von
Wolfgang Schneider
Für viele Christen ist der Ausdruck "Zweites Kommen Christi" bzw "Rückkehr Christi" oder "Wiederkunft Christi" ein bekannter Begriff. Allerdings wissen die wenigsten von ihnen, daß diese Ausdrücke so in der Bibel gar nicht vorkommen. In der Bibel wird der Begriff "zweites Kommen Christi" gar nicht benutzt. Das dürfte sicherlich manchen Leser überraschen. Allerdings brauchen wir nicht völlig überrascht zu sein, denn von solcher Art von Überraschungen, daß weitverbreitete und scheinbar etablierte Lehren als biblisch fundiert hingestellt werden und sich dann bei näherem Hinsehen lediglich als Ideen und Lehren von Menschen erweisen, gibt es einige.
In der Bibel kommen u.a. folgende Ausdrücke vor, die dann als "Christi Wiederkunft" und "Christi zweites Kommen" hingestellt werden.
Diese und einige weitere ähnliche Begriffe beschreiben das gleiche Ereignis. Die neutestamentlichen Schriften geben uns Informationen, um verstehen zu können, was bei diesem Ereignis geschehen sollte und um welches Ereignis es sich demnach handelte.
Um ein rechtes Verständnis dieser Sache zu erlangen, müssen wir wachsam und nüchtern die Berichte in der Schrift lesen und uns bemühen, die Schrift aus der Perspektive des Schreibers und seiner ursprünglichen Leserschaft zu verstehen, anstatt die Berichte zu lesen aus der Perspektive von Lesern, die 2000 Jahre später leben und verschiedene ihnen vertraute theologische Positionen als Grundlage zur weiteren Beurteilung der Schriftstellen heranziehen.
Es ist sicher unbestritten, daß die Christen in der frühen Gemeinde im 1. Jhdt n.Chr. verstanden, was mit diesen Ausdrücken gemeint war, denn immerhin waren ihnen diese Ausdrücke teilweise auch aus dem Alten Testament bereits vertraut. Die Art der für die Beschreibung dieses Ereignisses benutzten Sprache war den Lesern aus dem Alten Testament bekannt, wo ähnliche Ausdrücke benutzt wurden, wenn Gottes Gericht über bestimmte Nationen oder Völker berichtet wird. Vielen Christen heute sind aber diese Beispiele aus dem Alten Testament nicht geläufig und den heutigen Gläubigen fehlt daher eine wichtige Grundlage, um die im Neuen Testament benutzten Ausdrücke und Begriffe richtig zu verstehen.
Die nachfolgenden Beispiele für ein "Kommen des Herrn" bzw einen "Tag des Herrn" aus dem Alten Testament vermitteln uns eine wichtige Wahrheit: Diese Begriffe beziehen sich immer auf ein "Gericht" des Herrn, wenn der HERR eine Stadt, ein Volk, eine Nation richtete und zerstörte.
Joel 1,15
O weh des Tages! Denn der Tag des HERRN ist nahe und kommt wie ein Verderben vom Allmächtigen.
Obadja 1,15
Denn der Tag des HERRN ist nahe über alle Heiden. Wie du getan hast, soll dir wieder geschehen,
und wie du verdient hast, so soll es auf deinen Kopf kommen.
Zefanja 2,1-3
Sammelt euch und kommt her, du Volk, das keine Scham kennt,
ehe denn ihr werdet wie Spreu, die vom Winde dahinfährt; ehe denn des HERRN grimmiger Zorn über euch kommt; ehe der Tag des Zorns des HERRN über euch kommt!
Suchet den HERRN, alle ihr Elenden im Lande, die ihr seine Rechte haltet! Suchet Gerechtigkeit, suchet Demut! Vielleicht könnt ihr euch bergen am Tage des Zorns des HERRN!
Der Tag des HERRN bezieht sich in jedem Fall auf Gericht und Strafe, die über das betroffene Volk kommen wird. Verderben und Zorn des HERRN werden über die Betroffenen kommen. Es wird aber in keiner Weise etwas davon gesagt, daß der HERR im buchstäblichen, wörtlichen Sinne zur Ausführung dieses Gerichts zur Erde "kommen" würde.
