Einleitung

Der Abschnitt in Johannes 1,1ff ist einer der am meisten missverstandenen und von Vertretern der Dreieinigkeits- bzw. Dreifaltigkeitslehre benutzten "Beweisstellen" aus der Bibel für ihre Lehre, daß Jesus Gott sei. Der Abschnitt von Vers 1-18 wird angeführt, um vor dem Hintergrund einer angenommenen realen Präexistenz Jesu darzulegen, daß Jesus Gott ist, daß Gott in Jesus Fleisch wurde (Fleischgestalt annahm), und daß er so der eingeborene Gott ist. Solche Behauptungen entstammen ganz bestimmten Folgerungen und Schlüssen, die aus einigen Versen in diesem Abschnitt gezogen werden. Kein einziger Vers sagt jedoch tatsächlich etwas darüber aus.

Ziel dieser Studie ist es, die wesentlichen Verse dieses Abschnitts durchzuarbeiten und die Aussagen zunächst einmal einfach für sich stehen zu lassen, ohne aus voreingenommener trinitärer Sicht Worte und Aussagen anders zu verstehen, als sie eigentlich im Text stehen. Allein dadurch wird schon deutlich werden, daß das Johannesevangelium keineswegs als Beweis für eine Präexistenz Jesu als Gott dienen kann.

Zweck und Absicht des Johannesevangeliums

Bevor wir uns mit Einzelheiten des Anfangsteils dieses Evangeliums beschäftigen, will ich kurz aus einer Aussage am Ende von Johannes darlegen, was überhaupt der Hauptzweck und die eigentliche Absicht dieses Evangeliums sind. Es ist hilfreich zu erkennen, wovon das Evangelium handelt und was der Hauptpunkt ist, der dem Leser bzw. Hörer vermittelt werden soll.

Johannes 20,30-31
30 Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch.
31 Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, daß Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.

Hier faßt der Evangelist am Ende seines Berichts zusammen, wozu die Aufzeichnungen in diesem Buch insbesondere über die Zeichen Jesu dienen sollen: "Diese sind geschrieben, damit ihr glaubt …" — was glaubt? Daß Jesus Gott ist? Daß Gott Jesus ist? Daß ein dreieiniger bzw. dreifaltiger Gott ist? Nein!! Nichts dergleichen wird von Johannes dargelegt!

Diese Zeichen wurden im Johannesevangelium aufgezeichnet, damit dem Leser zwei wesentliche Dinge möglich sind: (1) Glauben, daß Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes; und daraus resultierend dann (2) damit er durch diesen Glauben an Jesus als Christus, den Sohn Gottes, in Christi Namen das Leben haben soll. Dies ist die Absicht hinter dem von Gott eingegebenen Bericht in Johannes über Jesus und die Zeichen, die er tat. Das Evangelium berichtet von Jesus und zeigt in besonderer Weise auf, daß er der Christus (der Gesalbte), der von Gott verheißene und gesandte Messias ist, der durch sein Erlöserwerk denen, die an ihn glauben, den Zugang zu ewigem Leben ermöglicht.

Die Aussage ist deutlich und klar: Jesus ist der Sohn von Gott, Gott ist sein Vater. Aufgrund der in Johannes berichteten Wahrheiten sollen wir glauben, daß Jesus Gott zum Vater hat, daß er der eingeborene Sohn Gottes ist. Diese Wahrheit wird sich selbstverständlich im gesamten Evangelium wiederfinden und nicht an irgendeiner Stelle durch eine ihre widersprechende Sache zunichte gemacht werden. Das Ende des Johannesevangeliums erwähnt nichts davon, daß Jesus selbst Gott ist, schildert vielmehr eindeutig, daß Jesus der Sohn von Gott ist. Der Anfang des Evangeliums wird nun sicher nicht diesen Aussagen entgegenstehen und diesen widersprechen.

Johannes 1,1-2

Der Anfangsteil umfaßt Johannes 1, 1-18; wobei sich dieser Teil noch ein wenig weiter aufgliedern läßt. Gleich die allerersten Verse 1-3 sind von großer Bedeutung, und werden leider meist völlig in Widerspruch zu der zuvor erwähnten allgemeinen Wahrheit bzgl. des Evangeliums ausgelegt.

Johannes 1,1-2
1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
2 Dasselbe war im Anfang bei Gott.

In einer Sprache, die uns heute vielleicht ein wenig fremd vorkommt, werden hier im wesentlichen drei Begriffe miteinander in Bezug gesetzt: (1) "Anfang", (2) "Wort" und (3) "Gott".

Es ist empfehlenswert, diese Verse wiederholt zu lesen, und zwar genauso, wie sie da stehen -- keine anderen Wörter in Gedanken hineinbringen, nicht diese Wörter in Gedanken durch andere ersetzen, nein! Wir müssen unseren Sinn zunächst absolut eisern genau auf das gerichtet halten, was hier steht. Hier steht "Anfang", das bedeutet "Anfang"! Hier steht "Wort", das bedeutet "Wort"! Hier steht "Gott", das bedeutet "Gott"! Ansonsten wird hier keine andere Sache oder Person erwähnt.

"Moment, Moment … " werden wohl einige schon kaum noch an sich halten können und vor lauter Voreingenommenheit durch ihre bisherigen Vorstellungen und von anderen Theologen übernommenen Lehren laut vor sich hin sagen. "Moment …" — was denn? Ja, mir ist auch bekannt, was weiter hinten in diesem Kapitel noch steht, deshalb sollten wir aber noch lange nicht "ein Pferd von hinten aufzäumen", oder? Wer steigt denn bitte eine Leiter hinauf, indem er von oben herunterspringt? Schön langsam, und mal eiserne Disziplin üben … Steht hier "Anfang"? Steht hier "Wort"? Steht hier "Gott"? Fein, dann werden wir zunächst auch davon ausgehen, daß genau das auch jeweils gemeint ist, und wir werden diese Begriffe nicht einfach durch andere ersetzen.

