Spr 8,22-31 (Lu 84)
22 Der HERR hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her.
23 Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war.
24 Als die Meere noch nicht waren, ward ich geboren, als die Quellen noch nicht waren, die von Wasser fließen.
25 Ehe denn die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln ward ich geboren,
26 als er die Erde noch nicht gemacht hatte noch die Fluren darauf noch die Schollen des Erdbodens.
27 Als er die Himmel bereitete, war ich da, als er den Kreis zog über den Fluten der Tiefe,
28 als er die Wolken droben mächtig machte, als er stark machte die Quellen der Tiefe,
29 als er dem Meer seine Grenze setzte und den Wassern, daß sie nicht überschreiten seinen Befehl; als er die Grundfesten der Erde legte,
30 da war ich als sein Liebling bei ihm; ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm allezeit;
31 ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern.

Viele lesen diesen Abschnitt und noch weitere Verse in Sprüche 8 und stellen dann fest, dass derartige Dinge und Einzelheiten nicht von einem Menschen handeln können und stattdessen auf einen bereits vor der Grundlegung der Welt lebenden Sohn Gottes / Gottessohn hinweisen und von diesem handeln. Ist das aber, was dieser Text in Sprüche 8 tatsächlich aussagt? Um wen oder was geht es überhaupt in diesem Kapitel?

Ein kurzer Blick auf den einleitenden Vers in Sprüche 8 gibt Aufschluss.

Spr 8,1 (Lu 84)
Ruft nicht die Weisheit, und läßt nicht die Klugheit sich hören?

Als erstes sehen wir, dass hier keineswegs von nur einer Sache oder Person die Rede ist, sondern von ZWEIEN: Weisheit und Klugheit! Auch ist bereits aus dieser Aussage ersichtlich, dass "Weisheit" und "Klugheit" nicht etwa Namen oder Titel oder sonstige Bezeichnungen von Personen gleich welcher Art sind.

Es ist leicht zu erkennen, dass der Autor dieser Aussage zur besonderen Betonung hier zu figurativer Ausdrucksweise greift und die Redefigur "Personifikation" einsetzt, um das, was er in der Folge dann Weisheit und Klugheit zuschreibt, besonders hervorzuheben. Mittels dieser Redefigur "Personifikation" werden Dingen und Sachen menschliche Eigenschaften und Handlungen zugeschrieben, die diese rein im buchstäblichen Sinne betrachtet, gar nicht haben oder tun. Hier etwa lesen wir, die Weisheit RUFE .... im buchstäblichen Sinne eine Unmöglichkeit, da eine Sache wie die Weisheit nicht rufen kann. Die Klugheit LÄSST SICH HÖREN ... auch dies im buchstäblichen Sinne gar nicht möglich. Handelt es sich nun bei solcher Ausdrucksweise um einen Fehler? Keineswegs. Der Einsatz dieser Redefigur ist ein literarisches Mittel, um besondere Betonung auf das zu legen, was damit ausgesagt wird.

Man muss aber sorgfältig darauf achten, nun nicht umgekehrt den Fehler zu machen, aus den erwähnten Sachen und Dingen, nun tatsächliche Personen machen zu wollen. Der Text verwendet die Redefigur "Personifikation", wodurch aber nicht in einem buchstäblichen Sinne nun etwa Weisheit und Klugheit zu lebendigen - und in diesem Falle dann eigentlich weiblichen - Personen werden.

Sprüche 8 beschreibt Gottes Weisheit und Klugheit und erwähnt ganz betont, dass diese Eigenschaft Gottes, Seine Weisheit und Klugheit, seit je her Ihn in all Seinen Taten leitete und leitet. Weisheit wird als Gottes Liebling bezeichnet, was aber nicht heißt, dass etwa Jesus als bereits lebendiger "Gottessohn" diese Weisheit gewesen ist, nur weil Gott später den Messias Jesus als Seinen geliebten Sohn bezeichnet hat.

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