Diese Seite will ein wenig Hintergrundinformation zu frühen Bibelausgaben und Bibelübersetzungen geben.
Die originale Sprache für das AT ist Hebräisch (mit Ausnahme einiger Abschnitte, die in Chaldäisch, einer bestimmten Form von Aramäisch geschrieben sind). Es gibt einige kontroverse Standpunkte bzgl. der Sprache der originalen NT, insbesondere weil in neuerer Zeit Aramäisch als ursprüngliche Sprache zumindest einiger NT Schriften erwägt wird (vgl. dazu den Beitrag von W. Schneider " Urtexte und Original"). Noch immer geht man allgemein davon aus, daß das gesamte NT original in Griechisch aufgezeichnet wurde.
Obwohl sowohl Griechisch wie auch Aramäisch in biblischen Zeiten und zur Zeit des NT in jenen Gegenden der Welt weitverbreitete Sprachen waren, wurde es doch schon sehr bald aufgrund der weiteren Verbreitung des Evangeliums notwendig, das NT bzw. dann auch die gesamte Bibel in andere Sprachen zu übersetzen.
Vielleicht bereits zu Ende des 1. Jhdts, sicherlich aber dann in der zweiten Hälfte des 2. Jhdts, ergab sich das Bedürfnis, die Schriften des NT bzw. die gesamte Bibel ins Aramäische (auch als Syrisch bezeichnet), ins Lateinische und ins Koptische zu übersetzen. Diese Übersetzungen wurden von Texten angefertigt, die natürlich noch sehr nahe am Original waren, und sie sind daher nützlich für Textstudien bzgl. verschiedener Lesarten der griechischen Handschriften. Einige Zeit später folgten dann weitere Übersetzungen in andere Sprachen, darunter Armenisch, Georgisch, äthiopisch, Gotisch und auch "Altkirchenslawisch". Je weiter solche Übersetzungen aber vom Original entfernt sind (sowohl zeitlich, wie auch im Hinblick auf den Text, der als Vorlage benutzt wurde), um so weniger zuverlässig sind sie, wenn man die originale Lesart bei unterschiedlichen Wortlauten in Handschriften bestimmen will.
Bevor der überlieferte Text in Latein standardisiert war, gab es ältere lateinische Übersetzungen, die als Altlateinische MSS oder als Itala bekannt sind. Tertullian, einer der "Kirchenväter", zitierte um 200 AD Texte auf Lateinisch, und diese Zitate sind die frühesten lateinischen Texte von NT Textabschnitten, die heute bekannt sind. Tertullian sprach anscheinend Griechisch und Latein fließend und übersetzte auch direkt aus dem Griechischen ins Lateinische in seinen Schriften.
Die erste tatsächliche NT Übersetzung in Latein taucht Mitte des 3. Jhdts auf, was durch Zitate in Schriften belegt wird, die eindeutig von lateinischen Quellen gemacht wurden.
Die Altlateinischen MSS werden mit Minuskeln (arabischen Kleinbuchstaben) (a, b, c, ...) und mit Ziffern bezeichnet, ähnlich wie die Griechischen Unzialhandschriften mit Großbuchstaben und Ziffern. Da Handschriften mit verschiedenen NT Teilen der gleiche Buchstabe zugeordnet wurde, kann es manchmal ein Mißverständnis geben.
Die früheste Altlateinische Handschriften stammen aus dem 4. Jhdt. Dies sind:
a3 -- Evangelien; h12 -- Teile von Matthäus; k1 --
Teile von Matthäus und Markus.
Von diesen wird k1 (gewöhnlich ins
4./5. Jhdt datiert) als wichtigste Handschrift angesehen, da sie eventuell von
einem früheren griechischen Text (Exemplar) übersetzt wurde,
der bis ins 2. Jhdt zurückreichen könnte. Diese Handschrift k1
enthält jedoch nur das kurze Ende zu Markus 16, eine Alternative zu dem
normalen als "lang" bezeichneten Ende in Markus 16,9-20. Der Codex a3
enthält die Evangelien in der sogenannten "Westlichen Reihenfolge":
Matthäus, Johannes, Lukas und Markus, wie sie auch in anderen "Westlichen"
MSS überliefert ist.
