In vielen christlichen Kreisen ist die Lehre weit verbreitet, dass die ungerecht verstorbenen Toten auf ewig in der Hölle in einem ewigen Feuer furchtbare Qualen erleiden. Dabei stützen sie ihre Lehre zumeist im wesentlichen auf eine einzige Stelle im Lukasevangelium. In Lukas 16,19-31 wird berichtet, was Jesus in einer Auseinandersetzung mit Pharisäern diesen bzgl. ihrer eigenen Rechtfertigung vorhielt und entgegnete. Ab Vers 19 lesen wir, wie Jesus sie mittels eines Gleichnisses, in welchem ein Armer und ein reicher Mann die Hauptfiguren sind, auf ihr Problem und ihr falschen Lebenswandel hinweist

Jesu Worte und die Geschichte, die er erzählt, sind ein Gleichnis. Es ist kein Tatsachenbericht über reale Ereignisse im Leben realer Personen. Dass es sich um ein Gleichnis handelt, ist direkt ersichtlich aus einigen alten griechischen Handschriten, die Vers 19 beginnen mit den Worten: Ειπεν δε και ετεραν παραβολην("Und ein weiteres Gleichnis sagte er ..."). Ein Hinweis darauf findet sich im Apparatus des Nestle/Aland Gr. NT (27ed) im Hinweis auf die Handschriften "D (syc) et ° D Δ* Θ 579 pc lat sys.c".

Lukas 16,19-31:
19 Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden.
20 Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren
21 und begehrte sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel; dazu kamen auch die Hunde und leckten seine Geschwüre.
22 Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben.
23 Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß.
24 Und er rief: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und mir die Zunge kühle; denn ich leide Pein in diesen Flammen.
25 Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet und du wirst gepeinigt.
26 Und überdies besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüberwill, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber.
27 Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus;
28 denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual.
29 Abraham sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören.
30 Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun.
31 Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.

Zunächst erkennt man aus den erwähnten Details der Geschichte, dass es hier Jesus absolut nicht darum geht, den Zustand von Toten und einen realen Ort oder Orte, an dem die Toten "leben", zu beschreiben!

Worum geht es in diesem Gleichnis? Die Antwort findet sich in der abschließenden Feststellung: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.

 

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