Wir sollten als nächstes versuchen zu verstehen, was hier über diese 3 Begriffe gesagt wird und in welcher Beziehung diese hier zueinander stehen.

"Im Anfang …"

"Im Anfang …", so beginnt das Johannesevangelium. Zuerst sollten wir uns vielleicht fragen, von welchem Anfang dies möglicherweise handeln könnte, oder? Manche werden zwar diese Frage für fast überflüssig halten, denn immerhin ist ihrer Meinung nach absolut klar, daß dieser Anfang hier natürlich der Anfang der Schöpfung der Welt sein muß, von dem auch in 1. Mose 1 berichtet wird. Nur, ist das so absolut klar? Muß das genau so sein? Gibt es nicht auch andere "Anfänge" in der Bibel? Bezieht sich das Wort "Anfang" immer auf den allerersten Anfang, als Gott Himmel und Erde schuf?

Ein Blick in eine Konkordanz gibt Aufschluß, und es wird klar, daß nicht an allen Stellen, an denen vom "Anfang" gesprochen wird, auch der Beginn der Schöpfung gemeint ist. Vielmehr geht es an manchen Stellen um den Anfang einer bestimmten Sache, einer bestimmten Zeitspanne, oder Aktivität, usw. Daher ist auch hier erst zu bestimmen, von welchem Anfang diese Verse handeln.

Außer dem allerersten Anfang der Himmel und Erde in 1. Mose 1,1 kommt vom Zusammenhang her nur noch eine Alternative wirklich in Frage, die wir auch durchaus näher erwägen sollten. Wie zuvor aufgezeigt, handelt das Johannesevangelium von Jesus als dem Sohn Gottes, dem Christus. Darum geht es in diesem Evangelium: Jesus wird als der eingeborene Sohn Gottes verkündet. "Im Anfang" mag hier vielleicht ein Hinweis auf "den Anfang des Sohnes Gottes" sein. Dann würde uns in diesen zwei Versen geschildert und mitgeteilt, was es mit dem Anfang Jesu, dem Beginn des Sohnes Gottes, auf sich hatte. "Im Anfang (Jesu Christi) war das Wort … " Ist das eine plausible Möglichkeit? Durchaus.

Dann sollten wir darauf achten, ob es dazu eventuell weitere Schriftstellen gibt, die ein solches Verständnis als Wahrheit bekunden und eine solche Sicht eventuell bestätigen; oder aber, ob es Stellen gibt, die eher zu einer anderen Lösung hin tendieren. Eine sehr bedeutsame Stelle findet sich in 1. Petrus 1.

1. Petrus 1,20
20 Er
[Jesus] ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt wurde, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen,

Diese Aussage des Apostels Petrus verdeutlicht eine für unsere Studie sehr wichtige Wahrheit bzgl. des Herrn Jesus Christus: Es gab eine lange Zeit, von "ehe der Welt Grund gelegt wurde" bis hin zu "am Ende der Zeiten", während der Jesus zwar in Gottes Vorsehung (d.h. "zuvor ausersehen") war, aber während der er noch nicht als Person, als ein lebendiges Wesen, "offenbart" (manifestiert, in sichtbarer und tatsächlicher Gestalt, als Person existent) war. Dieser Vers gibt uns somit weiter Aufschluß über das, was in Johannes 1 berichtet wird und hilft uns dabei, die dort offenbarten Wahrheiten richtig zu verstehen.

Bevor Jesus empfangen und geboren wurde, "existierte" er in Gottes Vorsehung, war er Teil von Gottes Plan zur Erlösung des Menschen. In unserem Sprachgebrauch würden wir davon sprechen, daß er in "Gottes Gedanken" existierte, denn "ausersehen" hat mit Gedanken, Plan und somit mit "Wort" zu tun, denn Gedanken werden in Worte gefaßt und auch in Worten mitgeteilt.

Wir können sehen, wie beide oben angesprochenen Bedeutungen von "im Anfang" in Frage kommen. Dann aber wird uns hier in 1. Petrus 1,20 noch ein weiterer Hinweis darauf gegeben, daß Jesu "Anfang" in der Tat auch mit dem allerersten "Anfang" überhaupt einhergeht, denn es heißt ja, daß Jesus bereits von Gott ausersehen war, "ehe der Welt Grund gelegt wurde".

"…war das Wort"

Als nächstes in Johannes 1,1 müssen wir den Ausdruck "war das Wort" korrekt zu verstehen suchen. Johannes verkündet: "Im Anfang war das Wort …" Mit anderen Worten, wovon auch immer hier die Rede ist, das war oder begann im Anfang als "Wort".

"Wort" ist hier die Übersetzung des griechischen Wortes logos. Dem Wort logos werden in dem Altgriechisch-Deutsch Großwörterbuch von Menge-Güthling, 26. Aufl. 1987, folgende Bedeutungen zugeschrieben (nur Stichworte teilweise hier wiedergegeben):

Rede, Sagen, Ausdruck, Spruch, Wort, Kunde, Sage, Gedanke, Erwägung, Überlegung, Berücksichtigung, Bedeutung, Geltung u.a.

Auch in anderen Wörterbüchern finden sich die gleichen Bedeutungen für das Wort logos wieder. Die Grundbedeutung "Wort" bzw. "Gedanke" oder "Erwägung" (welche ja durch Worte dann formuliert werden), trifft auch hier in Johannes 1 zu, und es besteht absolut kein Grund, logos irgendeine andere Bedeutung zu geben.

