2. Mose 20,13
Du sollst nicht töten.

2. Mose 32,27
Und er sprach zu ihnen: So spricht der HERR, der Gott Israels: Ein jeder gürte sein Schwert um die Lenden und gehe durch das Lager hin und her von einem Tor zum andern und erschlage seinen Bruder, Freund und Nächsten.

Von Kritikern werden hin und wieder diese zwei Schriftstellen als typischer Widerspruch in der Bibel angeführt. Hier scheint Gott einmal das Töten zu verbieten, um es dann in einer anderen Situation zu gebieten. Auch bei der Auflösung dieses scheinbaren Widerspruchs muss man erkennen, dass solche scheinbaren Widersprüche in der Bibel entweder auf mangelndem bzw. falschem Verständnis unsererseits oder auf einer falschen bzw. ungenauen Übersetzung beruhen. In diesem Falle liegt beides vor.

Zunächst muss man beachten, dass in dem Gebot in 2. Mose 20,13 im hebräischen Text nicht das normale Wort harag für "töten" benutzt wird, sondern das Wort ratsach für "morden". Das Gebot lautet also: "Du sollst nicht morden!" Wenn man andere Stellen zu diesem Thema in die Überlegungen mit einbezieht, wird deutlich, dass es aus Gottes Sicht unterschiedliche Kategorien von "Töten" gibt, die auch genau beschrieben und definiert werden. Nicht jedes "Töten" ist gleich "Mord". Für diese unterschiedlichen "Tötungen" werden entsprechend auch unterschiedliche Strafen als gerechtes Urteil zugesprochen. Nicht jede "Tötung" wird daher gleich beurteilt und in gleicher Weise bestraft.

Weiterhin sollte man darauf achten, dass nicht grundsätzlich jedes "Töten" von Gott verboten wurde, denn auf manche Delikte verordnete das AT Gesetz Gottes die Todesstrafe. Zu diesen gehörten Mord und auch Götzendienst. Wer das Gesetz Gottes auf diese Weise gebrochen hatte, der hatte als Strafe den Tod verdient.

Auch in anderen Situationen gebot Gott, eine Todesstrafe zu vollstrecken. Außerdem lesen wir davon, dass Gott in einem Krieg gebot, keinen der Feinde zu verschonen und alle zu töten. In diesen Fällen handelte es sich jedoch keineswegs um eine Anstiftung zum Mord! Umgekehrt gibt es übrigens ein Beispiel, wo Gott gebot, die gefangene feindliche Armee der Aramäer zu verschonen und gut versorgt wieder zu ihrem Herrn nach Hause zu schicken. Gottes Methoden erfolgreicher Kriegführung umfassten mehr als das Töten der Feinde (vgl. 2. Könige 6,22-232Kö 6,22-23
22 Er sprach: Du sollst sie nicht töten. Erschlägst du denn die, die du mit Schwert und Bogen gefangen hast? Setze ihnen Brot und Wasser vor, daß sie essen und trinken, und laß sie zu ihrem Herrn ziehen! 23 Da wurde ein großes Mahl bereitet. Und als sie gegessen und getrunken hatten, ließ er sie gehen, daß sie zu ihrem Herrn zogen. Seitdem kamen streifende Rotten der Aramäer nicht mehr ins Land Israel.
).

2. Mose 32,27 beschreibt die Situation, als sich eine große Zahl von Israeliten durch Götzendienst mit dem goldenen Kalb versündigt hatten. Die gerechte Strafe für diesen Götzendienst war der Tod, und die Todestrafe wurde dann von den Leviten in der angegebenen Form vollstreckt. Die Leviten, die hier diese Strafe vollzogen, machten sich dadurch aber nicht des Mordes schuldig.

Man darf in dieser Sache nicht den eigenen Gefühlen und eigenem Ermessen von "Gerechtigkeit" freien Lauf lassen, wenn es darum geht, diese Schriftstellen korrekt zu verstehen. Man muss den biblischen Kontext beachten und die Berichte in ihrem rechten Zusammenhang verstehen. Man darf nicht Berichte aus ihrem Kontext lösen und dann Lehren darauf aufbauen; solches Vorgehen führt unweigerlich zu falscher Lehre und ungerechtem falschen und unbiblischem Handeln. Wir heute leben nicht unter dem AT Gesetz, dem Alten Bund, sondern dem Neuen Bund.

Wir sollten auch beachten, dass dem Menschen meist die notwendige Fähigkeit und Möglichkeit fehlt, wenn es darum geht, etwas gerecht zu beurteilen. Gott aber ist gerecht! Er ist ein gerechter Richter, und nach seinem Buch wird alles beurteilt. Menschen regen sich über alle möglichen Dinge auf und finden, dies und jenes sei aber ungerecht und furchtbar und was sonst auch noch - unser Urteil, das oft auf unsren Gefühlen und unserem (mangelnden) Sinn für Gerechtigkeit basiert, ist oftmals völlig falsch. Wir müssen uns an Gottes Wort und an seiner Gerechtigkeit orientieren, denn er ist der gerechte Richter, und er wird einem jeden zuteilen, was er verdient.

Abschließend sei noch angemerkt, dass wir heute in vielen Zivilisationen ebenfalls sehr wohl Töten in verschiedenen Situationen ganz unterschiedlich beurteilen. In unserer Gesellschaft ist es z.B. durchaus erlaubt, aus Notwehr zu töten. Polizisten und Soldaten werden nicht bestraft, wenn sie in Ausübung ihrer Aufgabe jemanden töten. Es ist offensichtlich, dass man in solchen Situationen die Person nicht des Mordes beschuldigen und anklagen würde. Bei Mord und Totschlag dagegen verhält es sich ganz anders.

Wenn man die erwähnten Stellen in ihrem Kontext liest und die korrekte Übersetzung der benutzten hebräischen Wörter beachtet, löst sich auch dieser scheinbare Widerspruch in der Bibel leicht auf.

 

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