Das Alte Testament enthält weiterhin auch einige Beispiele, wo ein solcher "Tag des HERRN" bereits erfüllt wurde. Der Begriff "Tag des HERRN" bezieht sich also nicht nur auf ein einziges Ereignis vor dem Untergang des Planeten Erde, wie viele heute scheinbar meinen.
Jeremia 46,2.10
Wider Ägypten. Wider das Heer des Pharao Necho, des Königs von Ägypten, welches lagerte am Euphratstrom
bei Karkemisch und das Nebukadnezar, der König von Babel, schlug im vierten Jahr Jojakims, des Sohnes
Josias, des Königs von Juda:
...
Denn dies ist der Tag Gottes, des HERRN Zebaoth, ein Tag der Vergeltung, daß er sich an seinen Feinden
räche, wenn das Schwert fressen und von ihrem Blut voll und trunken werden wird. Denn sie müssen Gott,
dem HERRN Zebaoth, ein Schlachtopfer werden im Lande des Nordens am Euphratstrom.
Dieser hier erwähnte "Tag Gottes, des HERRN Zebaoth" wurde erfüllt, als die Ägypter unter Pharao Necho gegen die Babylonier zogen und am Euphrat eine vernichtende Niederlage erlitten (vgl. hierzu auch 2Kö 23,29). Die Vernichtung der Ägypter wurde auch vom Propheten Jesaja vorausgesagt.
Jesaja 19,1
Dies ist die Last für Ägypten: Siehe, der HERR wird auf einer schnellen Wolke fahren und über Ägypten kommen.
Da werden die Götzen Ägyptens vor ihm beben, und den Ägyptern wird das Herz feige werden in ihrem Leibe.
Hesekiel 30,3-4
Denn der Tag ist nahe, ja, des HERRN Tag ist nahe, ein finsterer Tag; die Zeit der Heiden kommt.
Und das Schwert soll über Ägypten kommen, und Kusch wird erschrecken, wenn die Erschlagenen in Ägypten
fallen und sein Reichtum weggenommen und seine Grundfesten eingerissen werden.
Hier lesen wir im Zusammenhang mit Gottes Gericht über Ägypten davon, daß der HERR "auf einer schnellen Wolke fahren" wird. Diese Begriffe haben nichts mit "in den Wolken kommen", "auf den Wolken fahren" in einem buchstäblichen Sinne zu tun. Es sind Redefiguren, die beschreiben, daß Gott, der HERR, beteiligt ist und sein Gericht schnell über die Ägypter kam. Diese Zerstörung Ägyptens geschah dann ca. 480 v.Chr. durch feindliche Armeen.
Auch Babylon erlebte einen Tag des HERRN
Jesaja 13,1.6-9
Dies ist die Last für Babel, die Jesaja, der Sohn des Amoz, geschaut hat:
...
Heulet, denn des HERRN Tag ist nahe; er kommt wie eine Verwüstung vom Allmächtigen.
Darum werden alle Hände schlaff, und aller Menschen Herz wird feige sein.
Schrecken, Angst und Schmerzen wird sie ankommen, es wird ihnen bange sein wie einer Gebärenden.
Einer wird sich vor dem andern entsetzen, feuerrot werden ihre Angesichter sein.
Denn siehe, des HERRN Tag kommt grausam, zornig, grimmig, die Erde zu verwüsten und die Sünder
von ihr zu vertilgen.
Dieser Tag des HERRN über Babel (Babylon) erfüllte sich, als Babylon um ca 539 v.Chr. von seinen Feinden, den Medern und Persern, überwältigt wurde.
Amos 5,18-20
Weh denen, die des HERRN Tag herbeiwünschen! Was soll er euch? Denn des HERRN Tag ist Finsternis
und nicht Licht,
gleichwie wenn jemand vor dem Löwen flieht und ein Bär begegnet ihm und er kommt in ein Haus und
lehnt sich mit der Hand an die Wand, so sticht ihn eine Schlange!