Im Laufe der Geschichte, deuteten griechische Philosophen den Begriff logos sehr spezifisch auch für das "göttliche Grundprinzip", bzw. bedachten diesen Begriff mit einem "Gottheit"–Denken. Schließlich wurden solche Gedankenmodelle über logos durch einige Kirchenväter in den frühen Jahrhunderten n.Chr. in die christliche Lehre übernommen, da diese bemüht waren, ihre bisherige von griechischer Philosophie geprägte Überzeugung mit der biblischen Lehre über Gott in Einklang zu bringen. Es entwickelte sich insbesondere in Alexandrien in Ägypten eine Theologie, die bis heute als "Logos-Christologie" bekannt ist, und in der Jesus mittels des Begriffs logos und einer spezifischen Auslegung von Johannes 1 ganz im Sinne griechischer Philosophie zur einer "Gottheit" erhoben wird. Dies wird erreicht, indem man das griechische Gedankengut bzgl. logos nun in Johannes 1 auf diesen Begriff im biblischen Bericht überträgt und dann die gemachten Aussagen, allerdings bezeichnenderweise doch nur zum Teil, zur Bestätigung benutzt.

Man sollte aber besser dabei bleiben, den hier verwendeten Begriffen keine außerbiblischen Bedeutungen zu geben, sondern sie so verstehen, wie sie hier zunächst einmal verwendet wurden.

"… das Wort war bei Gott"

Die nächste Aussage in Johannes 1,1 verkündet uns, daß dieses Wort, das im Anfang war, bei Gott war. Interessanterweise wird diese Wahrheit von Trinitariern zumeist einfach übergangen in ihrem Eifer, den nächsten Ausdruck ins Spiel zu bringen. Wir lesen davon, daß das Wort "bei [pros]" Gott war. Diese Aussage stellt eindeutig fest, daß das Wort nicht in irgendeiner Form mit Gott identisch sein kann, sondern vielmehr von Gott unabhängig ist. Es besteht eine bestimmte Beziehung zwischen Wort und Gott, denn das Wort ist bei Gott, aber dieses Wort ist nicht Gott, ist nicht identisch mit Gott.

Das Wort für "bei" ist im griechischen Text das Wort pros, es bedeutet hauptsächlich "hin … zu", "in Richtung auf", "bei", "nahe bei", übertragen zeigt es auch an, was man u.a. als "im Bezug auf", "im Blick auf", bezeichnen könnte.

"und Gott war das Wort"

Danach folgt die Aussage "und Gott war das Wort", die immer wieder als Beweis dafür herhalten muß, daß Jesus eindeutig Gott sei. Es könne ja doch wohl kaum deutlicher gesagt sein, behaupten die Vertreter der Trinitätslehre. Nun, wie klar und deutlich wird denn hier gesagt, daß Jesus Gott ist?

Als erstes kann man feststellen, daß "Jesus" hier gar nicht erwähnt wird! Hier ist nirgends von "Jesus" die Rede … hier ist von "Gott" die Rede, und hier ist von "Wort" die Rede. Warum wollen es die Trinitarier nicht dabei belassen? Die Behauptung, diese Aussage beweise, das Jesus Gott ist, beruht offensichtlich nicht auf dem hier an dieser Stelle Gesagten, sondern bezieht ein besonderes Verständnis anderer Aussagen in der Schrift an dieser Stelle dann mit ein.

Ich will an dieser Stelle doch schon einmal kurz vorweg den Anfangsteil von Vers 14 anführen, der von den Trinitariern als "Gedankenbrücke" für ihre "Logik" bzgl. dieser Stelle benutzt wird, um zu der oben erwähnten Behauptung zu gelangen.

Johannes 1,14
14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, …

Aus diesen Worten wird nun gefolgert: Das "Wort [logos]" ist "Jesus". Diese Folgerung wird als Wahrheit angenommen und dann quasi "zurück"bezogen auf das Wort im Anfang, von dem die ersten Verse handeln, so ganz nach dem Motto: In Vers 14 ist das Wort gleich Jesus, also ist in Vers 1 das Wort gleich Jesus. Mit dieser kurzen Erläuterung "trinitarischer Logik" wird erkennbar, wieso die Aussage im letzten Teil von Vers 1 ("und Gott war das Wort") angeblich beweisen soll, daß Jesus gleich Gott ist. Ist eine solche Folgerung und Vorgehensweise überhaupt korrekt, oder eher aufgrund einfacher Sprachregeln und Sprachverständnisses eigentlich unzulässig? Was aber sagt Vers 1?

Ein durchaus wichtiger Punkt betrifft hier besonders auch die Reihenfolge der Wörter. Viele Bibelübersetzungen lauten hier: "… und das Wort war Gott", was der Trinitätslehre entgegenkäme. Aber hier steht im griechischen Text nicht: "… und das Wort war Gott", sondern hier steht vielmehr: "… und Gott war das Wort." Bei manchen Aussagen kann vielleicht den Wortlaut umdrehen und es liegt auch weiterhin die gleiche Wahrheit vor, bei anderen Aussagen aber kann man einen solchen Kehrschluß nicht machen. Den Ausdruck "Gott war das Wort" kann man nicht einfach umkehren und weiterhin die Wahrheit haben; es gibt vielmehr einen entscheidenden Unterschied zwischen "das Wort war Gott" und "Gott war das Wort".

