Geschichte
Die Lutherbibel ist die klassische deutsche Bibelübersetzung und nach
wie vor auch diejenige, die hierzulande am weitesten verbreitet ist. Ihre
Geschichte reicht zurück bis in die Frühzeit der Reformation:
Martin Luther nutzte seinen unfreiwilligen Aufenthalt auf der Wartburg im
Winter 1521/22, um das Neue Testament - in der Rekordzeit von nur 10 Wochen
- aus dem Griechischen ins Deutsche zu übersetzen. Zwölf Jahre
später, 1534 konnte dann die gesamte Bibel in seiner übersetzung
erscheinen, an deren Vervollkommnung Luther bis zu seinem Lebensende
weitergearbeitet hat.
"Dem Volk aufs Maul sehen"
Berühmt ist ein Grundsatz, den Luther bei seiner Bibelübersetzung
angewendet und der zu dem durchschlagenden Erfolg seiner Bibelübersetzung
beigetragen hat: Man muß nicht die Buchstaben der lateinischen Sprache
fragen, wie man soll deutsch reden, sondern man muß die Mutter im Hause,
die Kinder auf der Gasse, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und
denselbigen aufs Maul sehen, wie sie reden, und danach dolmetschen, so verstehn
sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet. (Sendbrief
vom Dolmetschen)
Theologische Prinzipien
Ebenso wichtig waren für Luther jedoch die theologischen
Prinzipien seiner übersetzung. Als Grundlage für sein
Verständnis der Bibel gilt ihm Gottes Heilstat in Jesus Christus. Um
dieses möglichst deutlich herauszuarbeiten, hat Luther bestimmte deutsche
Worte, in denen sich diese Botschaft ausdrückt, möglichst oft
verwendet, auch dort, wo der hebräische oder griechische Wortlaut es nicht
fordert: Glaube, Gnade, Trost (durch das Evangelium), predigen (das Evangelium
verkündigen). Mit Hilfe dieses Verfahrens läßt Luther die
evangelische Botschaft von der Rechtfertigung des Sünders allein aus dem
Glauben durch die ganze Heilige Schrift hindurch sichtbar werden.
Bedeutung
Seit der Reformationszeit hat Luthers
Bibelübersetzung nicht nur den deutschen Protestantismus und seine
Frömmigkeit tiefgreifend geprägt, sondern auch die deutsche Literatur
und Sprache aufs nachhaltigste beeinflußt. Bei der Herausbildung einer
einheitlichen deutschen Schriftsprache hat sie eine entscheidende Rolle
gespielt und darüber hinaus in Sprachschatz und Sprachgebrauch der
Deutschen zahlreiche Spuren hinterlassen.
Redewendungen wie Hochmut kommt
vor dem Fall (Sprüche 16,18) oder Wer andern eine Grube gräbt,
fällt selbst hinein (Prediger 10.8) stammen ebenso aus der Lutherbibel wie
Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über (Matthäus 12,34). Die
deutsche Dichtung ist voll von Zitaten und Anspielungen aus der Lutherbibel; es
ist bekannt, wie sehr der junge Goethe seine Sprache an der Bibel Martin
Luthers geschult hat, und in unserem Jahrhundert hat Bertolt Brecht die Frage
nach seiner Lieblingslektüre so beantwortet: "Sie werden lachen: die
Bibel."
Revisionen
Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die
Lutherbibel in den protestantischen Gebieten Deutschlands das Haus- und
Volksbuch schlechthin. Dann haben eine beschleunigte Sprachentwicklung und ein
einschneidender Traditionsabbruch dazu geführt, daß die
Originalsprache Luthers für immer mehr Menschen immer schwerer
verständlich wurde. Damit die Bibel Martin Luthers nicht zum sprachlichen
Museumsstück würde, hat die Evangelische Kirche in Deutschland seit
dem Ende des 19. Jahrhunderts in mehreren Anläufen versucht, seine
übersetzung schonend dem gewandelten Sprachgebrauch anzupassen. Dieser
Prozeß ist nach etlichen Zwischenstufen im Jahr 1984 zu einem
vorläufigen Abschluß gekommen. In der revidierten Fassung von 1984
stellt die Lutherbibel heute den offiziellen Bibeltext der evangelischen
Kirchen dar. Der Großteil der von der Deutschen Bibelgesellschaft
verbreiteten Lutherbibeln enthält diesen Text. Darüber hinaus sind
auch ältere Fassungen des Luthertextes (Luthers Ausgabe letzter Hand von
1545 sowie die wichtige Revision aus dem Jahre 1912) noch erhältlich.
(Information: Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart)