Elberfelder Bibel (Vorwort)
Vorwort (zur neuesten Ausgabe)
Mehr als hundert Jahre lang hat sich die Elberfelder übersetzung durch
ihre Worttreue und Genauigkeit viele Freunde erworben. Allmählich aber
mehrten sich im Benutzerkreis die Stimmen, die eine überarbeitung für
notwendig hielten, weil komplizierte Satzkonstruktionen und zum Teil auch
veraltete Ausdrücke dem Leser das Verständnis zunehmend erschwerten.
Noch zahlreicher und schwerwiegender waren die Hinweise darauf, daß die
Elberfelder übersetzung endlich vom heute vorliegenden zuverlässigen
griechischen bzw. hebräischen Grundtext ausgehen müsse und nicht
von dem Grundtext, wie er um 1850 bekannt war.
Im Jahre 1960 begann daher eine Kommission mit der überarbeitung.
Die Grundsätze der Revisionsarbeit waren:
- Die möglichst genaue Wiedergabe des Grundtextes. Der oft
gerühmte Vorzug der Elberfelder übersetzung, die genaueste und
zuverlässigste deutsche Bibelübersetzung zu sein, sollte voll
erhalten bleiben. Der Grundsatz der Worttreue stand daher über dem der
sprachlichen Eleganz. Mit diesem Anliegen steht die revidierte Elberfelder
übersetzung ganz in übereinstimmung mit den ursprünglichen
übersetzern von 1855, die schon damals schrieben "Während nun der
Gelehrte das Wort Gottes im Urtext untersuchen kann, ist dem Nichtgelehrten und
der Sprache des Grundtextes Unkundigen der Weg dazu versperrt. Es war daher
unser Bemühen und unser Zweck, diesen Letzteren hilfreich die Hand zu
bieten und ihnen mit wenigen Kosten eine möglichst treue und genaue
Wiedergabe des Wortes Gottes in ihrer eigenen Sprache darzureichen."
- Die Bemühung um gutes, verständliches Deutsch.
Wörter wie Eidam, Farren oder Weib, die in der heutigen Umgangssprache
verschwunden sind oder ihre Bedeutung verändert haben, wurden ersetzt.
Lange, schwierige, aus Partizipien und Nebensätzen zusammengesetzte
Satzkonstruktionen, die im Deutschen oft eine Kompliziertheit haben, die der
griechische Text gar nicht in dem Ausmaß besitzt, wurden möglichst
aufgelöst. Unnötige sprachliche Härten wurden beseitigt.
- Die Benutzung des besten griechischen bzw. hebräischen
Textes. Als die übersetzer der Elberfelder Bibel vor etwa 130 Jahren an
die Arbeit gingen, lagen sowohl der griechische Text des Neuen Testaments als
auch der hebräische Text des Alten Testaments, nach heutigen
Maßstäben gemessen, nur in relativ späten und zum Teil
nachträglich veränderten Abschriften vor. Hier hat die gelehrte
Arbeit am Text sowie die Entdeckung älterer und besserer Handschriften
inzwischen zu beachtlichen Ergebnissen geführt, so daß uns heute der
Grundtext der Bibel in erheblich zuverlässigeren Textausgaben zur
Verfügung steht. Bei der Revisionsarbeit an der Elberfelder Bibel wurden
diese Textausgaben zugrunde gelegt.
Bei der überarbeitung der alten übersetzung stellten
sich zwei besondere Probleme, die auch die ursprünglichen übersetzer
schon sehr beschäftigt haben, was aus dem Vorwort ihrer übersetzung
hervorgeht: die übersetzung des Namens "Jehova" im Alten Testament und des
Wortes "Ekklesia" im Neuen Testament. Bei "Jehova" fiel die Entscheidung nicht
ganz so schwer. Die Israeliten haben nie "Jehova" gesagt, sondern
wahrscheinlich "Jahwe". Später wagte man nicht mehr, den heiligen
Gottesnamen auszusprechen und sagte statt dessen "Adonaj" (= Herr). Damit man
nun beim Vorlesen aus der Bibel daran erinnert wurde, "Adonaj" zu lesen und
nicht versehentlich "Jahwe", setzten die Juden in ihren Bibelhandschriften zu
den Konsonanten des Namens "Jahwe" (JHWH) die Vokale des Wortes "Adonaj"
(êoa, wobei das Zeichen für ê auch für â stehen
kann), so daß Nichteingeweihte daraus "Jehovah" lesen mußten.