Um dies zu verdeutlichen, will ich kurz eine andere Aussage bzgl. Gott aufgreifen, die in ähnlich aufgebaut ist. In 1. Johannes 4,8.16 heißt es: "Gott ist die Liebe". Es dürfte allen Lesern klar sein (und hier haben übrigens Trinitarier auch keine Probleme, sondern stimmen schnell zu), daß man diese Aussage nicht umkehren kann, um zu behaupten: "Die Liebe ist Gott." Nein, die Liebe ist nicht Gott! Aber Gott ist die Liebe.

Genauso verhält es sich auch mit "Gott war das Wort" in Johannes 1,1. Dieser Vers sagt nicht: "… das Wort war Gott", sondern er sagt vielmehr: "… Gott war das Wort." Wie war Gott das Wort? Was bedeutet diese Feststellung? Was wird dadurch ausgesagt? Uns wird betont mitgeteilt, daß Gott der Urheber, der Autor, dieses Wortes war. In diesem Wort fand Gottes Wille seinen Ausdruck, wurde Gottes Plan kundgetan. Das hier angesprochene Wort entstammte Gottes Überlegungen, war Teil seiner Vorsehung, Seines Denkens, Seiner Erwägungen, Seines Vorhabens. Gott teilte sich in diesem Wort mit. Dieses Wort waren Gottes Gedanken, Gottes Wille, Gottes Absichten.

Das "Wort" ist jedoch an keiner Stelle in der Bibel als eine personifizierte "Gottheit" im Sinne der griechischen Philosophie beschrieben. Das Wort ist nicht Gott, es ist nicht die Gottheit. In dem Wort offenbart sich Gott, teilt Gott sich mit, im Wort "lesen wir Gott", wobei die gleiche Redefigur benutzt wird, wie etwa bei der Aussage: "Ich höre Bach, Beethoven, usw."

"Dasselbe war im Anfang bei Gott"

Vers 2 ist eine betonte Wiederholung des mittleren Teils von Vers 1, wo uns mitgeteilt wurde: "… das Wort war bei Gott". Erneut wird auf die Trennung zwischen dem Wort und Gott hingewiesen. Gott und Wort sind nicht identisch, sind nicht ein identisches Wesen. Vielmehr war "das Wort bei Gott".

Wenn wir uns an 1. Petrus 1,20 erinnern, können wir auch verstehen, "wie" das Wort "bei Gott" war. Dort hieß es: "Er [Jesus] ist zwar zuvor ausersehen …" Das Wort, welches ja in besonderer Weise mit Jesus zu tun hatte, war "bei Gott", nämlich in Gottes Vorsehung, in Gottes Gedanken.

Bemerkenswert ist, daß Trinitarier zumeist diese Aussage, die hier sogar ganz betont zweimal steht ("das Wort war BEI Gott"), eher schnell übergehen und sich dann auf "das Wort war Gott" stürzen, um daraus zu folgern, daß Jesus Gott war. Sie erwähnen mit kaum einem Wort, was sie unter "Wort war bei Gott" verstehen, sondern verkünden freimütig, daß der Ausdruck "das Wort war Gott" (obwohl er so herum gar nicht im Text steht!) bedeute: "Jesus war [am Anfang] Gott". Sie lesen dann die ersten Verse im Johannesevangelium trotz anderen Wortlauts mit folgendem Verständnis: "Im Anfang war Jesus, und Jesus war bei Gott, und Jesus war Gott. Derselbe Jesus war im Anfang bei Gott". Daß "Jesus war Gott" und "Jesus war bei Gott", wenn auf eine Person bezogen, in sich widersprüchliche Äußerungen sind, erscheint ihnen dabei eher unbedeutend bzw. wird von ihnen fast ignoriert.

Johannes 1,3-5

Die nächsten Verse werden dann so verstanden, als sei "Wort" gleich "Jesus" und in manchen Bibelübersetzungen wird "dasselbe" auch als "denselben" übersetzt.

Johannes 1,3-5
3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen.

Das griechische Wort logos ist männlichen Geschlechts, das deutsche Wort "Wort" aber sächlichen Geschlechts. Manche Übersetzer übernehmen nun, vor allem aufgrund ihres theologischen Verständnisses von "Wort = Jesus", das männliche Geschlecht und geben dadurch diesen Versen sofort eine gänzlich andere Bedeutung. Plötzlich ist Jesus als der Schöpfergott "etabliert" und als "Gott" bestärkt, ohne daß diese Verse aber auch nur irgend etwas in dieser Hinsicht aussagen!

Es ist hier auch weiterhin nicht von der Person Jesus die Rede, sondern von "Wort", von Gottes Wort, in welchem Gottes Wille und Gottes Absicht zum Ausdruck kommt und mittels dem Gott wirkt und alle Dinge gemacht hat. Man erinnere sich an 1. Mose 1: "Und Gott sprach: …" Was Gott sprach, das kam zustande!

Diese Verse in Johannes 1 könnte auch etwas anders aufgeteilt werden, wodurch die Korrespondenz der einzelnen Teilstücke in poetischer Form noch deutlicher hervortritt. Dabei wird immer wieder zu Beginn eines Gedankens das gleiche Wort aufgegriffen, das gerade den Abschluß des davor erwähnten Gedankens bildete:

Johannes 1,1-5 (geänderte Anordnung des Wortlauts)
Im Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott,
und Gott war das Wort.
Dasselbe war bei Gott im Anfang.

Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht,
und ohne dasselbe ist nichts gemacht,
was gemacht ist, darin war das Leben,
und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht scheint in der Finsternis,
und die Finsternis hat's nicht ergriffen.

Wir sehen, in welch wunderbarer und betonter Form hier in Johannes das Wort Gottes umschrieben und in den Vordergrund gestellt wird, und es wird deutlich, daß hier tatsächlich nicht von der Person Jesus, sondern von Gottes Botschaft, Gottes Wort, Gottes Gedanken die Rede ist.

