von
Wolfgang Schneider
Nach den ersten sechs Posaunen folgt zunächst ein Einschub mit Trost und beruhigenden Informationen für die treuen Gläubigen.
Offenbarung 10,1-7
1 Und ich sah einen andern starken Engel vom Himmel herabkommen, mit einer Wolke bekleidet, und der Regenbogen auf seinem Haupt und sein Antlitz wie die Sonne und seine Füße wie Feuersäulen.
2 Und er hatte in seiner Hand ein Büchlein, das war aufgetan. Und er setzte seinen rechten Fuß auf das Meer und den linken auf die Erde,
3 und er schrie mit großer Stimme, wie ein Löwe brüllt. Und als er schrie, erhoben die sieben Donner ihre Stimmen.
4 Und als die sieben Donner geredet hatten, wollte ich es aufschreiben. Da hörte ich eine Stimme vom Himmel sagen: Versiegle, was die sieben Donner geredet haben, und schreib es nicht auf!
5 Und der Engel, den ich stehen sah auf dem Meer und auf der Erde, hob seine rechte Hand auf zum Himmel
6 und schwor bei dem, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, der den Himmel geschaffen hat und was darin ist und die Erde und was darin ist und das Meer und was darin ist: Es soll hinfort keine Zeit mehr sein,
7 sondern in den Tagen, wenn der siebente Engel seine Stimme erheben und seine Posaune blasen wird, dann ist vollendet das Geheimnis Gottes, wie er es verkündigt hat seinen Knechten, den Propheten.
Die Beschreibung des starken Boten ruft Gotteserscheinungen (Theophanien) aus AT Berichten ins Gedächtnis: Mit Verhüllung ("Wolke bekleidet"), mit königlicher Krone bzw. Diadem ("Regenbogen auf dem Haupt"), Herrlichkeit ausstrahlend ("Antlitz wie Sonne"), mit Macht zu zerstören ("Füße wie Feuersäulen"). Dabei weisen Wolke und Feuersäule die getreuen Gläubigen darauf hin, wie Gott seinerzeit Israel unter seinem Schutz und seiner Führung durch die Wüste geleitete. Die Symbole hier versichern die Gläubigen aus den Juden, dass nicht alle umkommen werden, sondern erinnern sie an Gottes Führung.
Gottes Stimme ist wie Donner (vgl. Jer 25,30ff), und hier sind es "sieben Donner", was die Gewaltigkeit von Gottes Vorhaben betont. Johannes wird aber abgehalten, das aufzuschreiben, was die Donnerstimme verkündet hatte, weil die Zeit für diese Dinge noch nicht gekommen war und Details nicht vorab offengelegt werden sollten.
Die Zeit für den Höhepunkt und das Ende des Gerichts stand nahe bevor, so nahe, dass "hinfort keine Zeit mehr sein" würde. Der Schwur besiegelt die Unabwendbarkeit, und versichert Johannes und die Empfänger, dass mit dem Geschehen während der siebten Posaune Gottes geheimer Ratschluss und das, was er den Propheten verkündet hatte, vollendet sein würde.
Offenbarung 10,8-10
8 Und die Stimme, die ich vom Himmel gehört hatte, redete abermals mit mir und sprach: Geh hin, nimm das offene Büchlein aus der Hand des Engels, der auf dem Meer und auf der Erde steht!
9 Und ich ging hin zu dem Engel und bat ihn, mir das Büchlein zu geben. Und er sprach zu mir: Nimm und verschling’s! Und es wird dir bitter im Magen sein, aber in deinem Mund wird’s süß sein wie Honig.
10 Und ich nahm das Büchlein aus der Hand des Engels und verschlang es. Und es war süß in meinem Mund wie Honig, und als ich’s gegessen hatte, war es mir bitter im Magen.
Die kleine Schriftrolle mit dem, was gerade verkündet worden war bzgl. der Zerstörung Jerusalems und des judaistischen Priestertums, enthielt eine bittersüße Botschaft. Einerseits war es eine "süße" Botschaft, dass die Feinde der Gläubigen vernichtet würden, andererseits war die Botschaft, dass Gläubige leiden würden, sehr "bitter".