Daraus ergibt sich folgerichtig, daß "Jehova" kein Name ist und man ihn
deshalb auch in unserer Sprache nicht so schreiben und aussprechen sollte.
Bei der Revision wurde daher "Jehova" durch "HERR" ersetzt, und
zwar mit Großschreibung aller Buchstaben, damit der Leser erkennen kann,
daß an dieser Stelle im Grundtext die Buchstaben JHWH stehen. Daß
die Entscheidung für "HERR" und nicht für "Jahweh" getroffen wurde,
hat vor allem zwei Gründe:
- Daß der Gottesname JHWH "Jahwe" ausgesprochen wurde, ist
zwar wahrscheinlich, aber nicht sicher. Nach anderen Wissenschaftlern lautete
die Aussprache "Jahwo". Eine nur indirekt erschlossene Namensform, mag auch
sonst vieles für sie sprechen, reicht aber zur Wiedergabe des Namens
Gottes nicht aus.
- Schon in der griechischen übersetzung des Alten
Testaments, der Septuaginta (LXX), gab man JHWH mit "Kyrios" (=Herr) wieder.
Und auch im Neuen Testament steht dort, wo Schriftstellen aus dem Alten
Testament zitiert werden, "Herr" anstelle von JHWH. Unser Herr Jesus Christus
und seine Apostel haben weder "Jehova" noch "Jahwe" gesagt, sondern "Herr".
Von der Regel, den Gottesnamen mit "HERR" wiederzugeben, wurde nur
in einigen Ausnahmefällen abgewichen, z.B. 2. Mo 3,15, wo dann jeweils
eine erklärende Fußnote steht. Die Kurzform des Gottesnamens, "Jah",
wurde dagegen immer stehengelassen, damit der Leser mit Sicherheit erkennen
kann, wo JHWH und wo Jah im Grundtext steht.
Bei der übersetzung des griechischen Wortes "Ekklesia" fiel
die Entscheidung schwerer, da das Wort "Versarnmlung" die Tatsache, daß
die Gemeinde die von Jesus Christus zusammengerufene Schar ist, gut zum
Ausdruck bringt. Vor allem zwei Gründe haben dazu geführt, daß
die Entscheidung dann doch für das Wort "Gemeinde" getroffen wurde.
- Die Gemeinde ist keine vorübergehend versammelte Gruppe,
wie etwa eine Betriebsversammlung, sondern eine Gemeinschaft, der Leib Christi,
dessen Glieder dauerhaft zusammengehören. Dieser biblische Tatbestand wird
durch das Wort "Gemeinde" besser ausgedrückt.
- Schon die alten übersetzer der Elberfelder Bibel hatten
befürchtet, daß das Wort "Versammlung" im Laufe der Zeit eine
denominationelle Spezialbedeutung bekommen könnte, was dann auch eintraf.
In einem Zeitschriftenartikel heißt es: "Hätten die übersetzer
ahnen können, zu welch falschen Auslegungen und Unterstellungen die Wahl
jenes Ausdrucks im Laufe der Jahre führen würde, möchten sie
vielleicht trotz ihrer Bedenken die übersetzung "Gemeinde" gelassen haben
..." (Rudolf Brockhaus im "Botschafter" 1911).
Besondere Probleme stellten sich im Alten Testament. Der
gültige hebräische Text (der sog. Masoretische Text) ist durch die
lange Zeit der überlieferung, in der immer eine Handschrift von der
anderen abgeschrieben wurde, an mehreren Stellen so entstellt, daß der
ursprüngliche Sinn nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden kann. Der
naheliegenden Versuchung, den hebräischen Text hier einfach durch
sogenannte Konjekturen (=Vermutungen) zu verändern, wie es viele andere
übersetzungen getan haben, ohne daß der Leser dies nachprüfen
kann, haben wir widerstanden. Fur die revidierte Elberfelder übersetzung
des Alten Testarnents gelten hier drei Grundregeln:
- Es wird der gültige hebräische Text übersetzt,
der sogenannte Masoretische Text. Abweichende Lesarten oder Varianten, die auf
einer der frühen übersetzungen (z.B. der LXX) beruhen, werden in den
Anmerkungen angegeben.
- Weicht die übersetzung von dieser Regel ab, wird die
Version des Masoretischen Textes in einer Anmerkung angegeben, so daß der
Leser die Möglichkeit der Nachprüfung hat.