Johannes 1,14

Der nächste Vers in diesem Abschnitt, in dem dann Johannes wieder direkt auf "das Wort" [logos] zu sprechen kommt, ist Vers 14.

Johannes 1,14
14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

Ich hatte diesen Vers zuvor bereits kurz angesprochen und dabei aufgezeigt, wie ihm von Verfechtern der Trinitätslehre eine bestimmte Deutung gegeben wird, um aus dem "Wort" in den ersten Versen die Person "Jesus" zu machen. Eine solche Deutung berücksichtigt jedoch nicht, was dieser Vers wirklich aussagt.

"das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns"

Viele lesen diese Worte und sind sofort bei der Hand mit: "Das handelt doch wohl eindeutig von Jesus." Ja, das handelt auch eindeutig von Jesus, aber - und das sollte man sorgfältig beachten - diese Aussage macht absolut nicht "Jesus" zum "Wort" oder das "Wort" zu "Jesus"! Hier steht jedoch nicht: "das Wort war Jesus".

Hier wird uns mitgeteilt: "Das Wort ward Fleisch und hat unter uns gewohnt …" Was im Anfang "Wort" war, wurde nun zu "Fleisch" -- wie ist das zu verstehen? Einen Schlüssel zum rechten Verständnis dieser Aussage finden wir in Hebräer 2.

Hebräer 2,14a
14 Weil nun die Kinder von Fleisch und Blut sind, hat auch er's gleichermaßen angenommen, …

Hier wird ersichtlich, das Menschen mit "Fleisch" bzw. "Fleisch und Blut" umschrieben werden. Auch in Johannes 1,14 ist mit "Fleisch" tatsächlich "Mensch", ein "menschliches Wesen", gemeint. Dies wird weiter verdeutlicht durch die angefügten Worte "und hat unter uns [unter uns Menschen] gewohnt".

Johannes 1,14 beschreibt mit anderen Worten genau das, was in 1. Petrus 1,20 ausgedrückt wird mit "… aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen". Mit anderen Worten, wir werden informiert darüber, daß Gottes Vorhaben, was er sich ausersehen hatte, seine Vorsehung, nun zur Realität wurde. Das "Wort" in Gottes Vorsehung war Wort bzgl. eines "Menschen", der kommen sollte, um mit seinem Leben als Sühneopfer den vielen Menschen die Erlösung zu ermöglichen. Dieser Mensch existierte nicht im Anfang, sondern "das Wort" über diesen Menschen war im Anfang in Gottes Plan. Als dann die Zeit erfüllt war (vgl. Galater 4,4) wurde dieser Plan verwirklicht, indem eine Frau (Maria) durch Gottes Wirken schwanger wurde und schließlich den verheißenen Messias Jesus gebar. Aus "Wort" wurde "Fleisch" -- die Verheißung eines Menschen wurde Wirklichkeit.

An der Aussage in Vers 14 ist daher nichts mystisches oder geistliches oder gar geheimnisvolles. Die Aussage ist an sich einfach zu verstehen. Man muß die Wörter lediglich so lesen und verstehen, wie sie im Text stehen, ohne ihnen andere und eigentlich dem Text fremde Bedeutungen zu geben.

"als des eingeborenen Sohnes vom Vater"

Vers 14 berichtet dann weiter, von welchem Menschen hier nun genau die Rede ist. Diese Worte betrafen nicht einfach irgendeinen beliebigen Menschen, wie ja auch "das Wort" nicht einfach irgend jemandes Wort gewesen war. Dieses "Wort" hatte vom Anfang von Gottes Sohn gehandelt, hatte Gottes Sohn zum Inhalt, den verheißenen Nachkommen des Weibes, der ohne Zutun eines irdischen Vaters empfangen und geboren werden sollte.

Der Begriff "Vater" bezieht sich eindeutig auf Gott. Damit wird genau bestimmt, daß dieses "Fleisch", dieser Mensch, der eingeborene Sohn Gottes ist. Es wird klar unterschieden zwischen Gott und dem Wort (solange die Rede von Gottes Vorsehung und seinem Erlösungsplan ist), und in gleicher Weise dann auch zwischen Gott und seinem eingeborenen Sohn (nachdem dieser Plan realisiert und das "Wort" zu "Fleisch" wurde). Diese Wahrheit ist nun in allen Stellen anzutreffen und kann auf eine jede Stelle angewendet werden, die scheinbar von einer Präexistenz Jesu spricht. Jesus war vor seiner Existenz als Mensch "Wort", und als "Wort" Teil von Gottes Plan in Gottes Vorsehung. Nirgends ist die Rede von einer Existenz Jesu als "Gott" noch als 2. Person einer "Gottheit".

Daß Jesus in Gottes Plan bzw. Vorsehung existierte, bevor er geboren wurde, bedeutet natürlich nicht, daß er eine Person, ein lebendiges Wesen und Gott war. Durch eine solche Präexistenz wird man nicht zu Gott. Man vgl. Epheser 1,4 – die Gläubigen wurden bereits in ihm [Christus] erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, nur macht uns eine solche Präexistenz in Gottes Vorsehung bereits zu lebendigen Wesen vor Grundlegung der Welt und zu Gott? Nein! Genauso verhält es sich mit Jesus.

Jesus ist "das Fleisch gewordene Wort", wobei unbedingt zu beachten ist, daß dies nicht gleichbedeutend ist mit einem "Fleisch gewordenen Gott"! Nirgends in der Bibel gibt es jemals auch nur einen Hinweis darauf, daß der allmächtige Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, ein Mensch bzw. "Fleisch und Blut" sein könnte. Gott ist Geist (vgl. Jesu Worte in Johannes 4,24), Gott ist nicht Fleisch und Blut.

