von
Wolfgang Schneider
Viele Christen heute kommen im Zusammenhang mit der Rückkehr Christi auf die Wiederherstellung Israels zu sprechen. Oft wird dabei die Frage gestellt: "Muss nicht vor dem Kommen des Herrn Israel erst wiederhergestellt werden?" Was kann man hierauf antworten?
Da sich die Fragesteller mit dem Begriff "Israel" meist deutlich auf den modernen 1948 gegründeten Staat Israel beziehen, ist meine Antwort ein klares: "Nein!"
Der nach dem 2. Weltkrieg gegründete moderne Staat Israel hat nichts mit dem biblischen Israel, noch etwas mit der Erfüllung biblischer Weissagungen bzgl. eines zukünftigen Reiches Israel zu tun. Wie kann man da sicher sein? Glauben nicht viele, ja fast die gesamte evangelikale Christenheit heutzutage, dass mit der Errichtung des Staates Israel die Endzeit angebrochen ist und die Rückkehr der Juden nach Israel das unmittelbar bevorstehende Kommen Christi anzeigt? Ja, viele Christen heute glauben das; aber eine Sache ist nicht wahr, nur weil viele Leute daran glauben. Wie können wir also sicher sein, dass der moderne Staat Israel biblisch gesehen keine Bedeutung hat, was die Erfüllung biblischer Weissagungen angeht?
Man könnte zunächst ausführlich die historischen Beweise erörtern, die eindeutig belegen, dass die biblische Nation Israel im Jahre 70 n.Chr. in der Zerstörung Jerusalems und des Tempels sein Ende fand. Auch war Israel im Sinne eines eigenständigen und von der Abstammung klar definierten Volkes (als Nachkommen der 12 biblischen Stämme Israels) danach nicht mehr existent. Im Laufe der Jahrhunderte vermischten sich die Abstammungslinien mit denen der Völker, unter denen die Israeliten zerstreut waren. Ohne die nach der Zerstörung des Tempels nicht mehr existenten Aufzeichnungen über die Abstammungslinien, die im Tempel aufbewahrt wurden, ist es heute niemandem möglich zu beweisen, dass sie von der Abstammung her ein Nachkomme eines der biblischen Stämme Israels sind und somit zum biblischen Volk Israel gehören.
Selbst jüdische Quellen bezeugen diesen Sachverhalt und verweisen darauf, dass Juden heute nicht von der Abstammung her, sondern von ihrer Religionszugehörigkeit und Tradition her als Juden eingeordnet werden und sich selbst als Juden verstehen. Solch eine Beweisführung würde mehr Zeit und Platz beanspruchen, als wir in dieser kleinen Studie verfügbar haben. Es gibt jedoch noch eine wesentlich einfachere Beweisführung, um zu zeigen, dass der heutige Staat Israel nichts mit biblischer Prophezeiung zu tun hat.
In 2. Mose 34 lesen wir, was Gott dem Mose verheißt, als der Alte Bund gegeben wurde. Alle Männer aus dem Volk sollten jedes Jahr nach Jerusalem reisen, um dort die Feste des Herrn zu halten. Das würde für einige bedeuten, dass sie längere Zeit von ihren Familien und ihrem Besitz fern sein würden. Gott hatte das einkalkuliert und eine Verheißung gegeben.
2. Mose 34,24
Denn ich werde die Heiden vor dir ausstoßen und dein Gebiet weit machen, und niemand soll dein Land begehren, während du dreimal im Jahr hinaufgehst, um vor dem HERRN, deinem Gott, zu erscheinen.
Wie steht es nun damit seit der Wiederherstellung und Gründung des Staates Israel 1948? Hat Gott gelogen? Warum ist von dieser Verheißung nichts zu sehen? Auf der Grundlage, dass Gott nicht lügt, würde ich feststellen, dass der moderne Staat Israel nichts mit solchen biblischen Weissagungen zu tun hat.
Wir sollten auch beachten, dass die Gründung des modernen Staates Israel auf politische Maßnahmen einiger Länder und der Vereinten Nationen zurückgeht, nicht aber auf biblische Prophezeiung. Eine Rückkehr in ihr Land und eine Wiederherstellung Israels war biblisch immer nur unter einer Bedingung von Gott verheißen worden: Nur dann, wenn sie Reue und Buße zeigten während sie noch in der Fremde weilten, wenn sie sich noch in der Fremde wieder zu YHWH bekehrten und Ihm gehorchten, würde YHWH dafür sorgen, dass sie wieder in ihr Land zurückkehren konnten.