Mit den Veränderungen in der lateinischen Sprache wurden auch
die verschiedenen Altlateinischen MSS sehr unterschiedlich, was
Hieronymus im 4. Jhdt dazu veranlaßte zu bemerken, es gäbe
fast so viele Übersetzungen wie Handschriften! Aufgrund solcher
Unterschiede und der Entwicklung in der lateinischen Sprache wurde beschlossen,
einen "gewöhnliche" (vulgate) Standardtext der Bibel in Latein zu
verfassen, und Hieronymus revidierte Altlateinische Übersetzungen und
schloß seine Arbeit im Jahre 383 AD ab. Er übersetzte den
größten Teil des AT selbst aus dem Hebräischen, und er
entdeckte dabei, daß einige Bücher nicht im hebräischen Text zu
jener Zeit enthalten waren, diese wurden später als "AT Apokryphen"
bekannt.
Diese Lateinische Vulgata Übersetzung wurde mehrmals
revidiert, und viele Handschriften der Vulgata sind bis heute erhalten
geblieben. Die Vulgata wurde zum Standardtext der Lateinischen Bibel, und bis
zum 14. Jhdt waren die Altlateinischen Übersetzungen quasi verschwunden.
Die Lateinische Vulgata wurde die offizielle Bibel der Römisch
Katholischen Kirche, und sie, und nicht die griechischen und hebräischen
Texte. wurde auch als Vorlage für eine Reihe von Übersetzungen in
andere Sprachen benutzt.
Von Aramäisch Gelehrten wurden einige Argumente vorgebracht,
daß eventuell Aramäisch die Originalsprache für Teile oder das
ganze NT war, aber dafür reichen möglicherweise die Beweise nicht
ganz aus. Gewöhnlich geht man davon aus, daß eine Evangelienharmonie
von Tatian, die als Diatessaron bekannt ist, der älteste
überlieferte aramäische Text bzgl. der Bibel ist. Diese
Evangelienharmonie wurde sehr populär in ihrer Zeit und fand während
der nachfolgenden Jahrhunderte ein weite Verbreitung.
Zusätzlich zu der
Diatessaron Handschrift sind heute zwei Altsyrische MSS bekannt, die vom
Ende des 4. Jhdts stammen und Teile der Evangelien enthalten. Es mag auch
ältere Syrische Handschriften und Übersetzungen gegeben haben, aber
keine sind heute bekannt oder erhalten geblieben. Sicherlich wurden auch die
Apostelgeschichte und die Briefe des Paulus ins Altsyrische übersetzt.
Diese altsyrischen Handschriften sind in der Estrangelo Schrift
geschrieben.
Die Peschitta oder "einfache" Übersetzung ins Syrische (Aramäische) wurde wohl gegen Mitte des 5. Jhdts angefertigt. Zu der Zeit hatte der Text wohl seine endgültige Gestalt erreicht, und diese Bibelübersetzung wurde von beiden Teilen der sich spaltenden Syrischen Kirche anerkannt. Der Begriff "peschitta" (oder auch "peschitto") bedeutet "einfach", und wird benutzt im Gegensatz zu der schwieriger zu lesenden Form, der Harklensis Bibel.
Als nächstes folgte dann Philoxeniana, ca. 507 AD, die im wesentlichen zu Lehrzwecken Verbreitung fand. Thomas von Harkel revidierte diese Übersetzung in 616 AD, und er verglich seinen Text mit verschiedenen griechischen MSS. Seine Übersetzung ist heute als Harklensis bekannt. Er übersetzte das Griechische wesentlich sorgfältiger und viel direkter, als es in der relativ frei übersetzten Peschitta geschehen war, was aber mit sich brachte, daß sie schwieriger zu lesen war. Harkels Text wurde übersetzt vom sogenannten Byzantinischen Text.