Der allmächtige Gott ist Jesu Vater. Jesus selbst ist der von Gott ausersehene und dann offenbarte eingeborene Sohn Gottes, seines Vaters.

Diese Wahrheiten werden von Johannes auch in seinem 1. Brief gleich zu Beginn des Briefes aufgegriffen, und ein Vergleich der Aussagen im Evangelium und dem 1. Brief verdeutlicht die Parallelen. Johannes 1,1-4 lautet:

Johannes 1,1-4
Im Anfang war das Wort,
  und das Wort war bei Gott,
    und Gott war das Wort.
Dasselbe war bei Gott im Anfang.

Durch dasselbe sind alle Dinge gemacht,
  und ohne dasselbe ist nichts gemacht,
    was gemacht ist, darin war das Leben,
      und das Leben war das Licht der Menschen.

In 1. Johannes 1,1-2 heißt es dann:

Was von Anfang an war,
  was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unsern Augen,
  was wir betrachtet haben und unsre Hände betastet haben,
  vom Wort des Lebens -
und das Leben ist erschienen,
  und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch
  das Leben, das ewig ist,
  das beim Vater war
  und uns erschienen ist -,

Wir können leicht erkennen, daß in beiden Fällen von dem Wort die Rede ist, das dann in Jesus Gestalt annahm. Für eine reale Präexistenz Jesu im Anfang als Gott findet sich dagegen in keinem der zwei Abschnitte ein Hinweis.

Johannes 1,18

Nach einigen weiteren Versen über Johannes den Täufer und dessen Zeugnis von Jesus, dem eingeborenen Sohn Gottes, sowie einigen anderen Wahrheiten bzgl. Jesus, schließt dann dieser einleitende Abschnitt in Johannes 1 mit einer bedeutsamen Aussage in Vers 18 ab.

Johannes 1,18
18 Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt.

Der Wortlaut dieses Verses in der revidierten Lutherbibel von 1984 scheint nun allerdings quasi alle vernünftigen und logischen Erkenntnisse der vorangehenden Verse über den Haufen zu werfen, wenn es hier plötzlich heißt: "der Eingeborene, der Gott ist …" Der Vers selbst enthält auch noch weitere Angaben, die dieser Feststellung widersprechen, so daß die gesamte Aussage in sich widersprüchlich wird. Solche Widersprüche können aber nicht sein, wenn wir tatsächlich den rechten Wortlaut des von Gott eingegebenen Wortes bzw. eine korrekte Übersetzung davon vorliegen haben.

Bevor ich einige Teile dieses Verses noch etwas genauer untersuche, möchte ich zuerst noch einige weitere deutsche Bibelübersetzungen anführen.

(Elberfelder Bibel 1905)
18 Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn kundgemacht.

(Schlachter Bibel 1951)
18 Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoße des Vaters ist, der hat uns Aufschluß über ihn gegeben.

(Luther Bibel 1912)
18 Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündigt.

(Luther Bibel 1545)
18 Niemand hat GOtt je gesehen. Der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündiget.

Alle diese Übersetzungen haben einen anderen Wortlaut als die Lutherbibel 1984: "der eingeborene Sohn" statt "der Eingeborene, der Gott ist". Dieser Unterschied in der Übersetzung weist u.a. darauf hin, daß es für diesen Vers verschiedene Textüberlieferungen in den alten Handschriften gibt.

Die Mehrzahl der Übersetzungen nimmt bezug auf Handschriften, die aus dem 4. Jhdt. und danach stammen, und die fast alle übereinstimmend den Wortlaut "der eingeborene Sohn" haben. In der Zwischenzeit aber wurden teilweise ältere Handschriften gefunden, und auch Schriften der frühen Kirchenväter mit Zitaten dieser Stelle in Übersetzungen einbezogen, die einen anderen Wortlaut geben, wobei jedoch der Wortlaut auch nicht unbedingt eindeutig ist. Einige sehr frühe Handschriften haben den Wortlaut "der eingeborene Gott", einige auch "der Eingeborene Gottes". Aufgrund der Sachlage bzgl. der Handschriften und anderer alter Quellen, mag es nicht möglich sein, definitiv zu sagen, welches wohl der ursprünglich von Gott eingegebene Wortlaut war.

Eine detaillierte Untersuchung der Quellen unter Berücksichtigung bekannter Fakten und Daten bzgl. der Überlieferung und möglicher Fehlerquellen bei der Übermittlung des Textes in den mit der Hand gefertigten Abschriften, tendiert zu folgender Möglichkeit:

Die Fassung "der eingeborene Sohn [bzw. in einigen wenigen Quellen "der eingeborene Sohn Gottes"] ist wohl späteren Ursprungs und wurde vermutlich in Anlehnung an so prägnante Stellen wie etwa Johannes 3,16 u.ä. abgeändert. Der Grund dafür könnte sein, daß man der zu jener Zeit aufkommenden und im Zuge der Verbreitung trinitarischen Denkens eingeführten Lehre Jesus sei Gott entgegenwirken wollte. Diese neu aufkommende Lehre wurde wohl gestützt durch den Wortlaut "der eingeborene Gott" in bestimmten Handschriften. Dieser Wortlaut kann jedoch nicht der ursprüngliche gewesen sein, denn es ist aus dem Gesamtzeugnis der Schrift völlig klar, daß Gott ja gar nicht geboren werden kann und dieser Wortlaut ebenfalls Widersprüche verursacht. Es erscheint gut möglich, daß der ursprüngliche Text "der Eingeborene Gottes" lautete, dieser wurde dann in "der eingeborene Gott" abgeändert (lediglich Änderung des Wortes theou zu theos), aber schließlich in "der eingeborene Sohn", womit jegliche Widersprüche im Text wieder beseitigt sind.