Offenbarung 10,11 - 11,14
11 Und mir wurde gesagt: Du musst abermals weissagen von Völkern und Nationen und Sprachen und vielen Königen.
1 Und es wurde mir ein Rohr gegeben, einem Messstab gleich, und mir wurde gesagt: Steh auf und miss den Tempel Gottes und den Altar und die dort anbeten.
2 Aber den äußeren Vorhof des Tempels lass weg und miss ihn nicht, denn er ist den Heiden gegeben; und die heilige Stadt werden sie zertreten zweiundvierzig Monate lang.
3 Und ich will meine zwei Zeugen bestimmen, und sie sollen weissagen tausendzweihundertsechzig Tage lang, angetan mit Trauerkleidern.
4 Diese sind die zwei Ölbäume und die zwei Leuchter, die vor dem Herrn der Erde stehen.
5 Und wenn ihnen jemand Schaden tun will, so kommt Feuer aus ihrem Mund und verzehrt ihre Feinde; und wenn ihnen jemand Schaden tun will, muss er so getötet werden.
6 Diese haben Macht, den Himmel zu verschließen, damit es nicht regne in den Tagen ihrer Weissagung, und haben Macht über die Wasser, sie in Blut zu verwandeln und die Erde zu schlagen mit Plagen aller Art, sooft sie wollen.
7 Und wenn sie ihr Zeugnis vollendet haben, so wird das Tier, das aus dem Abgrund aufsteigt, mit ihnen kämpfen und wird sie überwinden und wird sie töten.
8 Und ihre Leichname werden liegen auf der Straße der großen Stadt, die heißt geistlich: Sodom und Ägypten, wo auch ihr Herr gekreuzigt wurde.
9 Und Menschen aus den Völkern und Stämmen und Sprachen und Nationen sehen ihre Leichname drei Tage und einen halben und lassen nicht zu, dass ihre Leichname ins Grab gelegt werden.
10 Und die auf Erden wohnen, freuen sich darüber und sind fröhlich und werden einander Geschenke senden; denn diese zwei Propheten hatten gequält, die auf Erden wohnten.
11 Und nach drei Tagen und einem halben fuhr in sie der Geist des Lebens von Gott, und sie stellten sich auf ihre Füße; und eine große Furcht fiel auf die, die sie sahen.
12 Und sie hörten eine große Stimme vom Himmel zu ihnen sagen: Steigt herauf! Und sie stiegen auf in den Himmel in einer Wolke, und es sahen sie ihre Feinde.
13 Und zu derselben Stunde geschah ein großes Erdbeben, und der zehnte Teil der Stadt stürzte ein; und es wurden getötet in dem Erdbeben siebentausend Menschen, deren Namen bekannt waren. Und die andern erschraken und gaben dem Gott des Himmels die Ehre.
14 Das zweite Wehe ist vorüber; siehe, das dritte Wehe kommt schnell.
Zunächst erfahren wir, dass Johannes "abermals weissagen" sollte, diesmal aber nicht nur über Jerusalem, sondern über Juden im größeren Raum des Römischen Reiches, angedeutet durch den Hinweis auf "Völker und Nationen und Sprachen und viele Herrscher".
Danach werden "Tempel Gottes und Altar" gemessen und gewissermaßen von denen außerhalb im Vorhof getrennt. Dieses Bild zeigt die treuen Jünger, die Jesus als Messias angenommen hatten und seiner Lehre folgten, im Innern von Gottes Tempel; die abtrünnigen Anhänger der judaistischen Priesterschaft sind im äußeren Vorhof, der von heidnischen zerstört werden wird im Laufe der Zeit der Belagerung (42 Monate, erinnert an Dan7 und Zeit der Verfolgung).
Während jener Zeit würden zwei Zeugen in Erscheinung treten, und hier wird ein Hinweis auf zwei Ölbäume erwähnt, die jeweils prominente Männer Gottes repräsentierten (vgl. Sach 4, 3-14). In Sacharja sind dies Josua (bedeutsam in der Entwicklung Israels bei der Besiedlung des Landes) und Serubbabel (bedeutsam während der Zeit, als Sacharja weissagte). Hier nun wird der Vergleich gemacht zu Elia (hatte Macht, den Regen zu verhindern) und Mose (hatte Macht, Plagen über Ägypten zu bringen). Wer aber sind nun hier in dieser Zeit die beiden Zeugen? Wer war von Bedeutung im 1. Jhdt. n.Chr. während dieser Jahrzehnte für die Botschaft des Messias Jesus?