Koptisch ist eine einzigartige geschriebene Sprache, da sie griechische Buchstaben (mit einigen Zusätzen) benutzt, um damit eine ägyptische Sprache zu schreiben. Gegen Ende des 3. Jhdts waren koptische Übersetzungen des NT relativ weitverbreitet. Koptische MSS existieren in verschiedenen Dialekten, wie dem sahidischen und bohairischen Dialekt, die von größerer Bedeutung für NT Studien sind. Da Koptisch vorwiegend in Ägypten gesprochen wurde, überrascht es nicht, daß die koptischen MSS sehr oft einen Alexandrinischen Texttyp wiedergeben (Alexandria liegt in Ägypten) .
Die armenischen Übersetzungen des späten 4. Jhdts ist vielleicht eine Übersetzung aus dem Syrischen und nicht dem Griechischen. Die georgischen Übersetzungen entstanden später unter dem Einfluss Armeniens, von wo aus Georgien evangelisiert wurde. Teile der in der äthiopischen Kirche benutzten Übersetzungen wurden wohl aus dem Syrischen übersetzt (Evangelien), andere Teile dagegen eher aus dem Griechischen (Apostelgeschichte und Briefe), wodurch es bzgl. der äthiopischen Übersetzung einige kontroverse Ansichten gibt. Um das Jahr 678 AD gab es wohl eine vollständige äthiopische Bibel.
Gotische Übersetzungen wurden von einem relativ frühen
Byzantinischen Text angefertigt, vielleicht bereits um 341 AD. Nur eine kleine
Anzahl von MSS mit Teilen der Evangelien und einigen Briefen des Pauls, sowie
einem Fragment aus Nehemia sind erhalten und heute bekannt.
Die
altkirchenslawische Übersetzung stammt vielleicht erst aus dem 9. Jhdt.
Die Russisch Orthodoxe Kirche geht von göttlicher Eingebung bei der
Übersetzung aus, die von einem griechischen Text des Byzantinischen Typs
angefertigt wurde.
Eine weitere Quelle neben den Handschriften des eigentlichen NT
Textes für NT Studien sind Zitate bei den Kirchenvätern, wo biblische
Texte als Zitate in den Schriften der frühen Christen überliefert
sind. Solche Zitate können unter Umständen auf ältere Quellen
hindeuten als die, die heute erhalten und bekannt sind, und so hilfreich
für die Rekonstruktion des originalen Textes sein.
Ein Beispiel: In
mehreren Schriften des Eusebius aus dem frühen 4. Jhdt wird
Matthäus 28 zitiert, und jedesmal werden Jesu Worte aus Matthäus
28,19 wiedergegeben als: "machet zu Jüngern [lehret] alle Völker in
meinem Namen", ohne die in späteren Handschriften enthaltenen Worte zur
Taufe mit einer trinitarischen Taufformel. Nun, Eusebius war eigentlich ein
Verfechter der Trinitätslehre und die heute gängige Version dieses
Verses hätte seine Lehre gestützt. Da aber die Schriften mit den
Zitaten von Eusebius älter sind als die heute existierenden griechischen
Handschriften mit Matthäus 28,19, liegt die Vermutung nahe, wenn man alle
Hinweise überprüft, daß diese Zitate aus einer offenbar noch
viel älteren Quelle den originalen Wortlaut dieses Verses enthalten,
wohingegen der uns heute geläufige Wortlaut eine spätere und wohl
bewußte absichtliche Abänderung des biblischen Textes darstellt.
Dies ist lediglich ein kurzer Überblick mit grundlegender Information zu einigen der frühen Bibelausgaben und -übersetzungen. Er ist keinesfalls ausführlich und auch nicht vollständig. Für detailliertere Informationen sollte man entsprechende Fachliteratur zu Rate ziehen.