"Niemand hat Gott je gesehen …"

Dies ist eine allgemein in der ganzen Schrift angenommene und bezeugte Wahrheit. Gott ist der Unsichtbare, kein Mensch kann ihn "sehen". Gott ist Geist, daher auch für das menschliche Auge nicht wahrnehmbar.

Allein diese Worte stellen bereits für die durch die Textveränderung herbeigeführte Aussage von "der Eingeborene, der Gott ist", durch welche offenbar Jesus zu Gott gemacht werden sollte, einen Widerspruch dar. Niemand hat Gott je gesehen … viele Menschen aber haben Jesus gesehen, von der Zeit seiner Geburt an bis hin zu seiner Aufnahme in den Himmel. Gott ist unsichtbar, er kann von Menschen nicht gesehen werden, Jesus aber konnte gesehen werden, und viele Menschen haben ihn gesehen.

1. Timotheus 6,16
16 der allein Unsterblichkeit hat, der da wohnt in einem Licht, zu dem niemand kommen kann, den kein Mensch gesehen hat noch sehen kann. Dem sei Ehre und ewige Macht! Amen.

Auch dieser Vers bezeugt, daß Gott für jeden Menschen unsichtbar bleibt, da er von keinem Menschen gesehen werden kann. Er wohnt in einem strahlenden Licht, das es dem Menschen unmöglich macht, ihn zu sehen.

Jesus jedoch konnte gesehen werden, und er wurde während seines Lebens von vielen Menschen gesehen, sowohl vor seinem Tod und seiner Auferstehung als auch danach. Dies macht deutlich, daß er nicht Gott gewesen sein kann.

"der Eingeborene, der Gott ist"

Dieser Ausdruck ist bereits in sich selbst ein Widerspruch, da der allmächtige Gott nicht geboren werden kann. Das bezeugen mehrere Aussagen über Gott, wie etwa die Wahrheit, daß Gott ewig ist, also keinen Anfang in Form einer Geburt hat. Weiterhin bezeugen Schriftstellen, daß Gott nicht ein Mensch ist, noch eine andere Schöpfung, die durch Geburt hervorgebracht werden könnte - er ist vielmehr deren Schöpfer.

Ich habe bereits eine mögliche Erklärung für die Entstehung dieses Wortlauts gegeben, und es ist diesem von textlicher Seite hier nichts weiter hinzu zu fügen. Allerdings gibt es noch einige weitere Aspekte, die hier angeführt werden sollen, um zu verdeutlichen, daß diese in der Luther Bibel 1984 gewählte Textvariante und Übersetzung nicht korrekt sein kann.

Der Begriff "eingeboren" kommt mehrmals in der Bibel vor, und vor allem bei Johannes. In Vers 14 war die erste Stelle hier in Johannes, wo "eingeboren" vorkam: "… eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater". Das Wort "eingeboren" wird immer auf den Sohn Gottes bezogen, nie jedoch auf Gott oder den Vater. Dieser ist nicht "eingeboren", der Sohn ist "eingeboren".

Johannes 3,16.18
16 Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
18 Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.

1. Johannes 4,9
9 Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, daß Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen.

Diese Stellen weisen ebenfalls eindeutig darauf hin, daß sich "eingeboren" auf den Sohn Gottes, nicht aber auf Gott selbst, beziehen muß. Jesus Christus ist der eingeborene Sohn Gottes, er ist der Eingeborene … ja, "der Eingeborene Gottes". Aber er ist nicht "der eingeborene Gott" bzw. wie es in der revidierten Luther Bibel 1984 etwas weniger auffällig übersetzt wurde: "der Eingeborene, der Gott ist".

"der in des Vaters Schoß ist"

Auch diese Angabe bringt sofort einen Widerspruch mit sich, wenn die davor stehende Bemerkung korrekt sein soll, daß der Eingeborene Gott ist. Der "Vater" ist ja der allmächtige Gott, und durch die inkorrekte Übersetzung entsteht das Bild, als wäre Gott in seinem eigenen Schoß … einfach absurd.

Dieser Ausdruck verdeutlicht ebenfalls, daß es zwischen Gott und Jesus eine klare Unterscheidung und Trennung gibt, die beiden sind nicht ein und dasselbe allmächtige Wesen, welches die Bibel als den wahren "Gott" bezeichnet. Jesu Vater ist dieser Gott, und durch sein Wirken ist Jesus gezeugt und daher Gottes eingeborener Sohn. Kein anderer Mensch ist der eingeborene Sohn Gottes … einzig Jesus Christus ist dieser eingeborene Sohn Gottes.

Hier nun wird die innige Beziehung zwischen Vater und Sohn bildhaft anhand einer Redefigur geschildert. Der Sohn ist "in des Vaters Schoß", was offensichtlich nicht wörtlich zu verstehen ist, sondern als ein idiomatischer Ausdruck, um das innige Verhältnis zwischen Vater und Sohn zu beschreiben. Die Geborgenheit, der Schutz, die Fürsorge, die Liebe des Vaters kommen in dem Begriff "des Vaters Schoß" zum Ausdruck. Jesus war nicht ausgestoßen in dieser Welt, sondern erfreute sich der liebevollen Zuwendung seines himmlischen Vaters.