Ja, des HERRN Tag wird finster und nicht licht sein, dunkel und nicht hell.
Diese Weissagung von einem Tag des HERRN beschreibt, was mit dem Nordreich Israel geschah, als sie von den Assyrern vernichtet wurden (ca. 722 v.Chr.)
Auch Juda erlebte einen solchen Tag des HERRN, als Jerusalem im Jahre 586 v.Chr. durch die Babylonier eingenommen und zerstört wurde.
Zefanja 1,4.7.14-15
Ich will meine Hand ausstrecken gegen Juda und gegen alle, die in Jerusalem wohnen, und will ausrotten
von dieser Stätte, was vom Baal noch übrig ist, dazu den Namen der Götzenpfaffen und Priester
...
Seid stille vor Gott dem HERRN, denn des HERRN Tag ist nahe; denn der HERR hat ein Schlachtopfer
zubereitet und seine Gäste dazu geladen.
...
Des HERRN großer Tag ist nahe, er ist nahe und eilt sehr. Horch, der bittere Tag des HERRN! Da werden
die Starken schreien.
Denn dieser Tag ist ein Tag des Grimmes, ein Tag der Trübsal und der Angst, ein Tag des Wetters
und des Ungestüms, ein Tag der Finsternis und des Dunkels, ein Tag der Wolken und des Nebels,
Wir erkennen, daß es sich beim "Tag des HERRN" und den mit apokalyptischen Redewendungen umschriebenen Ereignissen immer um ein Gericht Gottes über ein Volk handelte, und daß solches Gericht in keinster Weise etwas damit zu tun hatte, daß der Herr buchstäbliches auf den Wolken fuhr bzw. auf die Erde herniederkam. Der Kontext insgesamt zeigte jeweils auf, um welches Volk oder welche Nation es ging.
Auch in den neutestamentlichen Schriften gibt es Hinweise auf "den Tag des Herrn" und das "Kommen des Herrn". Diese sollten so verstanden werden, wie die Begriffe damals benutzt wurden. Jesus und die Apostel sprachen von diesen Dingen, und sie verstanden die Begriffe, genau wie ihre Zuhörer auch, vor dem Hintergrund, wie sie im Alten Testament benutzt wurden. Im Neuen Testament beziehen sich Begriffe wie "das Kommen des Herrn", "das Kommen des Menschensohns", "der Tag des Herrn" auf die Zerstörung Jerusalems und des Tempels, die im Jahr 70 n.Chr. geschah. Dies wird aus dem Kontext der Stellen deutlich, wo diese Begriffe im Neuen Testament benutzt werden.
Matthäus 24 (wie auch die parallelen Berichte in Markus 13 und Lukas 21) enthält Jesu Unterweisung und Voraussagen über sein sogenanntes "zweites Kommen". Wenn man den Bericht als Ganzes sieht, wird deutlich, daß es sich um Jesu Antwort auf spezifische Fragen seiner Jünger zu einem bestimmten Ereignis handelt. Die Frage der Jünger lesen wir in Matthäus 24,3.
Matthäus 24,3
Und als er auf dem Ölberg saß, traten seine Jünger zu ihm und sprachen, als sie allein waren:
Sage uns, wann wird das geschehen? Und was wird das Zeichen sein für dein Kommen und für
das Ende der Welt?
Wir müssen zunächst sicher gehen, daß wir die Frage der Jünger richtig verstehen, denn wenn wir die Frage nicht verstehen, werden wir sicherlich Jesu Antwort ebenfalls falsch oder gar nicht verstehen. Das griechische Wort für "Kommen" ist parousia, es bedeutet "Ankunft, Gegenwart", nicht "Rückkehr, Wiederkunft". Worauf bezogen sich nun die Jünger mit ihrer Frage nach dem Zeitpunkt seines "Kommens" (seiner Ankunft, Gegenwart)? Worauf bezogen sie sich mit "das" ("wann wird das geschehen?"), denn offensichtlich verbanden sie "das", was da geschehen sollte, mit "dein Kommen" und "Ende der Welt [des Äons]"?