- Derartige Abweichungen vom Masoretischen Text werden so gering
wie möglich gehalten. Oft betrifft die Abweichung nur die Lesung der
Vokalzeichen. Aufwendige Textänderungen, wie sie von manchen Kommentatoren
vorgeschlagen werden, konnten so vermieden werden.
Die Anmerkungen sollen dem Bibelleser da, wo es sinnvoll ist, den
Grundtext noch näherbringen, als eine bloße übersetzung das
kann. Meist handelt es sich um einen der drei folgenden Anmerkungstypen:
- Andere Lesarten: Die Bibel ist uns in Hunderten von
Handschriften erhalten, die an einigen Stellen voneinander abweichen
("Lesarten"). Meist läßt sich die echte, d.h. der ursprüngliche
Text leicht herausfinden. Gelegentlich ist jedoch die Entscheidung, welche von
zwei oder drei Lesarten die älteste ist, nicht eindeutig zu treffen. Dann
steht in der Anmerkung "andere Handschr. lesen...", oder "nach anderer Lesart
..." bzw. ein Hinweis auf eine der frühen übersetzungen. - Die
griechische übersetzung des AT, die sog. Septuaginta (LXX), und einige
andere übersetzungen sind so alt, daß sie Rückschlüsse auf
den ursprünglichen Text ermöglichen, vor allem da, wo Schreibfehler
aufgetreten sind. Beispiele: Ps 23, Anm. 72; Ps 24, Anm. 76; Mk 16, Anm. 93; 1.
Kor 14, Anm. 52.
- Andere übersetzungsmöglichkeiten: Manchmal
läßt sich die Grundbedeutung eines Wortes nicht in die
übersetzung aufnehmen. Gelegentlich hat ein Wort auch mehrere deutsche
Entsprechungen, von denen an der betreffenden Textstelle aber nur eine in der
übersetzung stehen kann. Hier wird dann in der Anmerkung oft auf die
andere (bzw. die wörtliche) übersetzungsmöglichkeit hingewiesen.
Beispiele: Ps 73, Anm. 74; Ps 120, Anm. 31; 1. Kor 7, Anm. 55; Phil 2, Anm. 21.
- Kurze Worterklärungen, die zum Verständnis des
Zusammenhangs notwendig sind. Beispiele: Mt 14, Anm. 72; 1. Kor 13, Anm.
30.
Um den Ansprüchen nachzukommen, die heute an eine
Arbeitsbibel gestellt werden, wird die Elberfelder Bibel mit einem
übersichtlicheren Druckbild, Abschnitts-überschriften und mit
Parallelstellen herausgegeben, was sicher von vielen Benutzern
begrüßt werden wird. Die Verszählung, die in der Elberfelder
übersetzung bisher an einigen wenigen Stellen von der üblichen
Zählung abwich, ist der in den Grundtextausgaben und den meisten
übersetzungen verwendeten Verszählung angeglichen. Auch wurde die
deutsche Schreibweise der biblischen Eigennamen der heute meistens gebrauchten
Schreibweise angepaßt.
Obwohl wir uns bemüht haben, die Arbeit der Revision so
gewissenhaft und sorgsam wie irgend möglich durchzuführen, sind wir
uns bewußt, daß das Ergebnis verbesserungsbedürftig bleibt.
Hinweise auf notwendige Korrekturen sind uns daher willkommen. Sie werden
ernsthaft geprüft und gegebenenfalls bei einem Nachdruck
berücksichtigt.
Die für die Revision Verantwortlichen möchten ihre
Arbeit mit denselben Worten vorlegen wie die übersetzer der ersten ganzen
Elberfelder Bibel (1871): "Indem wir die Frucht unserer Arbeit hiermit der
öffentlichkeit übergeben, mit der Zuversicht, daß diese
übersetzung des von Gott eingegebenen Wortes für seine geliebten
Kinder von Nutzen sein werde, befehlen wir sie dem Segen des Herrn in dem
Bewußtsein, daß wir sie vor seinen Augen unternommen und, in
Anerkennung unserer Schwachheit, unserer Abhängigkeit und
Verantwortlichkeit unter Gebet ausgeführt haben. Diese Zuversicht sowie
das Vertrauen auf die Gnade Gottes haben uns oft, wenn wir unsere vielseitige
Unfähigkeit fühlten, bei dem so wichtigen Werk ermuntert. Möge
unser treuer Herr seinen Segen ruhen lassen auf dem Leser, auf dem Werke und
auf den Arbeitern um seines Namens willen!" August 1974 (NT) / Mai 1985 (AT)
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