Hin und wieder wird in Unterhaltungen unter Christen auf eine Aussage in 1. Petrus hingewiesen, die dann von Vertretern der Trinitätslehre als ein weiterer Beweis für - oder zumindest Hinweis auf - die Gottheit Jesu und speziell die reale Präexistenz Jesu vor seiner Menschwerdung erwähnt wird. Andere, die aufgrund anderer Aussagen der Bibel zu anderer Erkenntnis gelangt sind, haben unter Umständen ebenfalls Schwierigkeiten, die Stelle in 1. Petrus so zu verstehen, dass das Verständnis nicht anderen Stellen in der Bibel widerspricht.

Um welche Stelle bzw. welche Aussage geht es genau?

1. Petrus 1,10-11
Nach dieser Seligkeit haben gesucht und geforscht die Propheten, die von der Gnade geweissagt haben, die für euch bestimmt ist,
und haben geforscht, auf welche und was für eine Zeit der Geist Christi deutete, der in ihnen war und zuvor bezeugt hat die Leiden, die über Christus kommen sollten, und die Herrlichkeit danach.

In Vers 11 findet sich der Ausdruck "der Geist Christi", gefolgt von "der in ihnen [den Propheten] war". Die Vertreter der Trinitätslehre behaupten nun, hier würde doch gesagt, dass Christus doch schon zu Zeiten des AT in den Propheten war. Christus lebte damals natürlich nicht in menschlicher Gestalt, sondern in "Geist"-Form, was ja durch den Ausdruck "GEIST Christi" auch gesagt würde. Und damit sei dann auch angeblich klar, dass Christus zu der Zeit bereits als Gott existierte. Dass eine solche Interpretation anderen Aussagen in biblischen Schriften widerspricht, scheint dabei nicht zu Interessieren.

Schauen wir uns nur einmal einige Stellen an, in denen ebenfalls Petrus zu Wort kommt und in denen erwähnt wird, was er bzgl. Christus dort bezeugt.

Matthäus 16,16
Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!

Petrus bezeugt, dass der Mensch Jesus von Nazareth der Messias und Sohn des lebendigen Gottes ist.. Petrus glaubt offensichtlich nicht, dass Jesus weder der lebendige Gott selbst ist, noch in einer früheren Existenz der lebendige Gott war. Für Petrus sind der Christus (der Messias) und der lebendige Gott zwei unterschiedliche Lebewesen und Personen, und der lebendige Gott ist der Vater des Christus.

Apostelgeschichte 2,23-24.36
diesen Mann, der durch Gottes Ratschluß und Vorsehung dahingegeben war, habt ihr durch die Hand der Heiden ans Kreuz geschlagen und umgebracht.
Den hat Gott auferweckt und hat aufgelöst die Schmerzen des Todes, wie es denn unmöglich war, daß er vom Tode festgehalten werden konnte.
...
So wisse nun das ganze Haus Israel gewiß, daß Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat.

In Vers 23 lesen wir, dass für Petrus Jesus ein Mensch ist, ein Mann, der Gottes Ratschluss erfüllte und der von den Juden durch die Heiden gekreuzigt und umgebracht wurde. Petrus erwähnt dann in seiner Rede, dass Gott eben diesen seinen Sohn Jesus von den Toten auferweckt und zum Herrn und Christus gemacht hat.

Hier lesen wir von der Erfüllung dessen, was die Propheten von alters her prophezeit und bezeugt hatten bzgl. des Christus: Dass der Christus leiden sollte und danach aber verherrlicht würde.

Wovon ist nun in dem Abschnitt in 1. Petrus 1,10-11 die Rede? Was ist mit dem Ausdruck "Geist Christi" dort gemeint? Bezeichnet der Ausdruck "Geist" überhaupt in irgendeiner Form die Person Christus selbst, oder bezeichnet der Ausdruck "Geist Christi [wörtl. Geist von Christus]" eine andere Beziehung zwischen "Geist" und "Christus"?

Der Ausdruck "der Geist Christi" ist grammatisch eine Genitiv Konstruktion, mittels der eine bestimmte Beziehung zwischen dem, was jeweils durch die zwei Substantive bezeichnet wird." Dabei gibt es ganz unterschiedliche Genitiv Konstruktionen. Der Genitiv kann verschiedene Beziehungen oder Verhältnisse zwischen den zwei Hauptwörtern bedeuten.

Zur Illustration: "Das Buch Wolfgangs" oder "Wolfgangs Buch" -- was ist das? Ist das das Buch, welches Wolfgang gekauft hat und nun besitzt? Oder ist es das Buch, das Wolfgang geschrieben hat und dessen Autor er ist? Ist es vielleicht das Buch, das er sich schon immer gewünscht hat und gerne haben möchte? Oder ist es das Buch, das Wolfgang gerade in Händen hält und liest? Ist Buch womöglich in irgendeiner Form noch etwas anders von Wolfgang (z.B. der etwas verrückte Name seines Hundes)? Man erkennt schnell, dass ein solcher Genitiv Ausdruck vieles bedeuten und bezeichnen könnte. Dabei ist eigentlich sofort klar, dass der jeweilige Kontext. in dem der Ausdruck vorkommt, verdeutlicht, was genau gemeint ist. Ohne Berücksichtigung des Kontexts kann man sehr schnell auf eine falsche, widersprüchliche oder unsinnige Idee kommen.

Was ergibt sich nun für die Situation mit der Aussage in 1. Petrus 1,10-11? Der Abschnitt handelt von den AT Propheten, die von einer kommenden Zeit der Gnade und dem Kommen eins von Gott gesandten Messias (Christus) geweissagt haben. Diesen Propheten war aber noch verborgen, von welcher Zeit die Dinge handelten, die ihnen von Gott offenbart und die sie prophezeiten, weissagten. Wie haben Propheten solche Erkenntnis zukünftiger Dinge erhalten? Sie wurde ihnen von Gott mittels des Geistes, der in ihnen bzw. auf ihnen war, offenbart. Welche Erkenntnisse wurden ihnen offenbart? Die Erkenntnisse über die Leiden (vgl. Kreuzigung u. Tod), die über den verheißenen Christus kommen sollten, und über die Herrlichkeit (vgl. Auferstehung u. Aufnahme zur Rechten Gottes) danach.

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Hier ist nirgends die Rede davon, dass Christus zu Zeiten der Propheten etwa als ein Geist und Gott gelebt habe. Hier ist davon die Rede, dass die Propheten von Gott Zeugnis erhielten mittels Gottes Geist in ihnen bezüglich des Christus und dessen Leiden und Herrlichkeit danach.

Eine vielleicht etwas leichter verständliche Übersetzung von Vers 11 aus dem Griechischen könnte z.B. lauten:

... haben geforscht, auf welche oder welcherlei Zeit der Geist, der in ihnen war, bezüglich Christus hindeutete, als er von den Leiden, die auf Christus kommen sollten, und von den Herrlichkeiten danach zuvor zeugte.

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