Der Kontext in Matthäus gibt uns die Antwort. Immer wieder hatte Jesus die Juden vor dem über sie kommenden Gericht gewarnt. Sie würden gerichtet werden wegen ihres Abfalls vom rechten Glauben, und weil sie ihn - den Messias - ablehnten. Jesus verkündete ihnen u.a. folgendes:
Matthäus 21,43
Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das seine Früchte bringt.
In einem Gleichnis erwähnt Jesus die Zerstörung ihrer Stadt.
Matthäus 22,7
Da wurde der König zornig und schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an.
Es ist klar, um welche Stadt es geht - "ihre Stadt" ist Jerusalem, und die angedrohte Zerstörung geschah dann im Jahre 70 n.Chr. durch die Römer.
Jesus warnte die Juden vor diesem Gericht, das über "diese Generation" (die Juden, zu denen er sprach) kommen würde, weil sie ("diese Generation") ihn als den von Gott gesandten Messias ablehnten. Der Abschnitt in Matthäus 23,23-39 zeigt genau dies an.
Matthäus 23,36-38
Wahrlich, ich sage euch: das alles wird über dieses Geschlecht kommen.
Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich
deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht
gewollt!
Siehe, »euer Haus soll euch wüst gelassen werden«.
Alle Ausleger stimmen darin überein, daß "euer Haus" Bezug nimmt auf Jerusalem und den Tempel. Jerusalem und der Tempel würden verwüstet werden. Jesus sprach diese Worte auf dem Wege zum Ölberg, wo ihn dann kurz danach die Jünger fragten und er ihnen die in Matthäus 24 aufgezeichnete Antwort gab. Bevor sie am Ölberg ankamen, fragten ihn die Jünger noch etwas anderes.
Matthäus 24,1-2
Und Jesus ging aus dem Tempel fort, und seine Jünger traten zu ihm und zeigten ihm die Gebäude des Tempels.
Er aber sprach zu ihnen: Seht ihr nicht das alles? Wahrlich, ich sage euch: Es wird hier nicht ein Stein auf dem
andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.
Als die Jünger dann, nachdem sie am Ölberg angekommen waren, Jesus die bereits erwähnten Fragen stellten, hatten sie sicherlich noch genau diese Worte und Voraussagen Jesu im Sinn. Jesu Worte vom über Jerusalem kommenden Gericht mit der Verwüstung der Stadt und des Tempels brannten vermutlich in ihrem Herzen und waren Anlaß für die weiteren Fragen.
Matthäus 24,3
Und als er auf dem Ölberg saß, traten seine Jünger zu ihm und sprachen, als sie allein waren:
Sage uns, wann wird das geschehen? Und was wird das Zeichen sein für dein Kommen und für
das Ende der Welt?
Zweifellos hatten die Jünger während des kurzen Weges aus dem Tempel durch das Kidrontal und hinauf zum Ölberg über Jesu Prophezeiung der kommenden Zerstörung der Stadt und des Tempels nachgedacht, und die Jünger (Markus 13 erwähnt, daß es sich um Petrus, Johannes, Jakobus und Andreas handelte) fragten Jesus dann, als sie allein waren, nach weiteren Einzelheiten über "das", was er gesagt hatte. Sie fragen gezielt nach zwei Aspekten.
Die erste Sache ist: "Wann wird das geschehen?" Alle drei Berichte (Mt 24,3; Mk 13,4; Lk 21,7) erwähnen diesen Aspekt der Frage nach dem "WANN". Aus dem Kontext ist klar, daß "das" das gerade von Jesus vorausgesagte Ereignis der Verwüstung Jerusalems und des Tempels sein muß. Die Jünger fragen: "Wann wird der Tempel zerstört? Wann wird die Stadt Jerusalem verwüstet?"