"der hat ihn uns verkündigt"

Hier erfahren wir noch eine letzte große Wahrheit, die ebenfalls deutlich macht, daß Jesus und Gott nicht identisch und auch nicht gleich sind. Anknüpfend an den ersten Teil dieses Verses ("niemand hat Gott je gesehen") folgt hier nun sozusagen eine Fortsetzung dieses Gedankens, indem uns gesagt wird, wie der Mensch dennoch Gott erkennen kann.

Der eingeborene Sohn hat Gott, seinen Vater, den Menschen verkündigt. Er hat Gott in vollem Maße und in besonderer Weise den Menschen kundgemacht. Diese Wahrheit kommt auch in Hebräer 1 zum Ausdruck.

Hebräer 1,1-2
1 Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten,
2 hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, …

Auch vorzeiten hat sich Gott nicht ohne Zeugnis gelassen und hat er zu den Menschen geredet, nun aber kam eine ganz andere Dimension hinzu. In diesen letzten Tagen hat Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt und durch ihn "geredet". Der Sohn verkündete Gott. Er machte Gott bekannt, hat den Menschen sozusagen Gott "vorgelebt" und so Gottes Weg aufgezeigt. Das Wort für "verkündigt" ist im griechischen Text das Wort exegeomai, es bedeutet "führen, geleiten, ausführen, beschreiben, darstellen, kundtun, zeigen, berichten."

Johannes 14,6
6 Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.

Der einzige Weg zu Gott, zum Vater, führt über Jesus. Er war gesandt, um Gott zu verkündigen und Gott den Menschen kundzutun. Genau das tat er, durch Wort und auch durch Tat.

Johannes 14,7-9
7 Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Und von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.
8 Spricht zu ihm Philippus: Herr, zeige uns den Vater, und es genügt uns.
9 Jesus spricht zu ihm: So lange bin ich bei euch, und du kennst mich nicht, Philippus? Wer mich sieht, der sieht den Vater! Wie sprichst du dann: Zeige uns den Vater?

Diese Verse gehen sehr schön mit dem in Johannes 1,18 Gesagten einher. Niemand hat Gott je gesehen, ja niemand kann Gott selbst sehen. Aber, Menschen konnten Jesus sehen und erkennen, und durch ihn und das, was er lehrte und wirkte, wurde Gott "erkennbar", kamen Menschen mit dem Wort des Lebens in Kontakt.

Jesus behauptet hier keineswegs, wie ihm manche Vertreter der Trinitätslehre gerne in den Mund legen, daß er der Vater bzw. Gott ist. Er sagt nichts dergleichen! Er bestätigt nur, was bereits in Johannes 1,18 gesagt ist: Er verkündigt Gott, seinen Vater! Aus seinen Werken und aus seinen Worten kann Gott erkannt werden. Die Jünger sahen nicht den allmächtigen Gott selbst vor sich stehen, sie sahen den Menschen Jesus Christus, den eingeborenen Sohn Gottes vor sich, der ihnen durch seine Lehre und durch seine Werke Gott zeigte.

Zusammenfassung

Wir sehen, wie dieser großartige Abschnitt zu Anfang des Johannesevangeliums nicht losgelöst vom Rest dieses Evangeliums gelesen und recht verstanden werden kann. Auch wird deutlich, wie schnell man diese Verse aufgrund einer vorgefaßten und trinitarisch beeinflußten Meinung so verstehen kann, daß sich immer wieder Widersprüche ergeben und das Ganze seine in sich geschlossene und eindeutige Bedeutung verliert. Die Schuld dafür liegt nicht am Text und auch nicht an daran, daß die wir es hier im Zusammenhang mit der Trinitätslehre eben mit einem Geheimnis der Gottheit zu tun hätten.

Wir lernen in diesem Abschnitt einfache, dabei völlig einleuchtende und verständliche Wahrheiten: Gott hat im Anfang einen Plan gefaßt, um den Menschen zu erlösen. Zentral in diesem Plan ist ein besonderer Mensch, der durch Gottes eigenes Wirken geboren werden sollte und daher Gottes eingeborener Sohn sein würde. Der Anfang dieses eingeborenen Sohnes Gottes war "Wort", Gottes Wort, denn es war Gott, der sich diesen Plan von einem Sohn als Erlöser der Menschheit ausersehen hatte. Dieses Wort war daher "bei Gott", und "Gott war dieses Wort".

Schließlich, als die Zeit erfüllt war, wurde dieses Wort Fleisch - der Mensch, von dem dieses Wort handelte, wurde geboren und wohnte unter den Menschen. Dieser Mensch war der Eingeborene seines Vaters, der Eingeborene Gottes, und seine Aufgabe war es, den Menschen Gott zu verkündigen. Dies tat er durch Wort und Werke, und in seinem Wandel kam die ganze Herrlichkeit Gottes zum Ausdruck. Er war das Ebenbild des unsichtbaren Gottes (vgl. Kolosser 1,15).

Hebräer 1,3
3 Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe

Auch dieser Vers bestätigt, was aus Johannes 1 deutlich wird: Jesus ist selbst nicht Gott! Er ist der Abglanz seiner [von Gottes] Herrlichkeit und das Ebenbild seines [von Gottes] Wesens!

Möge diese Studie allen Lesern eine Hilfe sein, den Herrn Jesus Christus besser zu erkennen und zu verstehen, wer er eigentlich ist. Hier wird kein Geheimnis propagiert und dessen Schleier dann sorgfältig zugehalten - nein. Mir ist es ein Anliegen, den Schleier der undurchsichtigen Trinitätslehre zu lüften und allen zu ermöglichen, die Herrlichkeit Jesu, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, zu erkennen und letztendlich Gott ihm allein gebührende Ehre und Lob zu geben.

 

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