

Eine weitere wichtige Sache ergibt sich fast aus dem gerade Gesagten. Für diese Art von "Anbetung" - eine Anbetung NICHT als Gott - werden oft auch andere Begriffe als Synonyme benutzt, um gar nicht erst das von vielen vielleicht leicht falsch zu verstehende Wort "anbeten / Anbetung" zu verwenden. Begriffe wie "Huldigung / huldigen" werden benutzt, um in solchen Zusammenhängen genau das Gleiche auszudrücken wie "Anbetung / anbeten", ohne dabei aber ein Missverständnis zu verursachen.

προσκυνέω - proskunew

Nachdem wir bereits festgestellt haben, dass im Deutschen die Wörter "Anbetung / anbeten" keineswegs ausschließlich für "als Gott anbeten" benutzt werden, stellt sich nun bei der Betrachtung des Themas die Frage, wie es sich mit dem im griechischen Text benutzten Wort verhält. In den Evangelien wird in den Berichten, die darüber berichten, dass Menschen Jesus "anbeteten" das Wort προσκυνέω benutzt. Das Wort προσκυνέω hat die Bedeutung von "niederknien, sich niederwerfen, anbeten, verehren" (vgl. Kassühlke, R., & Newman, B. M. (1997). Kleines Wörterbuch zum Neuen Testament: Griechisch-Deutsch (p. 163). Deutsche Bibelgesellschaft.). Wie man leicht erkennen kann, kann auch das griechische Wort sehr wohl in unterschiedlichem Kontexten mit leicht abweichenden Bedeutungen benutzt werden. Zudem können offensichtlich dann entsprechende Synonyme bei der Übersetzung aus dem Griechischen ins Deutsche benutzt werden.

Die Weisen aus dem Morgenland

Wir wollen nun eine oft benutzte Stellen aus den Evangelien genauer betrachten, in der dieses Wort vorkommt und die davon handelt, dass Jesus "angebetet" wurde.

Matthäus 2,11 (Luther 1984)
und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Matthäus 2,11 (Elberfelder Bibel)
Und als sie in das Haus gekommen waren, sahen sie das Kind mit Maria, seiner Mutter, und sie fielen nieder und huldigten ihm; und sie öffneten ihre Schätze und opferten ihm Gaben: Gold und Weihrauch und Myrrhe.

Matthäus 2,11 (Zürcher 1931)
und gingen in das Haus hinein und sahen das Kindlein mit Maria, seiner Mutter. Und sie warfen sich nieder, huldigten ihm, taten ihre Schätze auf und brachten ihm Gaben dar, Gold und Weihrauch und Myrrhe.

Diese Stelle handelt von den Weisen aus dem Morgenland, die einige Zeit nach der Geburt Jesu nach Bethlehem kamen und dort dann "das Kind anbeteten" bzw. "dem Kind huldigten." Die Luther 1984 Bibel, wie viele andere Übersetzungen auch, übersetzt das griechische Wort προσκυνέω mit "anbeten"; die Elberfelder Bibel und die Zürcher Bibel 1931 übersetzen dagegen dieses Wort mit "huldigen". Welche Übersetzung ist aber nun korrekt? Eigentlich sind beide Übersetzungen rein sprachlich korrekt, denn das griechische Wort kann mit beiden deutschen Begriffen übersetzt werden, und es ist jeweils der Kontext, der bestimmt, was mit προσκυνέω gemeint ist. Dann stellt sich Frage, ob möglicherweise eine von beiden Übersetzungen leichter verständlich -- oder anders gesagt: weniger missverständlich -- ist.

Trinitarier argumentieren nun, dass die Tatsache, dass bereits die Weisen aus dem Morgenland Jesus "anbeteten" darauf hindeutet, dass sie in ihm "den Mensch gewordenen Gott" erkannten und ihn daher "als Gott anbeteten". Ist das aber, was in dem biblischen Bericht wirklich gesagt wird, oder ist dies lediglich eine in den Text hinein interpretierte Annahme, um ein bestimmtes vorgefasstes Verständnis von προσκυνέω zu "stützen"?

Die klare Antwort findet sich im Kontext in Matthäus 2.

Matthäus 2,2 (Luther 1984)
Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.

Matthäus 2,2 (Elberfelder Bibel)
Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist? Denn wir haben seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, ihm zu huldigen.

Die Aussage der Weisen ist eindeutig: Das Ziel ihrer langen und mühsamen Reise war der "KÖNIG der Juden"! Sie hatten diese Anstrengungen auf sich genommen, um einem KÖNIG zu huldigen, einem KÖNIG Ehre zu erweisen, einen KÖNIG anzubeten! Absolut NICHTS in ihren Worten deutet auf das hin, was die Trinitarier ihnen unterstellen ("dass sie den Mensch gewordenen Gott anbeten wollten")! Der Kontext macht deutlich, dass es sich bei dieser "Anbetung / Huldigung" Jesu durch die Weisen NICHT um eine "Anbetung als Gott" handelt, sondern um eine Ehrerbietung, eine Huldigung, welche die Weisen Jesus als dem KÖNIG der Juden erwiesen.

Wenn man aus dem Kontext korrekt versteht, worum es hier bei dieser "Anbetung / Huldigung" geht, ergibt sich, dass möglicherweise die Übersetzung mit "huldigen" weniger missverständlich ist. Aber auch die Übersetzung mit "anbeten" ist an sich nicht inkorrekt; allerdings führt sie leider oft dazu, dass der Begriff "anbeten" aufgrund eines falschen Verständnisses mit der in diesem Kontext falschen Bedeutung von "als Gott anbeten" belegt wird.

Zusammenfassung

Wenn wir die Sachlage in den biblischen Texten genau beachten und korrekt verstehen, ergibt sich, dass das benutzte griechische Wort προσκυνέω an und für sich die erwähnten unterschiedlichen Bedeutungen haben kann und dass der jeweilige Kontext bestimmt, welche Bedeutung die korrekte ist. Eine "Anbetung als Gott" gebührt gemäß der biblischen Berichte in der Tat nur dem wahren Gott. Allerdings ist "Anbetung als Gott" NICHT der einzige Kontext, in dem der Begriff "anbeten" vorkommt; vielmehr zeigen biblische Berichte auf, dass eine "Anbetung" auch Menschen zuteil werden kann, ohne dass dies dann biblisch betrachtet "Götzendienst" ist.

Das erwähnte Beispiel von Jesus und den Weisen aus dem Morgenland zeigt klar und deutlich, dass das Kind (also der Mensch) Jesus "angebetet" wurde, und dass es sich hierbei um eine "Anbetung ALS KÖNIG" -- und NICHT um eine "Anbetung als Gott" -- handelte! Dass Jesus von den Weisen "angebetet" wurde, bedeutet in keiner Weise, dass Jesus "Gott" ist! Es ist gut möglich, dass Leute nicht auf die Idee kommen würden, Jesus wäre "als Gott angebetet" worden, wenn die Übersetzer statt des Wortes "anbeten" das griechische Wort προσκυνέω mit "huldigen" oder "Ehre erweisen" übersetzt hätten.

Bei allen anderen Stellen in den Evangelien, in denen erwähnt wird, dass Menschen Jesus "anbeteten", verhält es sich auch so, dass in keiner Stelle Jesus "als Gott angebetet" wird. Vielmehr ergibt sich aus dem jeweiligen Kontext, dass die Leute Jesus jeweils als jemanden erachteten, der eine höhere Stellung als sie selbst hatte, und sie ihm deshalb "huldigten", "Ehrerbietung erwiesen", ihn "anbeteten".

 

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