Die zweite Sache ist: "was wird das Zeichen sein für dein Kommen und für das Ende der Welt [des Äons]?" Auch hier erlangen wir ein besseres Verständnis, wenn wir alle 3 Berichte miteinander vergleichen. Markus 13,4 sagt: "Was wird das Zeichen sein, wenn das alles vollendet werden soll?" Lukas 21,7 hat: "Was wird das Zeichen sein, wenn das geschehen wird?" Wir erkennen, daß für die Jünger "das" und "das alles" identisch sind mit "dein Kommen und das Endes des Äons"! Das Äon, welches mit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels zu Ende gehen würde, war das Äon des Alten Bundes.
Der erste Teil der Frage der Jünger dreht sich um "WANN" wird "das" (das Gericht Gottes mit der Verwüstung der Stadt Jerusalem und des Tempels) eintreten, was Jesus gerade zuvor in unmißverständlichen Worten angekündigt hat? Der zweite Teil ihrer Frage dreht sich um "WAS wird DAS ZEICHEN sein" für die Erfüllung des Vorhergesagten?
Die Jünger hatten lediglich eine Sache, die ihnen auf dem Herzen brannte und die sie bewegte: Das gerade angekündigte Gericht über Jerusalem und die Verwüstung von Stadt und Tempel! Wir müssen den Bericht aus Sicht der Jünger lesen und verstehen, was sie bewegte und was sie gehört hatten und worüber sie näheres erfahren wollten. Wir können nicht hergehen, und die Fragen der Jünger lesen aus Sicht von Jahrhunderte später lebenden Christen, die eine bestimmte theologische Vorstellung haben, und deren Vorstellung ganz gut passen würde, wenn die Fragen der Jünger sich auf Details dieser theologischen Vorstellung bezögen ... Die Frage der Jünger hatte nichts mit ganz unterschiedlichen Ereignissen zu tun, die womöglich tausende von Jahren auseinander liegen. Die Jünger reden von einer Sache, und dieses "das" sind die gerade von Jesus vorausgesagten Ereignisse der Zerstörung Jerusalems und des Tempels. Die Begriffe "dein Kommen" und "das Ende des Äons" bezeichnen nicht plötzlich etwas völlig neues, bisher weder von Jesus noch den Jüngern erwähnte und möglicherweise tausende Jahre später stattfindende Ereignisse, sondern sie bezeichnen "das", was die Jünger gerade beschäftigte und was Jesus gerade angekündigt hatte. Dies ist eindeutig klar aus den Berichten in Mk 13,4 und Lk 21,7.
Die Verwüstung der Stadt Jerusalems und des Tempels geschah im Jahre 70 n.Chr. Dieses Ereignis wird von Jesus klar und deutlich mit seinem Kommen und dem Ende des Äons verbunden. Wir sollten hier auch beachten, daß die Jünger nicht nach einem Untergang des Planeten Erde oder des Kosmos fragen, sondern vom Ende des Äons, in welchem sie lebten. Die Jünger hatten verstanden, daß Jesus von der Zerstörung des Tempels und der Verwüstung der Stadt Jerusalem gesprochen hatte, welche bei "deinem Kommen" am "Ende des Äons" geschehen würde.
Es gibt einige Überlegungen, die aufzeigen, daß die Jünger zu dem Zeitpunkt gar nicht ein sichtbares, physisches zweites Kommen Jesu gemeint haben können:
Wir sehen, in der Frage der Jünger in Matthäus 24,3 ging es nicht um eine zweites Kommen Jesus am Ende der Welt! Es ging den Jüngern um eine Sache, die sie gewaltig beschäftigte und von der Jesus gerade zuvor gesprochen hatte: die Verwüstung Jerusalems und des Tempels! Wann würde das geschehen? Was würde das Zeichen sein, daß dies eintreten würde? Machte Jesus Angaben darüber, wann seine Prophezeiung sich erfüllen sollte?
Jesus hatte bereits in seiner Ankündigung des kommenden Gerichts einen Zeitrahmen gesteckt.