Wie steht es in dieser Hinsicht mit den Juden, die vor und auch seit 1948 nach Israel zurückgekehrt sind? Wie viele haben sich noch in der Fremde und vor ihrer Übersiedlung zu YHWH und Seinem Messias Jesus bekehrt? Lehnen nicht viele, ja im Grunde die meisten von ihnen, den Messias Jesus ab? Eine nicht geringe Zahl der nach Israel eingewanderten Juden sind gar eher Atheisten. Der Staat Israel behandelt die an Christus Gläubigen mit Verachtung und Verfolgung, und deren Zahl, inklusive der sogenannten "messianischen" Juden, die an den Messias Jesus glauben, ist relativ gering. Gott hat niemals verheißen, dass Israel mit solcher Gesinnung wieder ins Land zurückkehren könnte.
Gott hatte verheißen, dass Er Israel beschützen würde, damit sie während der Feste, als die Männer in Jerusalem weilten, nicht angegriffen würden. Nur, was geschah vor Beginn des 'Yom Kippur' Krieges im Jahre 1973? Die Juden waren in Jerusalem zu ihrem höchsten Festtag versammelt und sie wurden angegriffen! Entgegen Gottes Verheißung fielen die Feinde über sie her. Will jemand nun behaupten, Gott habe die Juden wieder ins Land zurück geführt und war dann aber nicht fähig, sie gemäß Seiner Verheißung zu beschützen?
Was ergibt sich aus dieser Situation? Wenn wir uns an Gottes Verheißung an Mose erinnern, wie Er während der jährlichen Feste für Sein Volk sorgen und sie beschützen würde, und dann die Ereignisse am großen Versöhnungstag ('Yom Kippur') von 1973 in unsere Überlegungen einbeziehen, ergeben sich im Grunde nur zwei Möglichkeiten als Antwort: (1) Gott war nicht treu und hielt Seine Verheißung an Israel nicht ein, oder (2) die Juden in Israel, welche heute von so vielen als Gottes Volk Israel bezeichnet werden, sind gar nicht Sein Bundesvolk! Antwort (1) ist undenkbar, denn Gott ist treu und Er hält Seine Verheißungen ein und Er ist kein Lügner! Somit bleibt lediglich die logische Folgerung in Antwort (2) -- das moderne Israel ist nicht das wahre Bundesvolk Gottes, das wahre Israel.
Gott hat einen gläubigen Rest Israels bewahrt in den letzten Tagen des Alten Bundes. Er verhieß ihnen, dass sie durch eine große Trübsal hindurch gerettet würden und das Himmelreich, das Reich Gottes, erlangen würden. Ihr Weg dahin war der gleiche Weg, wie er seit dem 1. Jhdt n.Chr. auch den Heiden offen steht: Durch Glauben an den Messias (Christus) Jesus können sowohl Juden als auch Heiden gerettet werden und das ewige Heil erlangen und so das wahre Israel Gottes sein. Gott hat in Christus das wiederhergestellt, was verloren gegangen war und Er hat nun den Menschen mit sich selbst versöhnt, so dass allen, die an Christus glauben, der Weg zum ewigen Heil und ins Reich Gottes bereitet ist.
Wie Christus selbst bezeugte, ist sein Reich nicht von dieser Welt. Diejenigen, die heute auf eine irdische Herrschaft Christi und die Wiederherstellung eines irdischen, politischen Reiches Israel warten, sind im Grunde dem gleichen Irrtum erlegen, der den Juden zur Zeit Jesu im 1. Jhdt n.Chr. zum Verhängnis wurde: Sie hofften auf ein irdisches Reich Israel und auf einen Messias, der ein politischer Befreier und Herrscher sein sollte. Diese Hoffnung aber war nicht die biblisch offenbarte wahre Hoffnung, sondern eine auf falschem Verständnis der Schrift beruhende falsche irdische Hoffnung, und so wurden sie in ihrer Hoffnung enttäuscht.