Eine Schlüsselaussage erwähnt dann zum ersten Mal in diesem Buch ein Tier, das "aus dem Abgrund aufsteigt", und das wohl identisch ist mit dem später erwähnten Tier "aus dem Meer" (vgl. Offb 13). Dieses wilde Tier symbolisiert Rom, das Römische Reich, was später noch offensichtlicher wird. Zwei prominente Personen in der frühen Gemeinde, die beide in Rom hingerichtet wurden, waren Petrus und Paulus. Obwohl in Rom getötet, weist die Vision hier darauf hin, dass die Mächte dahinter die religiösen Führer in Jerusalem waren, wo deren Leichname "auf der Straße lagen". Der Hinweis auf "Sodom und Ägypten, wo auch ihr Herr gekreuzigt wurde" lässt keinen Zweifel, dass dies Jerusalem war, und "Sodom" und "Ägypten" bezeichnen hier das abgefallene und dem Götzendienst ergebene religiöse judaistische System in Jerusalem. Die jüdischen Führer und Rom waren beide hoch erfreut über deren Tod.
Allerdings sagt die Vision hier voraus, dass "in sie Geist des Lebens von Gott" fahren würde, und sie nach kurzer Zeit lebendig würden (man sieht ein wenig das Bild der Gebeine in Hes 37). Dann wird erwähnt, dass sie in einer Wolke vor den Blicken zu Gott weggenommen würden (erinnert an Elia in 2Kö 2,11). Was wird hier symbolisch beschrieben? Es geht bei den Zeugen nicht um buchstäbliche Personen, sondern vielmehr um ihre Botschaft, ihre Verkündigung. Die wurde durch den Tod der beiden Zeugen kurz gestoppt, dann aber verbreitete sich ihre Botschaft noch umso mehr in der Folge an viele Völker im gesamten Reich.
Nun waren das erste und das zweite Wehe vorbei und das dritte Wehe stand an, in dem es um den Sturz des judaistischen Priestertums und Religion geht, das gegen Gottes Wahrheit und seinen Messias rebellierte.
Offenbarung 11,15-18
15 Und der siebente Engel blies seine Posaune; und es erhoben sich große Stimmen im Himmel, die sprachen: Nun gehört die Herrschaft über die Welt unserm Herrn und seinem Christus, und er wird regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.
16 Und die vierundzwanzig Ältesten, die vor Gott auf ihren Thronen saßen, fielen nieder auf ihr Angesicht und beteten Gott an
17 und sprachen: Wir danken dir, Herr, allmächtiger Gott, der du bist und der du warst, dass du deine große Macht an dich genommen und die Herrschaft ergriffen hast!
18 Und die Völker sind zornig geworden; und es ist gekommen dein Zorn und die Zeit, die Toten zu richten und den Lohn zu geben deinen Knechten, den Propheten und den Heiligen und denen, die deinen Namen fürchten – die Kleinen und die Großen –, und zu vernichten, die die Erde vernichten.
In der Folge des Sturzes und der Zerstörung des Tempels und des damit verbundenen religiösen Systems wuchs die Gemeinde Gottes und breitete sich aus. So wurde die Herrschaft Gottes zur Herrschaft Jesu Christi, unseres Herrn. Diese geistliche Herrschaft bleibt in Ewigkeit.
Die 24 Ältesten aus der früheren Vision werden erneut erwähnt, und auch hier loben und preisen sie Gott, allerdings nun nicht mehr als "der da kommt", denn im historischen Ablauf des mitgeteilten Geschehens, war er ja nun "gekommen". Die Ältesten danken für das, was in den nächsten Teilen des Buches inhaltlich noch weiter dargelegt wird, was von einem chronologischen Standpunkt betrachtet, eigentlich ans Ende des Buchs der Offenbarung stehen könnte.