Matthäus 23,36
Wahrlich, ich sage euch: das alles wird über dieses Geschlecht kommen.
Als er den Jüngern dann in seinen nachfolgenden Ausführungen ihre Frage ausführlich beantwortete, erwähnte er verschiedene Dinge, die als Zeichen dienen würden. Und er gab erneut an, wann es geschehen würde.
Matthäus 24,34
Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht.
Jesus wiederholt den zuvor erwähnten Zeitrahmen für die Erfüllung seiner Voraussage. Sein Kommen und das Ende des Äons mit der Verwüstung der Stadt Jerusalems und des Tempels würde geschehen, bevor "dieses Geschlecht", seine Zeitgenossen, alle verstorben sein würden. Allerdings erwähnt Jesus ein wichtiges Detail:
Matthäus 24,36
Von dem Tage aber und von der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn
nicht, sondern allein der Vater.
Diese Worte Jesu werden sehr oft herangezogen, um zu beweisen, daß selbst Jesus absolut nichts hinsichtlich des Zeitpunkts seines Kommens wußte. Ist das aber, was Jesus sagte? Nein! Den allgemeinen Zeitrahmen von "diese Generation" hat Jesus gleich mehrfach erwähnt, was niemandem und selbst ihm nicht bekannt war, das war "Tag und Stunde"! Jesus sagte hier nicht, daß seine vorherigen Worte über "diese Generation" nur loses und unbedeutendes Geschwätz gewesen waren, er betonte vielmehr indirekt, daß der Zeitrahmen von "dieses Geschlecht" stimmt, die weiteren Einzelheiten wie Tag und Stunde aber von Gott nicht offenbart waren.
Jesus verkündete als Prophet, daß sein Kommen am Ende des Äons im Gericht mit der Verwüstung von Jerusalem und Tempel, in der Generation seiner damals lebenden Zeitgenossen geschehen würde. War Jesus etwa ein falscher Prophet, dessen Voraussagen nicht eintraten (vgl. 5Mo 18,22)? Die Vertreter eines noch immer zukünftigen Kommens mit der Vorstellung, diese Vorhersagen Jesu seien bislang unerfüllt, sind sich zumeist der Problematik ihrer Ideen nicht bewußt und sie erkennen meist gar nicht, daß sie mit ihrer Idee Jesus als falschen Propheten hinstellen! Die Wahrheit ist einfach: Was Jesus vorhersagte, trat genau in dem Zeitrahmen ein, den er angekündigt hatte. "Dies alles" geschah noch innerhalb jener Generation, ca. 40 Jahre, nachdem Jesus die Prophezeiungen gemacht hatte.
Es ist unbestritten, daß die Apostel in ihren Schriften schrieben, daß sie das Kommen Christi während ihres Lebens erwarteten. Verschiedene Schriftstellen aus den neutestamentlichen Briefen weisen darauf hin. Diejenigen, die an ein noch immer zukünftiges "zweites Kommen" Christi glauben und solches lehren, machen nicht nur Jesus zu einem falschen Propheten, sondern behaupten mit ihrer Annahme auch, daß die Apostel mit ihrer Lehre und ihren Schriften falsch lagen. Damit stellen sie auch die Inspiration der Schrift in Frage, denn die Apostel lehrten und schrieben nicht einfach ihre persönliche Meinung, sondern, was sie vom Herrn empfangen hatten. Mit anderen Worten, falls die in der Schrift aufgezeichneten Worte Jesu und der Apostel nicht wahr sind, wird die Bibel als das Wort Gottes in Frage gestellt.
Auch in dieser Sache stehen wir vor der Wahl, die Schrift zu erforschen und dem in der Schrift offenbarten Wort Gottes zu folgen, oder uns von menschlichen Traditionen und Lehren von Menschen leiten zu lassen. Wenn wir Jesu und der Apostel Lehre betrachten, ergibt sich, daß sie das Kommen Jesu und Ende des Äons mit der Verwüstung Jerusalems und des Tempels verbanden, und daß dieses Kommen Jesu noch in jener Generation stattfinden würde.